Einer der großen Trends in der industriellen Bildverarbeitung ist 3D, was sich erst vor kurzem auch auf der Bildverarbeitungstechnik-Messe Vision 2012 in Stuttgart gezeigt hat. Für welche Inspektionsaufgaben in der Photovoltaik-Produktion ist die 3D-Bildverarbeitung nun sinnvoll oder gar nötig? »Topologiemessungen am Wafer und am Druck werden derzeit am meisten nachgefragt«, stellt Handschack fest. »Bei Dünnschichtmodulen spielt zum Teil auch die Verwölbung eine Rolle. Bei der Formprüfung von Spiegeln für die Solarthermie sind wir mit »Formscan-Solar« gut im Geschäft. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt - und freue mich auf die Zusammenarbeit mit der Firma 3D-Shape, die seit September zu Isra Vision gehört.«
Borgwarth äußert sich etwas zurückhaltender: »Noch haben sich 3D-Kameras nicht etabliert«, sagt er. »Sinnvolle Anwendungen sehen wir bei der Erkennung von Brüchen innerhalb der Zellen. Im Vergleich zur alternativ möglichen Elektrolumineszenz-Technik bietet die 3D-Technik die Gewähr eindeutig zu interpretierender Bilder.« Laut Klette-Matzat eignet sich die 3D-Bildverarbeitung zur Inspektion von Ingot-Maßen, Zellenbedruckung und String-Verlötung.
Standard-BV-Bibliotheken oder Spezial-Algorithmen?
Schon Standard-Bildverarbeitungs-Bibliotheken bieten Algorithmen für Inspektionsaufgaben in der Photovoltaik-Produktion. Reichen sie in der Praxis aus oder sind noch speziellere Algorithmen nötig? »Die Frage ist letztlich, ob man lieber mit Universalwerkzeug oder mit Spezialwerkzeug arbeitet«, konstatiert Handschack. »Wer sich intensiv mit einer Aufgabe beschäftigt, ist am Ende mit dem passenden Spezialwerkzeug oft einfach effektiver. Genau deshalb haben wir in den vergangenen Jahren in unserer eigenen »Solarscan«-Software eine Reihe von Algorithmen entwickelt, die so in keiner frei verfügbaren Standardbibliothek zu finden sind. Unsere Marktposition beruht zum Teil auch auf eben diesem Know-how.«
Borgwarth veranschaulicht das Thema am Problem der Padzellen: »Die um der Kostenersparnis willen vermehrt produzierten Padzellen erhöhen die Komplexität bei der Analyse der Busbars«, führt er aus. »Anwender stehen vor der Wahl, die Details der unterschiedlichen Zelldesigns zu erfassen oder Algorithmen zu verwenden, die robust gegen diese Variationen sind und trotzdem eine hinreichende Inspektionstiefe bieten.«
Werden die BV-Daten im MES genutzt?
Ein genereller Trend in der industriellen Fertigung ist es, mittels eines MES (Manufacturing Execution System) die gewonnenen Produktionsdaten zu sammeln und zu analysieren, um möglichst schnell auf etwaige Probleme im Produktionsprozess reagieren zu können. Insofern liegt es nahe, die von Bildverarbeitungssystemen erfassten Daten in das MES einzuspeisen. Auch in der Photovoltaik-Produktion zeigt sich dieser Trend: »Die aktuell in der Branche lebhaft diskutierten Qualitäts- und Gewährleistungsthemen werden sicher schon im kommenden Jahr zur allgemeinen Einführung von Tracing-Methoden und MES-Systemen führen«, erläutert Borgwarth. »Richtungsweisend sind hier die jüngst verabschiedeten SEMI-Standards und die Aktivitäten des TÜV.«
Klette-Matzat beschreibt die Aufgaben eines MES-Systems und dessen Zusammenwirken mit Bildverarbeitungs-Systemen konkreter: »Moderne MES-Lösungen erfassen den kompletten Produktionsprozess; Wafer-/Zellen- und Modul-bezogen werden alle Bildverarbeitungs-Daten akquiriert«, sagt er. »Das Tracking in der Produktion erfolgt über Data-Matrix-Codes auf den Wafern. Große Datenbanksysteme erlauben nach dem Ausfall eines Moduls beim Kunden oder im Feld die komplette Analyse des Herstellungsprozesses vom Ort der Ingot-Herstellung aus oder bis hin zur Löt-Temperatur in einer Stringer-Maschine.« Borgwarth erwähnt einen weiteren Aspekt: »Durch die Korrelation der Messergebnisse auf der Basis individueller Zellen lassen sich Prozessoptimierungen erzielen, die zu höheren Wirkungsgraden führen«, führt er aus. »Dies ist mit den heute allgemein zur Verfügung stehenden Mittelwerten kaum möglich.«
Handschack beschreibt die Erwartungen, die die Kunden mit der Erfassung der Produktionsdaten verbinden: »Auch wenn die Daten nicht direkt in die Prozessautomatisierung einfließen, rechnen unsere Kunden vor allem mit drei Effekten«, sagt er. »Erstens soll nach jedem Prüfschritt die Qualität des Produkts überprüft und gemeldet werden. Zweitens soll in jedem Takt die Qualität des Prozesses geprüft werden, um Abweichungen zu korrigieren, bevor es zu einem echten Fehler kommt. Und drittens wollen die Kunden die Ergebnisse speichern, sowohl um die Rückverfolgbarkeit zu sichern als auch um für die Zukunft aus den Daten zu lernen.« Als Beispiel dafür nennt er die Folgen eines defekten Drucksiebs: »Ein defektes Drucksieb kann zu Pastenflecken oder Fingerunterbrechungen führen«, sagt er. »Wird der Fehler erst im Sorter festgestellt, kann man zwar die Auslieferung fehlerhafter Zellen vermeiden, hat aber vielleicht bei einer typischen Linienlänge 400 Zellen fehlerhaft produziert, also 400 Silizium-Wafer, das Silber für 400 Zellen und die Uptime für 400 Zellen verloren. Mit einer Inspektion direkt nach dem Druck kann man viel früher darauf reagieren, etwa das Sieb reinigen oder wechseln.«