Antriebssteuerung

Feldorientierte Steuerung von Elektroantrieben in Fahrzeugen

22. November 2013, 9:33 Uhr | Von Michael Seidl
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Einsatzbeispiele: Elektrofahrzeuge und -fahrräder

Der niederländische Fahrradhersteller Royal Dutch Gazelle setzt InstaSPIN-FOC in den Steuerungen der Elektromotoren seiner E-Bikes ein
Bild 3. Der niederländische Fahrradhersteller Royal Dutch Gazelle setzt InstaSPIN-FOC in den Steuerungen der Elektromotoren seiner E-Bikes ein. Bei Elektrofahrrädern muss das maximale Drehmoment auch bei niedrigen Lasten umgehend zur Verfügung stehen.
© Royal Dutch Gazelle

InstaSPIN-FOC in Verbindung mit dem FAST-Algorithmus und PowerWarp eignet sich vor allem für Anwendungen, bei denen bereits bei niedrigen Motordrehzahlen ein hohes Drehmoment bereitstehen muss. Das ist beispielsweise bei Antrieben der Fall, die in Elektrofahrzeugen und -fahrrädern zum Einsatz kommen. So setzt die niederländische Firma Royal Dutch Gazelle InstaSPIN-FOC in den Motoren ein, die sie in ihren Elektrofahrrädern (Bild 3) verwendet. Konventionelle sensorlose Steuerungen stellten das gewünschte Drehmoment erst bei einer Fahrgeschwindigkeit von drei bis vier km/h zur Verfügung. 

Systemaufbau einer E-Bike-Anwendung
Bild 4. Systemaufbau einer E-Bike-Anwendung.
© Texas Instruments

Mit InstaSPIN-FOC ist das sofort nach dem Anlauf des Motors der Fall. Ein weiterer Vorteil der Lösung (Bild 4) ist laut Gazelle, dass die Entwicklungszeiten deutlich reduziert wurden. Die Entwickler des Fahrradherstellers haben dadurch die Möglichkeit, sich verstärkt auf andere Aufgaben zu konzentrieren, etwa die Optimierung des Batterie-Managements.

Ebenfalls aus den Niederlanden stammt die Firma e-Traction. Das Unternehmen stellt Antriebe, Elektromotoren und weitere Komponenten für strombetriebene Fahrzeuge wie City-Busse her. Die Direktantriebe des Unternehmens der Reihe TheWheel stellen pro Antriebsrad zwischen 800 und 10.000 Nm zur Verfügung. e-Traction setzt InstaSPIN-FOC in Pumpen, Kompressoren und Starter-Generatoren mit Asynchron-Motoren ein, außerdem in synchronen Radnabenmotoren.

e-Traction greift auf InstaSPIN-FOC zurück, weil die Motoren umgehend nach dem Start das gewünschte Drehmoment bereitstellen. Darüber hinaus sind keine Sensoren notwendig. Das wirkt sich nach den Erfahrungen des Herstellers positiv auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Elektromotoren aus. Zudem ist keine aufwendige Kalibrierung mehr erforderlich. Elektroantriebe mit sensorloser, feldorientierter Motorsteuerung kommen allerdings für eine breite Palette weiterer Anwendungen in Betracht. Denkbar sind beispielsweise Geh- und Steighilfen für ältere oder gehbehinderte Menschen. Weitere Einsatzfelder sind elektrisch betriebene Motorroller, Senioren-Mobile, Golf-Carts sowie Motorräder und Roller mit Elektroantrieb. Elektrische Antriebe für solche kleineren Fahrzeugtypen stellen einen mindestens ebenso vielversprechenden Markt dar wie E-Motoren für Pkw, Busse und Lastwagen.

Geschwindigkeitsregelung mit InstaSPIN-Motion

Ergänzend zur InstaSPIN-FOC ist in Elektroantrieben für Fahrzeuge eine weitere Komponente erforderlich: eine robuste und effiziente Geschwindigkeitssteuerung. Sie mildert die bei Elektrofahrzeugen drastischen Beschleunigungsvorgänge und damit verbundenen ruckartigen Bewegungen. Mit InstaSPIN-Motion hat TI eine sensorlose Lösung für Anwendungen entwickelt, die eine exakte Geschwindigkeitssteuerung mit maximaler Laufruhe erfordern. Ein weiteres Einsatzfeld sind Applikationen mit mehreren Zustandsübergängen oder dynamischen Änderungen.

Ein Bestandteil von InstaSPIN-Motion ist SpinTAC von LineStream Technologies. SpinTAC ermöglicht eine robuste Steuerung in den dynamischen Geschwindigkeits- und Lastbereichen eines elektrischen Antriebssystems. Um eine möglichst exakte Steuerung zu erreichen, rechnet SpinTAC das Trägheitsmoment mit ein: Der Trägheitskalkulator ermittelt automatisch die Systemträgheit, indem der Motor angetrieben und das Feedback gemessen wird.

Dank der Abstimmung mit Hilfe eines einzigen Parameters erlaubt es InstaSPIN-Motion, die Geschwindigkeitssteuerung von einer weichen bis hin zu einer steifen Reaktion zu testen und abzustimmen. Diese Einzelverstärkung (Bandbreite) funktioniert im gesamten variablen Geschwindigkeits- und Lastbereich einer Anwendung. Sie reduziert den Aufwand zur Systemabstimmung gegenüber PID-basierten Systemen mit mehreren Variablen. Diese Systeme erfordern oft ein Dutzend oder mehr geschwindigkeits- und lastabgestimmte Koeffizienten-Sätze, um alle denkbaren Dynamikbedingungen abzudecken.

Ausführung von Bewegungsprofilen

Mit SpinTAC ist es zudem einfach, von einer Geschwindigkeitsstufe zur nächsten überzugehen. Im Gegensatz zu vordefinierten Look-Up-Tabellen wird SpinTAC auf dem Prozessor ausgeführt, um einen gleichmäßigen und konfigurierbaren Übergang zwischen zwei Stufen zu erzeugen.

SpinTAC stellt drei Arten von Kurven zur Verfügung. Die LineStream-st-Kurve bietet eine zusätzliche Glättung der Bewegungsabläufe
Bild 5. SpinTAC stellt drei Arten von Kurven zur Verfügung. Die LineStream-st-Kurve bietet eine zusätzliche Glättung der Bewegungsabläufe.
© Texas Instruments

SpinTAC (Bild 5) erzeugt automatisch die optimale Kurve, um die benutzerspezifischen Einschränkungen in Bezug auf Ruckbewegungen und Beschleunigungswerte für jede Bewegung zu erfüllen. Diese Beschränkungen werden auf den vom Entwickler ausgewählten Kurventyp angewendet:

  • standardmäßige Trapez-Kurve (konstante Beschleunigung, unbegrenzter Ruck),
  • s-Kurven (gleichmäßiger, begrenzter Ruck),
  • proprietäre, von LineStream entwickelte st-Kurven (sehr gleichmäßiger, permanenter Ruck).

Auf Basis dieser Daten respektive Kurven kann ein Entwickler eine benutzerspezifische Abstimmung des Übergangs zwischen Geschwindigkeitsstufen vornehmen. Bei einem Elektromobil für Senioren hat er beispielsweise die Möglichkeit, einen eher sanften Beschleunigungsvorgang zu implementieren, bei sportlich ausgelegten Fahrzeugen wie einem Elektroroller oder einem Motorrad mit Elektroantrieb eine aggressivere Einstellung.

InstaSPIN-Motion in Verbindung mit SpinTAC erlaubt es somit, bei Elektromobilen die Charakteristika von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nachzubilden, insbesondere die allmähliche Steigerung des Drehmoments. Diese Vorgehensweise kann dazu beitragen, die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen bei Nutzern traditioneller Kfz mit Verbrennungsmotor zu erhöhen.

 

Der Autor

Michael Seidl 
studierte an der Fachhochschule in München Elektrotechnik mit der Fachrichtung Nachrichtentechnik. Derzeit ist Seidl als Business Development Manager bei Texas In-struments tätig. Michael Seidl verfügt über 18 Jahre Berufserfahrung in der Halbleiterindustrie in den Bereichen DSP-SW-Entwicklung, Applikation, Produktmarketing und Geschäftsentwicklung.

  1. Feldorientierte Steuerung von Elektroantrieben in Fahrzeugen
  2. Lösung: InstaSPIN-FOC
  3. Einsatzbeispiele: Elektrofahrzeuge und -fahrräder

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