Aufgrund der Corona-Krise boomen virtuelle Meetings, Cloud-Software und Online-Tools. Manche sehen die Krise gar als Durchbruch für die Digitalisierung in Deutschland. Doch was genau müssen Unternehmen tun, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen?
Für 2020 prognostiziert die Welthandelsorganisation (WTO) einen Absturz des Welthandels [1] von bis zu 32 Prozent, die Allianz-Gruppe rechnet mit einem Einbruch des deutschen BIP [2] von knapp neun Prozent und der Kreditversicherer Coface erwartet für Deutschland eine Zunahme an Firmeninsolvenzen [3] um zwölf Prozent von Ende 2019 bis Ende 2021. Die staatlichen Wirtschaftshilfen sind hier Segen und Fluch zugleich – die zukünftigen Zins- und Tilgungszahlungen schränken die Profitabilität der betroffenen Unternehmen längerfristig erheblich ein.
Darüber hinaus bleiben die Umsätze in den meisten Branchen noch für längere Zeit unter dem Vorkrisenniveau und Umbauten in den Lieferketten kosten ebenfalls Geld. Im Ergebnis nehmen die Investitionsspielräume in vielen Branchen signifikant ab, da häufig zunächst die Liquiditätssicherung im Fokus steht und die mittelfristigen finanziellen Spielräume eng bleiben. Für strategische Innovationen in digitale Services, neue Geschäftsmodelle und digitale Ökosysteme fehlt vielen das Geld – doch gerade solche Investitionen wären dringend nötig, um den Anschluss in der digitalen Transformation nicht zu verpassen.
Trotz aller Herausforderungen sollten Unternehmen nicht den Kopf in den Sand stecken – Krisen bergen immer gleichsam Chancen. Nach Überwinden des Liquiditätsengpasses gilt es, die zahlreichen Effizienz-, Transparenz-, Resilienz- und Umsatzpotenziale der digitalen Transformation effektiv zu nutzen, um die Zukunft abzusichern.
In bestimmten Bereichen können Unternehmen dabei auf Unterstützung aus der Politik zählen. Beispielsweise hat es sich die Bundesregierung im Rahmen der Hightech-Strategie 2025 [4] und der »Digitalen Agenda« zum Ziel gemacht, mit dem Fördern von Unternehmen im Bereich Mikroelektronik die digitale Transformation voranzutreiben und Deutschland als starken Wirtschaftsstandort in dem Bereich zukunftsfähig aufzustellen.
Um erfolgreich den Weg in die digitale Zukunft einzuschlagen, hat es sich bewährt, digitale Transformationsvorhaben systematisch entlang von fünf Ebenen zu gestalten (Bild 1).
Mithilfe eines solchen holistischen Ansatzes sind systematisch die relevanten Handlungsbedarfe zu identifizieren und werthaltige Ansatzpunkte konsequent abzuleiten. Nachfolgend wird der Ansatz im Überblick vorgestellt und anhand jeder Ebene jeweils exemplarisch ausgewählte zentrale Handlungsempfehlungen für die (Post)-Corona-Welt erläutert.
Wohin soll die Reise gehen? Für ein erfolgreiches Umsetzen eines digitalen Transformationsvorhabens ist es für Unternehmen zunächst unerlässlich, ein digitales Leitbild (»Nordstern«) und eine entsprechende Digitalstrategie (»Richtung zum Ziel«) zu definieren. Gerade in der VUCA-Welt (Akronym aus volatility – Volatilität, uncertainty – Unsicherheit, complexity – Komplexität und ambiguity – Mehrdeutigkeit) und agilen Arbeitsumfeldern sind solche elementaren Orientierungspunkte (»Leitplanken«) essenziell für die Mitarbeiter und sollten daher entsprechend sorgfältig entwickelt werden.
Eine Digitalstrategie ist dabei eng mit der Unternehmensstrategie zu verzahnen und auf Basis einer realistischen Analyse der digitalen Ausgangslage (»digitaler Reifegrad«) zu formulieren. Hierzu sollten Unternehmen die Implikationen der kritischen Digitaltrends in der Tiefe verstehen und tektonische Verschiebungen im Wettbewerbsumfeld sowie in den Kundensegmenten angemessen berücksichtigen. Schließlich gibt es mit der Digitalisierung zahlreiche neue Wettbewerber – Start-ups, Tech-Riesen, Zulieferer, Unternehmen aus anderen Branchen, Plattformen und so weiter – die oft lange Zeit »unter dem Radar« fliegen, jedoch mittelfristig gefährlich sein können. Klar ist ebenso: In der VUCA-Welt hat die Halbwertszeit strategischer Analysen und Planungen stark abgenommen. Entsprechende Prämissen sind daher regelmäßig zu hinterfragen und deren Implikationen mit dem Einsatz von Szenarien fundiert zu betrachten.
Aktuell macht das ökonomische Beben einen grundlegenden Review jeder Digitalstrategie im industriellen Mittelstand dringend erforderlich. Schließlich sieht das Ergebnis einer digitalen SWOT-Analyse (Akronym für Strengths – Stärken, Weaknesses – Schwächen, Opportunities – Chancen und Threats – Risiken) heutzutage für fast jedes Unternehmen deutlich anders aus als noch vor wenigen Monaten. Ohne eine klare Re-Priorisierung und Anpassung der digitalen Roadmap drohen Verluste von Marktanteilen, digitale Irrelevanz oder erhebliche finanzielle Einbußen.
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Die mit der Digitalstrategie definierte grundsätzliche Ausrichtung der Transformation wird mithilfe von sechs Werthebeln weiter konkretisiert (Bild 2). Sie lassen sich entlang der beiden Dimensionen Umsetzungsrisiken und zeitliche Wirksamkeit verorten. Die Werthebel geben an, wie Unternehmen konkret Mehrwerte mithilfe der Digitalisierung schaffen und dienen als Basis für das Entwickeln und Priorisieren konkreter Maßnahmenpakete. Sechs Werthebel lassen sich unterscheiden:
Häufig lassen sich digitale Prozessoptimierungen (beispielsweise mit dem Einsatz von Robotic Process Automation, kurz RPA, in administrativen Bereichen) recht verlässlich kalkulieren und zeitlich schnell umsetzen. Implementierung digitaler Services oder neuer Geschäftsmodelle sind jedoch mit einer hohen Unsicherheit verbunden und erfordern nicht zuletzt einen langen (finanziellen) Atem. Letztere Ansätze sind in der aktuellen Krise mit einem hohen Anpassungsbedarf verbunden, da externe Faktoren laufend neu zu bewerten sind.
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