In Kaiserslautern hat das Forschungs- und Industrienetzwerk SmartFactory-KL mit dem Aufbau einer vernetzten Produktion auf Basis der europäischen Datenplattform Gaia-X begonnen. Die Idee der "Shared Production" soll Investitionen und Standzeiten minimieren.
»In der praktischen Vernetzung sehen wir dann, wie Gaia-X in der Produktion technisch aussehen kann,« sagt Prof. Martin Ruskowski, Vorstandsvorsitzender der SmartFactory-KL. Die Technologie-Initiative steht für Fragen in industrieller Produktionsnähe, Mitglieder sind Forschungsinstitute und Industrieunternehmen. Hauptakteure sind die wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen »Innovative Fabriksysteme« am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und am Lehrstuhl »Werkzeugmaschinen und Steuerungen« (WSKL) an der TU Kaiserslautern.
Die SmartFactory-KL wurde aus zwei Gründen als Testbed für die Produktion ausgewählt: So hatte das Forschungs- und Industrienetzwerk in seiner Vision Produktion Level 4 bereits 2019 das Prinzip von Gaia-X beschrieben, 2020 wurde mit einem Production Level 4 - Demonstrator ein möglicher Gaia-X-Use-Case gezeigt. Aktuell nutzt die Kaiserslauterner Initiative das Gaia-X-Modell, um die Idee der Shared Econony auf die Industrie zu übertragen und über neue Geschäftsmodelle Leerlaufzeiten von Anlagen zu reduzieren und neue Umsatzströme zu erzeugen.
Das Bundeswirtschaftsministerium vergibt bis 2024 rund 186 Millionen Euro Fördergelder für sogenannte Gaia-X-Leuchturmprojekte. Die im Gaia-X-Förderwettbewerb ausgewählten Initiativen erhalten jeweils 10 bis 15 Mio. Euro.
Das Konzept »Production as a Service« meint in Kaiserslautern, dass sich Maschinenmodule vernetzt austauschen und ihre Fähigkeiten (Skills) über eine Datenplattform anbieten. So kann ein Produkt gefertigt werden, indem ein Unternehmen in dem Gesamtsystem Fertigungsfähigkeiten einkauft, über die es in der eigenen Fabrik nicht verfügt. Laut Prof. Rukowski können Investitionen deutlich gesenkt werden, ähnlich wie beim Carsharing. Firmen müssen Maschinen nicht anschaffen, sondern können deren zeitlich begrenzte Nutzung mieten - sicher und verläßlich über das Gaia-X betriebene Netzwerk. Eigene Leerlaufzeiten können auf die gleiche Weise verkauft werden.
Für die technische und praktische Forschungsarbeit mit den Production Level 4-Demonstratoren unter Gaia-X wurde Anfang diesen Jahres das Projekt smartMA-X gegründet. Die SmartFactory-KL, das DFKI und die TU Kaiserslautern stehen jeweils für ein technisches Modul, eine Fertigungsfähigkeit oder einen Service. Zusammen bilden sie über drei Standorte zukünftig das Testbed für vernetzte Produktion.
»Die Idee von Gaia-X betont, dass jede Maschine oder jeder Service Teil eines Datennetzwerkes ist. Egal welcher Hersteller technisch dahinter steckt. Dieses Netzwerk bildet einen Datenraum, indem Daten souverän und sicher ausgetauscht werden können«, sagt smartMA-X Projektleiter Keran Sivalingam. »Wir müssen nun schauen, wie dieser Datenraum technisch realisiert werden kann. Vor allem mit dem Blick auf die Industrie, deren Bedürfnissen und Anforderungen.«
Über 40 Wissenschaftler bringen Wissen in das Gaia-X-basierte Projekt ein; von der TU zu Robotern, 5G und autonomen Fahrzeugen, das DFKI zu Künstlicher Intelligenz und Multiagentensystemen. Die SmartFactory organisiert Arbeitsgruppen mit den Industriepartnern zur Realitätsprüfung.
Die Initiative hat sich dabei besonders mit zwei Industriepartnern verzahnt. Zwei Doktoranden sitzen am Thema Multiagentensysteme; einer arbeitet eng mit Volkswagen, der andere mit der Flexis AG zusammen. Prof. Ruskowski will so sicherstellen, dass die Entwicklungen ständig von Unternehmen reflektiert werden. Er sieht gerade größere Unternehmen noch in alten und überholten Vorstellungen verhaftet, gerade beim Thema Nachhaltigkeit.
»Mittelständische Unternehmen sind da oft viel experimentierfreudiger als die großen,« sagt der Vorsitzende. Das beträfe auch das Thema Maschinendaten. Gaia-X soll als sicherer Datenrahmen dienen. Trotzdem seien Unternehmen skeptisch, ihre Maschinendaten zu teilen. »Man kann aus den Daten natürlich etwas herauslesen«, sagt Ruskowski. »Beispielsweise, dass eine Maschine sehr energieeffizient arbeitet. Daraus lassen sich dann unter Umständen Produktionskosten ableiten. Viele Firmen haben Angst, dass das Wissen der Konkurrenz nutzen könnte. Wir sehen es eher positiv: Alle könnten so lernen, wie man Energie sparen kann.«