Schutz vor unautorisierten Drohnen

Die Technik dazu ist weitgehend einsatzbereit

13. Februar 2023, 13:30 Uhr | Heinz Arnold
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Auf der Messe Perimeter Protection zeigten Drohnendetektions- und -abwehrspezialisten, wie kommerzielle Drohnen aufgespürt und unschädlich gemacht werden können. Technisch wäre es kein Problem, für ausreichenden Schutz von Flughäfen und sonstigen Infrastrukturen zu sorgen.

Die meisten von uns haben schon einmal ein Bundesligaspiel in einem voll besetzten großen Stadion besucht, bei bestem Wetter, guter Stimmung und Zehntausenden von Zuschauern, die gespannt den Spielverlauf verfolgen. Stellen Sie sich vor, dass über dem Stadion unvermutet eine größere Drohne, gut sichtbar für die Zuschauer, in niedriger Höhe ihre Kreise über die Ränge zieht. Plötzlich setzt sie ein weißes Pulver frei, das sich als feiner Nebel über dem gesamten Stadion verteilt. Viele vermuten das Schlimmste: ein Giftanschlag, alle wollen so schnell wie möglich aus dem Stadion fliehen, Panik bricht aus.

Was dann alles passieren könnte – keiner will es sich ausmalen, doch die Bedrohung ist real: Flughäfen mussten schon schließen, Gatwick bei London im Jahr 2018 sogar für mehrere Tage, weil unautorisierte Drohnen in den Luftraum eingedrungen waren. Es war nicht klar, ob nur unbekümmerte Hobbypiloten, die die Regeln nicht kannten, ihre Drohnen in verbotene Zone fliegen ließen oder ob gar Terrorangriffe dahinter steckten. Der wirtschaftliche Schaden jedenfalls war real und enorm. Heathrow reagierte auf diesen Vorfall und suchte ein System, um unautorisierte Drohnen, die sich dem verbotenen Luftraum nähern und in ihn eindringen, schon früh zu erkennen und Gegenmaßnamen ergreifen zu können.

Die Wahl fiel auf das Drohnen-Detektionssystem AARTOS (Advanced Automatic Tracking and Observation Solution). Für Thorsten Chmielus, CEO von Aaronia, dessen Firma das Drohnen-Erkennungs- und Abwehrsystem entwickelt, baut und anbietet, eine weitere Bestätigung der Leistungsfähigkeit von AARTOS, das nunmehr seit mehreren Jahren den Flughafen Heathrow schützt.

Chmielus Thorsten
Thorsten Chmielus, Aaronia: »Wenn es in diesem Markt auf etwas ankommt, dann vor allem darauf, dass die Anbieter nachweisen können, dass ihre Systeme verlässlich funktionieren.«
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Doch scheint in Europa nach wie vor insgesamt Sorglosigkeit zu herrschen. Große Veranstaltungen – von großen Sportereignissen bis zu Musikfestivals mit teilweise Hunderttausenden von Zuschauern bleiben vor Drohnen meist weitgehend ungeschützt. Das erstreckt sich sogar bis hin zu den kritischen Infrastrukturen, über deren Schutz angesichts eines Krieges in Europa jetzt viel diskutiert und anscheinend wenig getan wird. »Die Flughäfen in Deutschland haben schon seit Jahren kein Geld, um in Drohnen-Detektionssysteme zu investieren, das ist doch schon sehr erstaunlich«, wundert sich Thorsten Chmielus im Interview mit Markt&Technik auf der Messe Perimeter Protection in Nürnberg, die kürzlich stattfand.

Ähnlich schätzt auch Simon Röse, Marketing Manager von Dedrone, die derzeitige Situation ein: »Der Markt entwickelt sich erst und ist noch relativ jung. Dedrone wurde 2014 gegründet, aber immer noch ist der Erklärungsbedarf hoch.« Dedrone gehört wie Aaronia zur weltweit recht überschaubaren Gemeinde der Drohnen-Detektions- und Abwehrspezialisten, die auf der Perimeter Protection in Nürnberg präsent waren.

Wer die Drohnendetektionssysteme braucht

Wer benötigt überhaupt Drohnendetektions- und -abwehrsysteme und wo kommen die konkreten Bedrohungen her? Bis vor einem Jahr lag der Schwerpunkt der Unternehmen, die auf der Perimeter in Nürnberg ausstellten, auf der Detektion kommerzieller Drohnen. Firmen, deren Schwerpunkte auf dem militärischen Sektor liegen wie Hensoldt und Rheinmetall, waren in den beiden Hallen des Messegeländes in Nürnberg erst gar nicht gekommen. Dort gaben sich die Hersteller von robusten Zäunen, Absperranlagen und riesigen Toren einschließlich elektronischer Überwachungssysteme ein Stelldichein. Denn auf der Perimeter geht es vor allem um den Schutz von Anwesen, Liegenschaften, Unternehmensgeländen und natürlich auch Infrastrukturen.

So setzen denn viele Drohnendetektions-Spezialisten, die auf der Perimeter ausstellten, den Schwerpunkt auf den kommerziellen Markt und da wiederum auf unterschiedliche Szenarien. Beispielsweise beschäftigt sich Securiton Deutschland, die zur Schweizer Securitas-Gruppe gehört, mit der Absicherung von Grundstücken, Anwesen und Industriearealen. Dazu setzt das Unternehmen die »SecuriDrone Agent«-Drohnen als Ergänzung zu der Abwehr durch Kamerasysteme an den Zäunen ein, die die Drohnen abfliegen. Bei Alarm verlassen die Roboter-Drohnen ihre Hangars und klären die Situation auf. Verschafft sich ein unbefugter Zutritt, so können Drohnen ihn aufspüren und verfolgen. Alle Informationen werden im Perimeter-Management-System von Securiton visualisiert, sodass das Sicherheitspersonal Gegenmaßnahmen einleiten kann.

Das stationäre Detektionssystem »SecuriDrone Fortress« spürt Drohnen passiv über HF, über Radar und optische Sensoren über eine laut Securiton – prinzipiell beliebig erweiterbare – Entfernung von bis zu 14 km, in Flughafenumgebungen sogar bis 50 km auf. So lassen sich beispielsweise Regierungsgebäude, Gefängnisse, Industriegelände, Kraftwerke, Flughäfen und Stadien schützen.

Röse Simon
Simon Röse, Dedrone: »Worauf es vor allem ankommt: dass das ganze System einfach zu bedienen ist, es wird ja von ganz unterschiedlichen Unternehmen und Institutionen rund um die Welt eingesetzt.«
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Bei dem nicht nur mobilen, sondern sogar tragbaren Drohnendetektor »SecuriDrone Companion« handelt es sich um einen kleinen Koffer. Das System kann in einem Umkreis von 2 km fast alle aktuellen Drohnentypen erkennen. In der Companion App werden auf einer Karte die Positionen der Drohnen und ihrer Piloten angezeigt. Bis zu 18 Stunden kann der Companion die Umgebung autark scannen – wichtig beispielsweise für Personenschützer. Der Companion dürfte damit aktuell die kleinste Drohnendetektionseinheit auf dem Markt sein.

Die 2014 gegründete Globe UAV setzt Drohnen unter anderem zur Perimeter-Überwachung von Grundstücken ein. Schlagen Sensoren an Liegenschaftsgrenzen oder in den Flächen Alarm, so startet die nächststationierte Drohne aus dem Drohnenport heraus und fliegt zur Lageverifikation selbstständig zum Einsatzort. Ist ein unbefugter Eindringling über den Zaun gestiegen, so spürt die Drohne ihn auf, gibt die Position durch und sendet einen Live-Stream. Auch die Täterverfolgung nach Freigabe durch die Polizei sei möglich, so Joerg Brinkmeyer, CEO von Globe UAV.

Das lohnt sich umso mehr, je größer die Fläche ist, die überwacht werden muss.
Medizinische Transporte sind ein weiterer Marktsektor, in dem Globe UAV mit dem System aktiv ist. »Dass wir die Drohnen über mobiles Internet steuern und dass die Steuersoftware, die wir entwickelt haben, sehr einfach zu bedienen ist, sind neben der Schlechtwetterresistenz und der ‚BVLOS SAIL III’-Zertifizierung durch das Luftfahrtbundesamt die wesentlichen Differenzierungsfaktoren des Systems«, sagt Joerg Brinkmeyer. »Jeder, der einen PC bedienen kann, kann auch unsere Drohnen fliegen. Unsere Drohnen sind so schnell und so einfach wie möglich vor Ort.« Und dass umgekehrt die eigenen Drohnen angegriffen werden können? »Wir fliegen im 4- bzw. 5G-Netz; das zu jammen ist nicht einfach«, antwortet Brinkmeyer und ist sich sicher, dass dies derzeit keiner schaffen dürfte.

Das »passive« HF-Verfahren – von den Behörden erlaubt

Die eigentliche Kunst besteht also darin, die Drohnen die sich den verbotenen Zonen nähern, frühzeitig aufzuspüren, um gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einzuleiten. Die wichtigste Grundlage dafür ist es, den Funkverkehr zwischen Drohnen und Operator »abzuhören«. Aaronia beispielsweise hatte sich schon lange auf die Entwicklung von Antennen und Spektrumanalysatoren konzentriert und daraus bereits früh ihr Drohnen-Detektionssystems AARTOS entwickelt, inzwischen ein wichtiges zweites Standbein für das Unternehmen. Das Erste, was geklärt werden muss: Handelt es sich um eine freundliche oder feindliche Drohne?

Das funktioniert nur, indem ihr Funkverkehr abgehört und analysiert wird. Dieses HF-Verfahren ist »passiv«, weil nichts aktiv ausgesendet wird wie beispielsweise elektromagnetische Strahlung bei der Radarüberwachung, bei der sich über die reflektierten Strahlen Flugobjekte aufspüren lassen. Bei den relativ kleinen Drohnen funktioniert das allerdings nicht zuverlässig.

Der zweite große Vorteil: Diese Methode ist nicht genehmigungspflichtig: Jeder darf sie nutzen, um Drohnen aufzuspüren und – was besonders wichtig ist – ihren Typ zu bestimmen und ihr Vorhaben, also ob sie »gut« oder »böse« sind. Aaronia hat dazu eine spezielle Antenne entwickelt, die in Kombination mit dafür vorgesehenen Spektrumanalysatoren über Triangulation die Position der Drohne und des Operators ermittelt – dazu muss die Drohne nicht einmal gestartet sein. Mit dem neuen, auf der Perimeter vorgestellten System »X-2« können dank der Aaronia-Echtzeit-Spektrumanalyse-Software »RTSA-Suite Pro« laut Chmielus 99 Prozent aller Drohnen erkannt werden, »von denen haben wir nämlich die Protokolle.«

Die Software ermöglicht unter anderem die komplette Steuerung des AARTOS-Drohnendetektionssystems in allen Varianten und mit allen zugehörigen Komponenten wie Kameras und Jammer. Was er als einen weiteren wesentlichen Differenzierungsfaktor von AARTOS ansieht: »Die Reichweite beträgt 50 km. Das ist bisher unerreicht!«


  1. Die Technik dazu ist weitgehend einsatzbereit
  2. "Das System ist keine Black Box"
  3. "Kein System ist bei uns wie das andere"

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