Welche Auswirkungen haben die digitale Transformation und die Implementierung von IIoT auf die Mitarbeiter im Produktionskreislauf?
Mithilfe digitaler Zwillinge schreiten Unternehmen in eine völlig autonome industrielle Umgebung und beginnen, Sensordaten von IoT-Geräten für Machine Learning zu digitalisieren und aufzubereiten. Der Arbeiter an der Produktionslinie bleibt noch vor Ort, aber die Zuständigkeiten verschieben sich: Die Maschinen berichten jetzt, und die Arbeiter überwachen die Sensordaten bezüglich Produktivität und Maschinenleistung. Sie greifen immer seltener in die Abläufe ein – im Idealfall überhaupt nicht mehr. Das geht schneller und ist verlässlicher, denn Sensoren und digitale Zwillinge haben im Vergleich zum Menschen keine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Ihr Interesse richtet sich nur auf die Aufgabe, der sie zugeordnet worden sind, etwa das Messen und Überwachen von Temperatur oder produzierter Stückzahl.
Geht dann die Rolle des Arbeiters in der Produktionslinie nicht verloren?
Das menschliche Element soll und wird durch den Einsatz von IoT und Machine Learning nicht abhandenkommen. Der Mensch ist und bleibt der Entscheider über die Maschinen und deren Handlungen. Wir bestimmen immer noch darüber, ob und wie die Produktion effizient verläuft. Doch die Maschinen werden durch KI hinzulernen und ebenfalls erkennen, wann bestimmte Maßnahmen zur Korrektur erforderlich sein könnten. Das ist nötig, um Vorhersagen zu treffen, wann es beispielsweise zu einem Maschinenausfall kommen wird.
Alle Sensorinformationen werden langfristig aufbereitet, etwa in Grafiken und Diagrammen, um kurzzeitige Veränderungen und mittelfristige Trends zu sehen. Werden diese Daten in einen Zusammenhang mit den Produktionsergebnissen gesetzt, bekommt man Leistungsdaten. In diesen leistungsbezogenen Daten lassen sich Muster für die optimalen Produktionsbedingungen erkennen. Dafür benötigen Unternehmen eine Management-Plattform. Die Sensordaten werden in Software-Tools mit Analytik oder in Visualisierungs-Tools aufbereitet, sodass der zuständige Mitarbeiter mithilfe der Hinweise aus der Management-Plattform entscheiden kann, ob bestimmte Parameter der Arbeitsumgebung für bessere Ergebnisse angepasst werden sollten.
Welche Rolle spielen dabei erweiterte KI-gestützte Analysen? Welche Entscheidungen kann ein digitaler Zwilling treffen, und warum ist Analytics dabei so wichtig?
KI-gestützte Analysen gibt es in allen erdenklichen Branchen – das verständlichste Beispiel sind vermutlich standortbezogene Dienste. Mit solchen Diensten können Unternehmen verfolgen, wo sich ihre Produkte aufhalten, etwa ihre Lieferwagen auf der Lieferroute. Mithilfe der dort gemessenen Daten – Ortsangaben, Geschwindigkeit und längere Pausen – werden Erfahrungswerte gesammelt und Lieferrouten optimiert.
In Zukunft können auch genaue Informationen aus Verkehrsdaten – von Geschwindigkeitsbegrenzungen über Baustellen und Ampelschaltungen bis hin zu biometrischen Hinweisen zur Fahrtauglichkeit des Fahrers - in die Analysen miteinfließen. Wer sich im Straßenverkehr beispielsweise mit den Kartendiensten von Google oder Apple orientiert, sieht ja heute schon, wie leistungsfähig diese Plattformen werden, gerade durch die Verteilung auf Millionen von Smartphones mit intelligenten Sensoren. Es werden auch industriell immer mehr Daten, die den Produktionsablauf beeinflussen, sensorisch erfasst und stehen dann mehr oder weniger offen zur Verfügung.
KI-gestützte Analyselösungen können diese Daten in Kontext zueinander setzen und darauf trainiert werden, dem Fahrer eine schnellere Route durch die Stadt vorzuschlagen oder ihn daran zu erinnern, nach einer langen Strecke eine Pause einzulegen, um seine Fahrtauglichkeit sicherzustellen. Ohne diese gemessenen Daten und die analytische Aufbereitung in den gegebenen Kontext wäre der Hersteller auf die Einschätzungen von Einzelpersonen angewiesen. KI kann hier unterstützen, die beste Entscheidung zu treffen, und zwar auf einer industriellen Produktionsstraße, durchaus vergleichbar mit dem öffentlichen Straßenverkehr.
Das von Ihnen erwähnte Beispiel für IIoT-Implementierungen führt über die bloße Überwachung von Produktionsanlagen und eine Fehlerberichterstattung weit hinaus. Welche Rolle spielt hier die Datensicherheit?
Mithilfe der IoT-Daten verfolgen Unternehmen die gemessenen Parameter bis in ihre Lieferkette zurück. Sie bekommen beispielsweise Einsicht, von welchen Lieferanten sie die Rohstoffe einer bestimmten Charge bezogen haben. Hier kommen also auch Daten Dritter ins Spiel, die durch unterschiedliche Rollenzuweisungen und Zugangsregeln zu schützen sind. Begriffe wie „Sharing Economy“ oder „Open Data“ wurden anfangs vielleicht noch als gesellschaftliche Utopie belächelt, aber bei industriellen Daten ergeben sich durch die enge Verzahnung der Lieferkette beträchtliche Vorteile daraus, Produktionsdaten auch Zulieferern und Abnehmern von Zwischenproduktstufen zur Verfügung zu stellen.
Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie durch die Veröffentlichung ihrer Daten potenziell mehr zu gewinnen als zu verlieren haben. Ganz neue, kooperative Ansätze entstehen. Denken Sie beispielsweise daran, wie die Deutsche Bahn über eine API ihre Zugverkehrsdaten zur Verfügung stellt und wie sich nun eine Community von Datenwissenschaftlern daran beteiligen kann, das Netz und den Fahrplan zu optimieren. Aber natürlich gilt hier wie überall: „trau, schau, wem“. Für ein Industrieunternehmen ist die allgemeine Veröffentlichung sämtlicher Produktionsdaten natürlich keine Option. Eine selektive Streuung jedoch – und die Kooperation mit ausgewählten Zulieferern und Partnern auf Basis einer geschützten, sicheren Infrastruktur und Plattform – kann ein strategischer Vorteil sein.
Welche Sicherheitsmaßnahmen sind dafür im Einzelnen erforderlich?
Um den Datenaustausch abzusichern, legen Administratoren auch bei IoT-Geräten Regeln fest. Sicherheitssysteme geben vor, wer alarmiert wird und wer Maßnahmen ergreift. Eine große Gefahr geht dabei von unqualifizierten oder unbefugten Personen aus, die Zugriff auf die gesammelten Daten haben und diesen Zugriff beispielsweise zur Produktspionage missbrauchen oder den Produktionsfluss absichtlich stoppen. Hier kommt wieder das Identitätsmanagement ins Spiel. Eine IIoT-Plattform protokolliert, welcher Mitarbeiter wann auf welches IoT-Gerät oder dessen Daten zugegriffen hat.
So wie Sie sich an ihren Büro-Computern mit einem Passwort anmelden oder Ihr Smartphone per Fingerabdruck oder Gesichtserkennung entsperren, verifiziert die IIoT-Plattform die Identität der angebundenen IoT-Geräte, damit niemand Daten einspeisen kann, die da nicht hingehören, sei es versehentlich oder gar mutwillig. Sollte es zu einer Sicherheitslücke kommen, können Sicherheitsverantwortliche zurückverfolgen, welcher Mitarbeiter oder welches autonome IoT-Gerät für den Maschinenausfall oder einen bestimmten Datentransfer verantwortlich ist. So lassen sich etwaige Probleme bis zur Ursache zurückverfolgen – und dort auch verringern oder abstellen.