Kommentar

REACH: »Dumm stellen gilt nicht!«

15. November 2010, 9:46 Uhr | Karin Zühlke
Karin Zühlke, Redakteurin Markt & Technik

REACH – diese fünf Buchstaben bereiten den europäischen Distributoren derzeit mächtig Kopfzerbrechen: REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals, also die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien und ist eine seit Juni 2007 gültige EU-Verordnung.

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Was haben nun elektronische Bauteile und die Distribution damit zu tun? Ganz einfach: Bauteile und Module sind Erzeugnisse nach der REACH-Verordnung und damit muss ein Bauteilehersteller zumindest die Inhaltsstoffe deklarieren und seinen Distributoren dieses Informationsmaterial bereitstellen, damit sie wiederum ihre Kunden ordnungsgemäß informieren können.

Doch hier klaffen Theorie und Praxis in vielen Fällen noch sehr weit auseinander: Einige Hersteller, so scheint es, haben 2008 nach dem »Vogel-Strauss-Prinzip« aufgehört, sich überhaupt mit REACH zu befassen. In Teilen Asiens herrscht gar die Meinung vor »REACH tritt doch erst 2016 in Kraft!«. Parallel dazu laufen in den verschiedenen Erdteilen getrieben von politischen und – zwar absolut verständlichen - Umweltschutz-Gründen hektische Bestrebungen, auf Teufel komm´ raus eine REACH-Verordnung einzuführen - China REACH, USA REACH, Korea REACH. Dabei fehlt es doch ganz grundsätzlich am Bewusstsein, wie man diesen weltweiten REACH-Verordnungswust – und noch einige andere ähnlich gearteten Verordnungen - in der Elektronikindustrie überhaupt in die Praxis umsetzen soll.

Schließlich haben wir es mit globalen Märkten und Lieferketten zu tun, was helfen da Alleingänge von politischen Lobbygruppen? Es hapert schon allein an einer weltweit einheitlichen Materialdeklaration: Die IPC 1752 gilt in den USA, in Japan haben wir es wieder mit einem anderen Standard zu tun und Europa hat die Kennzeichnung von Inhaltsstoffen erst gar nicht standardisiert. Da drängt sich schon der Eindruck auf, dass die »Macher« solcher Verordnungen gar nicht wissen oder vielmehr wissen wollen, wie eine Lieferkette in der Elektronikindustrie überhaupt aussieht. Der Zwischenhandel bzw. die Distribution kommt in deren Definitionen einer Lieferkette nämlich erst gar nicht vor.

Die Aufklärung bleibt der Lieferkette selbst überlassen. Und hier gilt dann letztlich das altbekannte Darwinsche Prinzip »Survival of the fittest«. Den Distributoren bleibt die undankbare Sandwich-Position zwischen Herstellern und Kunden und die Pflicht, diese umfassend und stichhaltig über die Inhaltsstoffe auf Bauteile- und Board-Level-Ebene zu informieren. Bloß womit? Wenn es keine Informationen von Seiten der Hersteller gibt, dann dürften die Distributoren die Bauteile oder Module eigentlich erst gar nicht in Europa in Verkehr bringen. Was tun? Einfach dumm stellen gilt jedenfalls nicht und schützt auch nicht vor Strafen. Die Alternative dürfte vielen aber auch nicht gefallen: Keine Bauteile, keine Produktion, kein Geschäft. Hier hilft nur eines: Die Lieferkette muss an einem Strang ziehen, denn darauf zu hoffen, der nächste in der Kette wird es schon richten, reicht nicht!

Karin Zühlke



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