Digitalisierung

COVID-19 – Bremsklotz oder Turbo?

11. August 2020, 12:00 Uhr | Von Jan Rodig

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

3. Organisation, Kultur und Führung

Der Erfolg digitaler Transformationsvorhaben wird in hohem Maße von der Unternehmenskultur sowie dem Mindset des Topmanagements beeinflusst. So ist die Kultur traditioneller Unternehmen in sinnvollem Maß mit agilen, kundenzentrierten und datengetriebenen Elemente (»digitale DANN«) zu ergänzen, so dass die Anpassungsfähigkeit sowie Innovationsgeschwindigkeit der Organisation gesteigert wird. Aber Vorsicht: Nicht jede Funktion im Unternehmen und jeder Prozess muss agil werden – eine dogmatische Herangehensweise ist kontraproduktiv.

Um die richtige Balance zwischen effizientem Kerngeschäft und kreativen digitalen Innovationseinheiten zu finden, hilft das Konzept der »organisationalen Ambidextrie«. Es bietet strukturelle und kontextuelle Ansatzpunkte zur Gestaltung eines konstruktiven Miteinanders von Effizienz und Innovation. Ein Beispiel dafür ist die Frage, ob digitale Kompetenzen eher in jeder Geschäftseinheit zu integrieren sind, ob eine eigenständige digitale Geschäftseinheit sinnvoll ist oder ob eine digitale Stabsstelle als interne Beratung aufzubauen ist. Die Antwort kann in Abhängigkeit von den individuellen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich ausfallen.

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Empfehlungen:
  • Verunsicherung bekämpfen
    Viele Mitarbeiter sorgen sich derzeit um ihre berufliche Zukunft. Der Einsatz gezielter (digitaler) Coachings und Trainings vermittelt Wertschätzung, Perspektive und Digital-Know-how – zu überschaubaren Kosten.
  • Kontextuelle Ambidextrie nutzen
    Mitarbeiter aus dem Kerngeschäft können wertvolle Anregungen zur Gestaltung der Digitalaktivitäten geben. Freiräume für solche Aktivitäten (kontextuelle Ambidextrie) ermutigen zum Mitmachen und setzen Wissenspotenziale frei, die bei einem reinen »Nebeneinander« von traditionellem Geschäft und digitalen Innovationen oft unentdeckt bleiben.
  • Digitaleinheiten überprüfen
    Unternehmen sollten sich derzeit fragen, ob die bisherige Aufstellung und Personalstärke der Digitaleinheiten ebenfalls für die Post-Corona-Ära sinnvoll ist und welche Kosten und Wertbeiträge mittelfristig zu erwarten beziehungsweise welche mit den neuen Rahmenbedingungen vertretbar sind.

 

4. Digitale Fähigkeiten

Digitale Transformation gelingt lediglich dann, wenn sich ein Unternehmen um den gezielten Ausbau digitaler Kernkompetenzen bemüht. Welche Kompetenzen in welchem Maße benötigt und weiter auszubauen sind, lässt sich von den drei bereits beschriebenen Ebenen (Digitale Vision & Strategie, Digitale Werthebel, Organisation, Kultur & Führung) klar ableiten. Ein realistischer Abgleich mit dem Status quo hilft dabei, Konzepte für den gezielten Ausbau beziehungsweise für das gezielte Schließen von Lücken zu entwickeln. Vier Kompetenzfelder sind zu unterscheiden: Innovationsfähigkeit, Datenperformance, Kerntechnologien und Cybersecurity.

Empfehlungen:
  • IT auf den Prüfstand stellen
    Stehen Qualität, Zeit und Kosten der IT-Leistungen noch im richtigen Verhältnis zueinander? Gegebenenfalls ist in vielen Bereichen »buy« sinnvoller als »make«, um die IT schneller, sicherer und günstiger zu machen.
  • Sinnvolle Partnerschaften eingehen
    Eine vernetzte Welt bedeutet, nicht alles allein zu machen.Eebenso im Hinblick auf künftige Ressourcenknappheit ist es sinnvoll, (die richtigen) Partner ins Boot zu holen. Dabei lassen sich unnötige Risiken vermeiden, wenn Partner auf ihre Krisen-Resilienz überprüft werden.
  • Team selektiv ergänzen
    Unternehmen sollten langfristig denken und die Arbeitsmarktchancen nutzen, um ihr Digitalteam sinnvoll zu ergänzen – beispielsweise um Know-how im Bereich KI, IoT oder Blockchain.

 

5. Digitale Ökosysteme

Digitale Ökosysteme bieten Kunden einen hohen Mehrwert. Solche kundenzentrierten Netzwerke bündeln Produkte und Services von verschiedenen Akteuren und können somit einen deutlich höheren Nutzen bieten als die Einzelleistungen der Partner. Ein Beispiel: Der Mehrwert eines iPhone für seinen Besitzer speist sich zum großen Teil aus der Möglichkeit, Apps von Dritten nach Belieben zu nutzen. Innerhalb eines digitalen Ökosystems können Unternehmen unterschiedliche Rollen einnehmen – ob als Anbieter einer Plattform, Systemintegrator, Content-Lieferant oder zertifizierter Komponentenanbieter. Gerade für mittelständische Unternehmen lohnt eine genaue Prüfung, welche Positionierung sinnvoll ist.

Empfehlungen:
  • Neue Ökosysteme schaffen
    Unternehmen sollten groß denken und versuchen, die neuen Bedürfnisse ihrer Kunden in einem größeren Kontext zu verstehen und sich fragen, wo zu deren Lösung anzusetzen ist. Komplexe Herausforderungen können gegebenenfalls Chancen für das Schaffen neuer Ökosysteme mit einem umfassenden Wertangebot bieten.
  • Bestehende Ökosysteme prüfen
    Die aktuelle Krise kann die Kräfteverhältnisse in bestehenden digitalen Ökosystemen verschieben oder sogar die Neubesetzung einzelner Rollen erforderlich machen. Aufmerksame Unternehmen können hiermit Chancen nutzen.
  • Vakuum nutzen
    Jetzt ist die Zeit, um gemeinsam mit potenziellen Partnern an einer erfolgreichen Zukunft zu arbeiten – aktuell begünstigt durch genügend Abstand zur operativen Hektik und der hiermit einhergehenden Offenheit für neue strategische Optionen.

 

Die Karten werden neu gemischt

Die langfristigen Auswirkungen der Pandemie sind kaum absehbar. Sicher jedoch ist: Die Krise wird tiefe ökonomische Spuren hinterlassen, viele Branchen grundlegend verändern und digitale Transformationsprozesse positiv jedoch genauso negativ beeinflussen. Mehr »New Work«, eine größere Offenheit für digitale Neuerungen und ein verstärktes Nutzen von Online-Marketing und -Vertriebskanälen sind einige, bereits sehr klar erkennbare Trends. Außerdem verschieben sich zahlreiche Kundenbedürfnisse in vielen Branchen und bieten Ansatzpunkte für den Aufbau neuer oder veränderter Leistungsportfolios. Solche Chancen gilt es jetzt zu nutzen – mit einer klaren, systematisch entwickelten Digitalstrategie und konsequenten, pragmatischen Umsetzung. Eines ist klar: Die Krise wird die bisherigen digitalen Herausforderungen nicht wie von Zauberhand lösen, kann jedoch ein kraftvoller Impuls für die digitale Zukunftsfähigkeit sein.

Literatur:
[1] https://www.wto.org/english/tratop_e/covid19_e/faqcovid19_e.htm
[2] https://www.allianz.com/de/economic_research/publikationen/spezialthemen-fmo/20032020_EconomicOutlook.html
[3] https://www.coface.de/News-Publikationen-Events/News/Laender-lockern-rechtliche-Rahmenbedingungen
[4] https://www.hightech-strategie.de/de/hightech-strategie-2025-1726.html

Der Autor

Seit mehr als 10 Jahren begleitet Jan Rodig als digitaler Vordenker Unternehmen bei der Konzeption und Umsetzung wirksamer Digitalstrategien und Transformationsprogramme. 2012 bis 2019 leitete er als CEO eine Digitalagentur, die als führender IoT-Dienstleister KMUs und Industrieunternehmen in die digitale Zukunft begleitet. 2020 stieg er als Partner bei Struktur Management Partner ein. Er verantwortet dort das Kompetenzfeld Digital Performance.

Jan Rodig
Jan Rodig verantwortet das Kompetenzfeld Digital Performance.
© Struktur Management Partner

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