Nehmen wir uns der kurzfristigen Entwicklungen und der Langzeit-Trends an. Kurzfristig: Auf der rein wirtschaftlichen Ebene, also der Befindlichkeit der Kunden und der einzelnen Technologiemärkte (ohne die ganze Untergangspsychologie) stehen die Zeichen noch auf Abwarten – eine Mischung aus Übervorsicht und schwacher Segmentkonjunktur. Doch ob Maschinenbau oder Industrieautomation, die Digitalisierungswelle rollt – bei dem einen a bissl früher, beim anderen ein wenig später. Und diese Welle braucht viel innovative Hardware und noch viel mehr Software- und Plattformlösungen nebst gut durchdachten Anwendungsfällen (nach Meinung vieler Industrieexperten von Gartner bis McKinsey scheitern viele IoT-Projekte an der unsauberen Definition der Use-Cases und der Unterschätzung der Komplexität von Digitalisierung). Es ist nur eine Frage der Zeit, wann und wo die kritische Masse erreicht wird für den nächsten Wachstumsschub: leere Läger, aber viele Ideen – das braucht nur einen kleinen Zünder und schon geht der Komponentenmarkt wieder ab (und mit ihm unsere kleine Distribution).
Langfristig: Die Wegwerfgesellschaft mit ihren vielfältigen Verwerfungen – dazu gehören auch Smartphones und fossil betriebene Transportmittel – steht am Abgrund. Bis zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft mit sinnvollen Produkten und einer sinnvollen Produktion ist es noch weit, aber in den nächsten zehn Jahren werden die Weichen dafür gestellt, was massive Veränderungen der Technologie und vor allem für den Einsatz von Technologie haben wird. Diese Übergangsphase mag in einigen Ländern länger dauern als anderswo (wer über zu strenge Umweltauflagen klagt, hat nur den Schuss noch nicht gehört), aber wenn sie erst einmal begonnen hat, werden wir neue Einsatzfelder für Technologien en masse finden, vorausgesetzt, die Rohstoffe gehen bis dahin nicht aus. Es werden vielleicht nicht die Automobilindustrie und die Smartphone-Hersteller sein, die dann den Ton angeben. Und vielleicht auch nicht die Internet-Riesen, die wir heute kennen – die ihr Geld mehr oder weniger mit Online-Müll (und auch mit nicht wenig echtem Müll) machen.
Sehr langfristig: Letztlich geht es in Zukunft um die echten (Über-)Bedürfnisse von Menschen (nicht die suggerierten): Gesundheit (das beinhaltet auch Umwelt und saubere Energie), Sicherheit (nicht Überwachung), Kommunikation/Information (nicht Fake-News all over) und Lebensqualität bzw. Sinn. Welche Technologieprodukte bieten das einzeln oder in Kombination? Unter der Maßgabe der Nachhaltigkeit? Heute wenige, künftig mehr und mehr, denn ohne den radikalen Nützlichkeitscheck wird in einer globalen Gesellschaft, die sich vor sich selbst schützen muss, nichts mehr produziert.
Das mag sehr langfristig klingen und wie eine Utopie, aber schon heute legen Banken Milliardenfonds für diese Art von „Circular Economy and Innovation“ auf, und es wird mehr. 10 Milliarden Menschen, die nahezu auf dem gleichen Level sinnvoll und sinnvolle Technologie nutzen, das klingt nach einem Riesenmarkt (100 Dollar Chips pro Nase und schon sind wir bei 1 Billion Dollar) und nach der Notwendigkeit einiger technischer Quantensprünge. Künstliche Intelligenz, Robotik, Big Data sind wohl nur der Anfang (richtig genutzt, woran man heute durchaus seine Zweifel haben darf).
Fazit: 2019 war ein Jahr voller echter und wahrgenommener Unsicherheiten – sicher nicht das letzte dieser Art. 2020 dagegen wird aus meiner Sicht ein Jahr des Aufschwungs und vielleicht der Beginn einer neuen Technologieära, die nichts mehr und nichts weniger als die radikale Umkehr von der Verschwendung und die Hinwendung zu einer nachhaltigen Innovation zum Ziel hat, die den Namen auch verdient.
Wann geht’s nun los mit dem Aufschwung in unserer Branche? Makroökonomisch wird das erste Quartal 2020 noch von Unsicherheiten (und Vorsicht) beherrscht und auch von der Tatsache, dass das Vergleichsquartal 2019 noch von Umsatzrekorden bestimmt war – kein großes Wachstum also. Aber dann kann’s losgehen: Ostern vorbei, Brexit vorbei, Handelsstreit beigelegt, Aprilwetter vorbei, Panik vorbei – der April-PMI wieder bei 50. Der 17. Mai 2020 drängt sich förmlich auf als der Sonntag, an dem jeder sagt: »So …«