Interview mit Ulrich Ermel, COG

»Obsolescence Management ist auch Chefsache«

10. November 2016, 9:50 Uhr | Erich Schenk
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Erfolgsetappen COG

Welche Bauelemente waren 2005 besonders kritisch – etwa Halbleiter-Bausteine, weil deren Herstellung prozessbedingt eher in riesigen Stückzahlen abläuft und häufig von Consumer-Anwendungen getrieben wird, bei denen die Langzeitverfügbarkeit keine Rolle spielt – und ist das 2015 unverändert so?

Weil die kritischen Komponentengruppen seit Jahren eigentlich immer wieder die gleichen sind, wird vielen OEMs nun offensichtlich doch langsam klar, dass Konsumerelektronik-Bauteile in industriellen Anwendungen mit Vorsicht zu genießen sind, auch wenn verführerische Features und Preise locken. Am Ende kann man im Fall einer Abkündigung vielfach gar nicht dem Bauteile-Hersteller die Schuld geben. Oftmals hat ein Entwickler oder Einkäufer zu Beginn des Designs einfach nur die falsche Auswahl getroffen. Richtig ärgerlich wird es allerdings, wenn man auf Empfehlung eines Bauteile-Herstellers eine Entscheidung trifft und dieser dann – aus welchen Beweggründen auch immer – genau dieses Produkt vorzeitig abkündigt. In diesem Fall wird einem schmerzhaft vor Augen geführt, dass Obsolescence Management proaktiv im Produktdesign beheimatet sein muss.

Gibt es Bausteine, für die es prinzipbedingt kaum eine Lösung gibt?

Die Integration von immer mehr Funktionen in einzelne Chips – Stichwort SoCs – hat dazu geführt, dass viele innovative Komponenten nur noch als Single-Source-Bauteile erhältlich sind. Das muss zwar nicht zwangsläufig zum Problem werden, aber wenn es für ein Bauteil keine zweite Bezugsquelle gibt, birgt dies trotzdem immer auch ein gewisses Obsolescence-Risiko. Ich sehe hier in der Hardwarebeschreibungssprache VHDL eine große Chance: Die Trennung von Halbleitereinheit und IP scheint mir im Hinblick auf größtmögliche Versorgungssicherheit aus heutiger Sicht der vermutlich vernünftigste und gangbarste Weg zu sein.

Zurück zur COG: Welche größeren Erfolgsetappen konnte der Verband seit der Gründung verzeichnen?

In den vergangenen elf Jahren wurde vieles initiiert, von dem manches erst jetzt so richtig Früchte zu tragen beginnt. Ich denke hierbei nicht nur an unseren neuen Kommunikationsstandard smartPCN, sondern beispielweise auch an Veranstaltungen wie den bereits zum dritten Mal stattfindenden Obsolescence Day auf der Fachmesse electronica oder an den stetigen Ausbau unserer nationalen und internationalen Partnernetzwerke. Unser größter bisheriger Erfolg ist aber ganz klar, dass das Thema Hard- und Software-Obsolescence inzwischen salonfähig ist, dass nicht nur unter unseren 130 Mitgliedern auf Verbandsebene offen über Ursachen, Folgen, Kosten und mögliche Präventionsmaßnahmen diskutiert wird, sondern sich auch immer mehr Bauteilehersteller und Distributoren ernsthaft dieses Problems annehmen.

Die Obsolescence-Problematik hat elf Jahre nach der Verbandsgründung ja leider nichts von seiner Brisanz eingebüßt. Im Gegenteil. In einigen Bereichen hat sich die Situation in den letzten Jahren eher noch weiter verschärft, weshalb für wohl auch noch viele Jahre das Der-Weg-ist-das-Ziel-Prinzip gelten wird.

 

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

3. Obsolescence Day auf der electronica
Vorbeugemaßnahmen gegen Abkündigungen
Immer kürzere Produktlebenszyklen sorgen dafür, dass Elektronikkomponenten oft schon nach kurzer Zeit nur noch schwer oder so gut wie gar nicht mehr verfügbar sind. Über die besten Vorbeugemaßnahmen gegen Obsolescence informieren 15 COG-Mitgliedsfirmen an ihren Ständen auf der diesjährigen electronica. In Mittelpunkt des Aktionstags am 10. November stehen zwei Vorträge: Auf dem Exhibitor Forum in Halle B5, Stand 343 stellen die COG-Mitglieder Dr. Wolfgang Heinbach (pcn.global) und Axel Wagner (Würth Elektronik eiSos) um 12.30 Uhr mit dem von einer COG-Arbeitsgruppe entwickelten smartPCN-Standard 2.0 ein Tool vor, das eine drastische Reduzierung des manuellen Aufwands im Umgang mit Product Change Notifications (PCNs) jeglicher Art garantiert. Das XML-basierende, maschinenlesbare smartPCN-Kommunikationsformat ist so aufgebaut, dass es ein weitgehend automatisiertes Handling von Änderungsmitteilungen über die gesamte Supply Chain hinweg ermöglicht. Über steigende Obsolescence-Risiken in komplexen vernetzten Strukturen informiert der Vortrag „Industrial IoT/Industry 4.0 – Risk Assessement of Smart Factories“ des COG-Vorstandsvorsitzenden Ulrich Ermel, der um 14.20 Uhr im Eingangsbereich West (EW.312) der Messe stattfinden wird.


  1. »Obsolescence Management ist auch Chefsache«
  2. Erfolgsetappen COG

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Würth Elektronik eiSos GmbH & Co. KG

Weitere Artikel zu IoT / IIoT / Industrie 4.0

Weitere Artikel zu Leistungshalbleiter-ICs

Weitere Artikel zu Distribution