Schritt 3: Time Sensitive Networking (TSN)
Nachdem die IEEE sich im Rahmen des Audio/Video-Bridging-Protocols (AVB) dem Thema Echtzeit angenähert hatte, wurde bei dessen Weiterentwicklung auch die anspruchsvollere Echtzeitkommunikation der Industrie mit ins Auge gefasst. Das ursprünglich AVB2 genannte Normenpaket wurde darauf in Time Sensitive Networking (TSN) umbenannt. Mit diesen Normen war es nun möglich, eine einheitliche, deterministische Version von Ethernet zu verwenden.
Damit wird tatsächlich vieles einfacher. Zum Beispiel sind die bekannten industriellen Netzwerke praktisch alle für 100 Mb/s definiert. Heute ist aber Gigabit-Ethernet und auch wieder 10 Mb/s in besonderen Anwendungen in den Fokus gerückt.
Die TSN-Standards decken alle Geschwindigkeiten ab. Mit TSN kann die »Neuerfindung des Rads« vermieden werden, denn wäre TSN nicht, müssten alle bestehenden Standards für Gigabit-Ethernet neu definiert werden – mit den damit verbunden Kosten für Hardware-Entwicklung und der damit einhergehenden Fragmentierung des Marktes.
TSN erweitert die Schicht 2 des Ethernets um einen Reihe von Mechanismen, die für den Betrieb von Echtzeit notwendig sind:
Nun lassen sich die TSN-Streams unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen so einrichten, dass kein Frame mehr verworfen werden muss. Die Bridges setzen ihre Ressourcen nun so ein, dass sie die TSN-Streams verlustfrei weiterleiten. Der Best-Effort-Verkehr (Standard-Ethernet, IP und Web) findet mit den verbleibenden Ressourcen (Speicher, Bandbreite) ganz normal statt.
Und was passiert oberhalb der Schicht 2? Hinter jedem Industrial-Ethernet-Protokoll steht eine Organisation, die die Standardisierung und Verbreitung des jeweiligen Protokolls voranbringt. Und jede dieser Organisationen hat eine TSN-Strategie erarbeitet. Folglich werden wir praktische alle bestehenden Protokolle auch mit TSN wiedersehen – in der einen oder anderen Art.
Wir wollen bei unseren Beispielen bleiben: Für Profinet ist der Weg zu TSN ein relativ kurzer, da viel Erfahrung mit Time-Aware-Shaping (IRT macht das schon ganz ähnlich) vorliegt und dieses Protokoll schon immer die Koexistenz von Industrie- und IT-Protokollen unterstützte. Vieles bleibt für den Anwender allerdings gleich, sodass eine gewohnte Umgebung neue Leistung bringen kann. EtherCAT und ähnlich Sercos werden TSN in der Ebene über dem Feldbus-Level mit TSN erschließen. Beispielsweise eignet sich EAP (EtherCAT Automation Protocol) gut um klassische EtherCAT-Segmente mit geringem Overhead mittels TSN zu vernetzen.
Allerdings gibt es auch neue Spieler auf dem Feld. Eine Gruppe, die OPC Foundation etwa, hat ein völlig neues Industrial-Ethernet-Protocol definiert. Dabei greift man auf OPC UA (OPC Unified Architecture) als Anwenderschicht zurück. TSN wird als Mittel gesehen, um dieses Protokoll echtzeitfähig zu machen. Hier ist aber noch Arbeit zu leisten, für den Transport ist eine neue Transportschicht nötig, das sogenannte OPC-UA-PUB/SUB-Protokoll.
Fazit
Heute nutzen wir Ethernet mit 100 Mbit/s in der Industrieautomatisierung und schon bald steht Gigabit-Ethernet zur Verfügung. Dennoch bedeutet mehr Geschwindigkeit nicht automatisch, dass eine garantierte Latenz und eine garantierte Übertragung gewährleistet sind. Daher werden für harte Echtzeit immer auch spezielle Mechanismen notwendig sein. Mit TSN sind diese nun standardisiert.