Die EU-Verordnung »REACh« (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) bereitet den Distributoren Kopfzerbrechen: Danach müssen sie ihre Kunden über bestimmte Inhaltsstoffe von Bauteilen und Modulen informieren. Bislang existiert darüber aber in der Lieferkette kein einheitliches Verständnis.
Vielen fehlt schlicht das Wissen: »Was brauche ich wann und wofür?« Abhilfe schaffen will der Fachverband der Bauelemente-Distribution (FBDi) mit einem »Pictorial-Leitfaden«: Er fasst die Anforderungen von REACh und weiteren Verordnungen verständlich zusammen und will so für einen besseren Informationsfluss sorgen.
Zwar ist das REACh-Regelwerk seit Juni 2007 in Kraft, die Umsetzung in der Elektroniklieferkette lässt allerdings zu wünschen übrig. Abgesehen davon, dass neben der EU-REACh für die USA, China und Korea jeweils eigene REACh-Vorschriften existieren, ist schon alleine die Umsetzung innerhalb der EU eine gewaltige Herausforderung. »REACh geht uns alle an! Die Lieferkette muss hier an einem Strang ziehen. Darauf zu hoffen, der nächste in der Kette wird es schon richten, reicht nicht«, erklärt Wolfram Ziehfuss, Geschäftsführer des FBDi. »Die Aufklärung haben die ‚Macher‘ der Verordnung der Lieferkette selbst überlassen. Jedes EU-Land interpretiert die Verordnung anders.« Wie komplex eine globale Lieferkette in der Elektronikindustrie aufgebaut sein kann, sei den Verantwortlichen in Brüssel überhaupt nicht klar gewesen, so Ziehfuss. Es gibt schließlich nicht nur einen Rohmateriallieferanten, Hersteller und Kunden, sondern zahlreiche Zulieferer, Vertriebskanäle und Fertigungsdienstleister.
So viel steht jedenfalls fest: Bauteile, Module und Geräte fallen als Erzeugnisse unter die REACh-Verordnung. Damit muss ein Bauteilehersteller zumindest die so genannten SVHCs (Substances of Very High Concern) deklarieren - und das ab einem Anteil von 0,1 Gewichtsprozent - seinen Distributoren diese Daten zur Verfügung stellen, damit diese wiederum ihre Kunden informieren können. Doch hier klaffen Theorie und Praxis oft noch sehr weit auseinander: »Unsere Mitglieder haben große Schwierigkeiten, von den Herstellern die benötigten Informationen zu bekommen. Einige Hersteller haben anscheinend aufgehört, sich überhaupt mit REACh zu befassen. Manche Hersteller sind gar der Meinung, die EU-REACh sei noch gar nicht in Kraft«, beklagt Wolfram Ziehfuss, Geschäftsführer des FBDi. Dass auf die EU nur etwa 15 Prozent des weltweiten Bauteilegeschäfts entfallen, erschwert die Situation für die europäischen Unternehmen zusätzlich. Mancher Hersteller sieht nämlich gar nicht die Notwendigkeit, sich überhaupt mit den Vorschriften eines seiner Meinung nach »substrategischen Marktes« zu beschäftigen. »Dabei geht REACh uns alle an. Schließlich hören unsere Supply Chains nicht an den Grenzen des Kontinents auf«, erläutert Ziehfuss. Die Distributoren trifft es allerdings besonders hart, denn sie sind in der undankbaren Sandwich-Position zwischen Herstellern und Kunden.
»Hier gilt das Prinzip: No data, no market. Das heißt, ohne Nachweise oder Bestätigungen dürften die Distributoren ihre Produkte eigentlich erst gar nicht in Europa auf den Markt bringen«, gibt Ziehfuss zu bedenken. »Denn Unwissenheit schützt nicht vor rechtlichen Konsequenzen.« Diese sind je nach Land unterschiedlich: Es drohen hohe Geldbußen bis hin zu Freiheitsstrafen.
Zwar müssen nur die Inhaltsstoffe angegeben werden, die auf der so genannten REACh-Kandidatenliste stehen, aber allein das stellt die Akteure der Lieferkette - vom Hersteller über den Distributor bis hin zum Kunden - vor enorme Herausforderungen. »Viele wissen gar nicht, was die Kandidatenliste ist, geschweige denn, welche Informationen sie in welcher Form und an wen weitergeben müssen«, so Ziehfuss. Es hapert schon allein an einer weltweit einheitlichen Materialdeklaration: In den USA nutzt man die IPC 1752, Japan hat ebenfalls einen eigenen Standard, und Europa hat die Kennzeichnung von Inhaltsstoffen erst gar nicht standardisiert. Hinzu kommt laut Ziehfuss ein weiteres Problem: »REACh ist ja bei Weitem nicht das einzige EU-Regelwerk, das beachtet werden muss. Viele EU-weiten und nationalen Vorschriften sind zu berücksichtigen, darunter CE-Direktiven, RoHS, WEEE und die ErP-Richtlinie. Hinzu kommen weitere Regularien aus Asien und den USA.« Und diese Vorschriften gilt es erst einmal, über die Lieferkette in Einklang zu bringen.