Entwicklungswerkzeuge

Große Messdatenmengen rationell und flexibel analysieren

10. Februar 2014, 14:14 Uhr | Von Erhan Tepe und Andreas Patzer
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Analysepunkte schließlich dort anzeigen.

Diese Vorgehensweise war nicht nur umständlich, sondern mit weiteren Nachteilen und Einschränkungen behaftet: Die Excel-Tools arbeiten langsam, was sich bei den großen Datenmengen unangenehm bemerkbar macht. Des Weiteren war die maximal verarbeitbare Datenmenge zum einen eingeschränkt, weil in Excel-Tabellen die Zeilenzahl begrenzt ist, zum anderen verfügt das Programm nur über eingeschränkte grafische Darstellungsmöglichkeiten. Auch der Pflegeaufwand zur Weiterentwicklung der Lösung musste durch Daimler aufgebracht werden.

Automatisierte Auswertung durch Data-Mining Weil CANape bei Daimler ohnehin vielfach im Einsatz ist, sei es zum Applizieren der Steuergeräte, zum Aufzeichnen von Messdaten in Prüfständen/Dauerlauftests oder zur Auswertung, entschieden sich die Verantwortlichen für eine Implementierung auf Basis des Werkzeugs. Die grafischen Anzeigefunktionen sind optimal auf Messdaten-Anwendungen zugeschnitten, und als wichtige Voraussetzung bietet CANape die Möglichkeit zur Formulierung der firmen- bzw. projektspezifischen Auswertealgorithmen über die interne Skriptsprache.

Kalibrierwerkzeug als Plattform für Analyse und Grafik

Um möglichst zügig zu einem verwendbaren Analysewerkzeug zu kommen, hat Daimler die Umsetzung als Dienstleistungsauftrag an die Vector Informatik GmbH vergeben.

Mit der Data-Mining-Funktion werden schlechte und gute Schaltungen in einem 2-Achsendiagramm dargestellt. Grenzwertverletzungen sind dadurch schnell auffindbar
Bild 2. Mit der Data-Mining-Funktion werden schlechte und gute Schaltungen in einem 2-Achsen- diagramm dargestellt. Grenzwertverletzungen sind dadurch schnell auffindbar.
© Daimler

Deren Aufgabe war es, die von Daimler gewünschten Auswertealgorithmen in CANape-Skripten abzubilden und die Ergebnisse entsprechend grafisch aufzubereiten. Durch die Data-Mining-Funktion in CANape werden nun die zu untersuchenden Messdaten analysiert. Das Analyseergebnis (Bild 2) ermöglicht dem Anwender, die Messdatei genau an der Stelle zu visualisieren, an der ein Fehler auftrat. CANape ist also sowohl die Plattform zum Ausführen von Analysen als auch zum Anzeigen der Ergebnisse. Die Größenbeschränkung ist überwunden und es lassen sich Datenmengen bis 100 GB problemlos verarbeiten.

Auf die individuellen Anforderungen der Mercedes-Ingenieure zugeschnittene Data-Mining-Bedienoberfläche von CANape
Bild 3. Auf die individuellen Anforderungen der Mercedes-Ingenieure zugeschnittene Data-Mining-Bedienoberfläche von CANape.
© Daimler

Auf der Konfigurationsseite wählt der Anwender die Messdaten aus, selektiert aus einer Liste möglicher Auswertungen, was er genau untersuchen möchte, zum Beispiel Hoch- oder Rückschaltung, und startet den Analysevorgang (Bild 3). Nach Abschluss der Auswertung liefert eine Statistik eine Übersicht über diese Analyse. Sie zeigt unter anderem, dass eine 1-2-Schaltung insgesamt knapp 1.200-mal stattgefunden hat (Bild 4).

Auswertung der Zughochschaltung: Anhand vordefinierter Anzeigefenster kann schon eine erste Bilanz des Dauerlaufes gezogen werden
Bild 4. Auswertung der Zughochschaltung: Anhand vordefinierter Anzeigefenster kann schon eine erste Bilanz des Dauerlaufes gezogen werden.
© Daimler

In XY-Darstellungen werden zum Beispiel die Wärme-Einträge über anderen physikalischen Größen angezeigt. Dabei entstehen Punktewolken, in der jeder Punkt einen Schaltvorgang repräsentiert. Der Anwender kann aufgrund der Position der Punkte die Grenzwert-Ausreißer erkennen. Über die Auswahl des Punktes wird direkt die dazugehörige Messdatei geladen und die Visualisierung erfolgt in aller Regel in einer Darstellung über der Zeit. Dabei wird direkt der Zeitausschnitt angezeigt, in dem dieser Schaltvorgang stattgefunden hat.

Weil die Fensterinhalte in CANape zeitlich synchronisiert sind, zeigen alle anderen Fenster die jeweiligen Inhalte, zum Beispiel Momenten- oder Motordrehzahlen, die exakt zu dem Zeitpunkt gemessen wurden.

In den Fenstern können nicht nur die Signalverläufe, sondern auch Grenzwertlinien eingezeichnet werden, die beispielsweise die maximal tolerierbare Reibarbeit und Reibleistung als Linie repräsentieren. Außerhalb der Grenzwerte liegende Punkte deuten auf Grenzwertverletzungen und Fehler beim Schaltvorgang hin. Somit ist die Identifikation derjenigen Schaltvorgänge einfach, die einer genaueren Untersuchung bedürfen.

Flexible Anpassung der Messdatenauswertung

Die Data-Mining-Funktionen von CANape versetzt die Test- und Applikationsingenieure von Daimler in die komfortable Lage, am Ende eines Tages quasi aus dem Stand heraus eine Analyse über die kompletten Messdaten durchzuführen und zu schauen, ob Grenzwerte überschritten wurden oder nicht erwünschte Ereignisse eingetreten sind. Das ist für die Entwickler ein wichtiger Schritt hin zu einer effizienteren Nutzung des vorhandenen Datenmaterials und erlaubt letztlich schnellere und präzisere Aussagen darüber, ob ein bestimmter Steuergeräte-Software-Stand dem geforderten Reifegrad entspricht.

Die Ansprüche an die Analyse unterliegen einer ständigen Dynamik. Die Anpassung der Skripte kann entweder durch den Endkunden selbst erfolgen oder von Vector als Dienstleistung erbracht werden. Sollten die Sprachmittel von CANape aus irgendeinem Grund nicht ausreichen, ist es problemlos möglich, weitere Funktionsbibliotheken aus C-Code oder aus Simulink-Modellen zu generieren und als DLL in CANape zu nutzen. So sind beliebige Auswertungen realisierbar.

 

Die Autoren

Dipl.-Ing. (FH), MBA Erhan Tepe 
studierte Elektronik Fachrichtung Informations- und Kommunikationstechnik an der Fachhochschule Reutlingen. Nach einer zweijährigen Tätigkeit als Programmierer beim Zulieferer absolvierte er ein Master-Studium an der European School of Business. 2007 wechselt er zur Daimler AG, wo er als Versuchsingenieur in der Automatgetriebeerprobung tätig ist. Sein Arbeitsgebiet umfasst die Prüfstands- und Fahrzeugerprobung zur Absicherung von Automatgetrieben.

erhan.tepe@daimler.com


Dipl.-Ing. Andreas Patzer 
studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität Karlsruhe. Schwerpunkte waren dabei Mess- und Regelungstechnik sowie Informations- und Automatisierungstechnik. 2003 wechselte er zur Vector Informatik GmbH nach Stuttgart, wo er als Teamleiter in der Produktlinie Measurement & Calibration für den Bereich „Customer Relations and Services“ verantwortlich ist.

andreas.patzer@vector.com



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