Lange wurde China für die Qualität seiner Autos belächelt. Doch das ändert sich rasant. Schon bald dürften die Chinesen große Autonationen beim Export hinter sich lassen.
China strebt an die Spitze des globalen Autogeschäfts. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, auf dem Weltmarkt Fuß zu fassen, feierte die Volksrepublik zuletzt bemerkenswerte Erfolge. Laut dem chinesischen Automobilverband CAAM haben sich die chinesischen Autoexporte allein seit 2020 auf rund 2,5 Millionen Fahrzeuge jährlich verdreifacht.
In der Weltrangliste der Exporteure ist China damit inzwischen auf den dritten Platz vorgerückt. Knapp davor liegt nur noch Deutschland und an der Spitze Japan. Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) meldet für das vergangene Jahr 2,61 Millionen aus Deutschland ausgeführte Pkw. Japan exportierte rund drei Millionen Stück.
Doch während es für die Fahrzeugausfuhren der alten Industrienationen nur noch langsam oder gar nicht mehr vorangeht, wächst die Nachfrage nach Autos aus China rasant. Die Aufholjagd wird ein zentrales Thema auf der Automesse in Shanghai sein, die am Dienstag beginnt.
In Teilen des Nahen Ostens und Lateinamerikas sind chinesische Hersteller schon Marktführer. Aber auch in Europa rollen bereits mehr Fahrzeuge »made in China« über die Straßen. Hier wollten die Chinesen eigentlich schon vor mehr als einem Jahrzehnt präsent sein. Doch im Zeitalter des Verbrennungsmotors konnten sie die Lücke zur westlichen Konkurrenz noch nicht schließen. Sie blamierten sich bei Sicherheitstests und mit Fahrzeugen von zweifelhafter Qualität. Mit dem Elektroauto wurden die Karten neu gemischt. Hier gelten chinesische Hersteller plötzlich als Technologieführer.
Laut Branchenexperten hat China dank eines früheren Starts nicht nur beim Bau von Elektroautos die Nase vorn. Auch in Sachen Vernetzung und beim autonomen Fahren seien einige chinesische Hersteller besser aufgestellt als etwa die deutsche Konkurrenz.
Geschickt hat der chinesische Konzern Geely schon vor Jahren die schwedische Marke Volvo übernommen und voll auf eine elektrische Zukunft ausgerichtet. Aber auch chinesische E-Auto-Marken wie BYD oder Nio sind zumindest langsam auf dem Vormarsch im Ausland.
Die Chinesen starten mit ihren E-Autos gerade eine Globalisierungsstrategie, die nicht zuletzt Europa und Deutschland betreffe, sagt Stefan Reindl, Leiter des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft. »Dem einen oder anderen chinesischen Hersteller traue ich in den nächsten fünf Jahren bis zu zwei Prozent Marktanteil in Deutschland zu.«
Die heimische Industrie sei vor allem nicht in der Lage, in der Kompaktwagenklasse mit einigermaßen wettbewerbsfähigen Preisen zu agieren. Allerdings benötigten die chinesischen Hersteller etablierte Händler als Vertriebspartner, um vorhandene Netze und Standorte zu nutzen. Diese seien besonders für den Fahrzeugservice von Bedeutung, denn auch E-Autos benötigten Wartung und Reparatur.
»Viele chinesische Hersteller denken, sie könnten allein mit digitalen Strukturen den Vertrieb in Deutschland und Europa gestalten«, sagt Reindl. Aber hierzulande sei die Kundenakzeptanz für solche Vertriebskonzepte noch gering ausgeprägt.
Selbst Beobachter in China bezweifeln, dass ihre Autos den Deutschen auf deren Heimatmarkt in absehbarer Zeit nennenswert Geschäft streitig machen werden. »Es wird lange dauern, bis chinesische Autofirmen in reifen Märkten Marktanteile gewinnen können«, sagt der chinesische Autoanalyst Zeng Zhiling. In Südostasien, Südamerika und Afrika seien die Chinesen dagegen schon deutlich besser positioniert.
»Konkurrenz belebt das Geschäft«, zeigt sich ein VDA-Sprecher gelassen. Die Autoindustrie gehe entschlossen voran: Allein in Deutschland böten die heimischen Hersteller derzeit mehr als 90 E-Modelle an, Ende 2024 sollen es 100 sein. Bei der Qualität der Produkte seien sie führend. In Deutschland sei 2022 mehr als jedes zweite neu zugelassene Elektroauto von einem inländischen Hersteller ausgeliefert worden. Der Marktanteil chinesischer Marken liege bei sechs Prozent.
»Das Auto der Zukunft kommt zu großen Teilen aus China«, glaubt dagegen Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Es sei eine kluge Strategie, erst auf dem Heimatmarkt stark zu werden und dann Schritt für Schritt zu expandieren. Die Chinesen tasteten sich vor. In Osteuropa seien sie schon relativ stark, auch in England hätten sie bereits eine gewisse Stärke. »Nach Deutschland kommen sie erst jetzt.«