Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt stark verändert und neue Möglichkeiten eröffnet. Bei Lapp beispielsweise kommt jetzt in der Produktion und im Supply Chain Management immer öfter die Augmented-Reality-Technologie zum Einsatz – mit Erfolg.
Augmented Reality (AR) ist ein hilfreiches Instrument, um mit dem »dritten Auge« zu jeder Zeit an einem weit entfernten Ort zu sein – wo auch immer auf der Welt. Die Realität bleibt bei Augmented Reality weiterhin präsent und wird lediglich um virtuelle Elemente ergänzt. Wir sehen das fast täglich im Fernsehen, wenn bei Sportübertragungen eingeblendete Pfeile oder Kreise die strategischen Bewegungen erklären. Oder im Auto, wenn Navigationshinweise auf der Windschutzscheibe erscheinen. Auch künftige Gebäude oder ganze Zimmereinrichtungen lassen sich mit Augmented Reality visualisieren. Oder beim Smartphone-Spiel »Pokémon Go«: Dort können Spieler virtuelle Pokémon in der realen Welt aufspüren.
Für Lapp schafft die AR-Technologie viele neue Möglichkeiten. Zahlreiche Arbeits- und Abstimmungsprozesse lassen sich damit vereinfachen. »Für uns ist Augmented Reality ein wichtiges Hilfsmittel, um vor Ort zu sein, ohne tatsächlich körperlich vor Ort zu sein«, sagt Markus Liller, Leiter Supplier Management bei der U.I. Lapp GmbH. Gerade bei der Auswahl geeigneter Lieferanten wird bei Lapp AR immer häufiger genutzt. In der Corona-Pandemie fing alles an: Der Besuch potentieller Lieferanten und die Überprüfung bestehender Lieferanten war damals kaum mehr möglich, weil Reisen untersagt waren oder mit großem Aufwand verbunden waren. Das Team vom Supplier Management konnte damit seinen Job nicht mehr vollends ausüben. Vor-Ort-Begehungen waren nicht mehr machbar.
Unter der Projektleitung von Markus Liller wurde deshalb nach alternativen Technologien gesucht, um wenigstens eine digitale Qualitätssicherung zu ermöglichen. Als neuer Partner wurde hierfür der italienische Softwareanbieter OverIT mit seiner cloudbasierten Software »Space1« gefunden. Mit einer geliehenen vorkonfektionierten AR-Brille fing alles an. Heute hat Lapp mit OverIT einen mehrjährigen Vertrag mit Lizenzen für die ganze Lapp-Gruppe weltweit geschlossen, und an den vielen Produktions- und Vertriebsstandorten kommen die AR-Brillen immer öfter zum Einsatz. »Rein theoretisch könnte zwar auch das Smartphone mit der AR-Software genutzt werden, aber durch die AR-Brille hat jeder seine Hände frei und kann so Instruktionen besser folgen«, erläutert Markus Liller.
Mit der AR-Brille können Anwender wie durch ein besonders starkes digitales Fernglas schauen. Dafür brauchen sie lediglich ein Laptop mit entsprechender Software und eine Person, die sich an einem entfernten Ort befindet und die gerade mit der entsprechend konfigurierten AR-Brille auf dem Kopf auf die Produktionsanlagen blickt. Der »Checker« sitzt am Laptop und sieht genau, was der AR-Brillenträger gerade sieht. Er kann mit dieser Person sprechen und ihr genau sagen, was gezeigt werden soll. Wenn es sprachliche Barrieren gibt, sind auch Symbole möglich. Den Pfeil oder Kreis auf dem Laptop sieht auch der Brillenträger vor Ort und kann entsprechend handeln.
Sehr hilfreich ist die AR-Technologie im Supplier Management, wo es nicht nur um Produktionsstandards, sondern auch um die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz nach dem neuen deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz geht. Das Supplier-Management-Team am Firmenstammsitz von Lapp in Deutschland schickte beispielsweise zur Überprüfung eines potenziellen Lieferanten aus Indien eine vorkonfigurierte AR-Brille dem Lieferanten zu, womit dieser dann durch sein Werk gehen konnte. Der Termin war sehr kurzfristig angesetzt, weil hier der besondere Fokus auf die Einhaltung von Arbeitssicherheits-Maßnahmen bestand. Am »anderen Ende« saß in Deutschland ein Mitarbeiter aus dem Supplier Management vor seinem Laptop und sah genau das, was der andere mit seiner Brille sah. Er konnte mündlich oder auch digital mit Zeichen genau vorgeben, welche Bereiche in der dortigen Produktion gezeigt werden sollten. Gleichzeitig konnte er die entsprechenden Bilder und Videos abspeichern, um die Prüfung zu dokumentieren. Fazit: Der Kabelhersteller hatte das Audit bestanden und wurde als neuer Lieferant bei Lapp aufgenommen.
Aber auch in der Produktion kann die AR-Technologie schnelle Hilfe leisten. So musste kürzlich eine große Maschine aus China zur Erweiterung der Produktionskapazität innerhalb kürzester Zeit aufgebaut werden. Weil noch Reiseverbot herrschte, unterstützte der chinesische Hersteller den Aufbau, indem alle Schritte über die AR-Brille vor Ort in sein Laptop übertragen wurde und er die nächsten Aufbau-Schritte mitteilen konnte. Auch bei einem ungeplanten nächtlichen Ausfall einer Maschine half die AR-Technologie. Der Maschinenbediener alarmierte einen Experten, der nicht vor Ort war. Mit Hilfe der AR-Brille konnte der Experte trotzdem einen genauen Blick auf die Maschine werfen und dem Bediener genaue Anleitungen geben, um die Produktion wieder zu starten. Die AR-Software bietet noch zahlreiche weitere Möglichkeiten: Sie kann auch zusätzliche Informationen wie Wartungsanweisungen, Zeichnungen oder Fehlerdiagnosen anzeigen, um den Brillenträger zu unterstützen. »Vor allem bei Fehlerbehebungen ist das sehr hilfreich«, betont Markus Liller. »In der AR-Technologie steckt noch viel Potential. Wir bei Lapp werden die Nutzung sicherlich weiter ausbauen.«