Die EU-Kommission will mit einem Bündel von Maßnahmen Europas Abhängigkeit von russischem Importgas verringern. Der vollständige Plan soll Anfang Juni vorgestellt werden.
Wenn das russische Ultimatum an die Ukraine, ausstehende Gasrechnungen in Höhe von 3,5 Milliarden € bis zum 31. Mai zu bezahlen, ergebnislos abläuft, könnten sich Unterbrechungen der Gasversorgung in Europa wie 2009 wiederholen. Der Stopp russischer Gaslieferungen an die Ukraine hatte damals auch zu Versorgungsengpässen in mehreren europäischen Ländern geführt.
Damit das nicht mehr passiert will die EU mittelfristig ihren Gasbezug diversifizieren. In der EU kamen 2013 etwa ein Drittel aller Gaslieferungen aus Russland (Deutschland: 39 Prozent). Die Marschroute zur Gasautonomie will EU-Kommissionspräsident Baroso »in ein oder zwei Wochen« vorstellen. Der von Baroso auf einer Energiekonferenz in Brüssel präsentierte Entwurf eines Planes, den das Wall Street Journal einsehen konnte stellt unter dem Titel »Sofortmaßnahmen, um die Fähigkeit der EU zu steigern, eine größere Störung im Winter 2014/2015 zu überwinden« Länder in den Fokus, die wie Bulgarien, Lettland und Estland zu 100 Prozent mit russischem Gas versorgt werden.
Zunächst sollen zusätzliche Gaslager geschaffen und Vorräte aufgestockt werden, mittelfristig will die EU Norwegen und Algerien stärker als Lieferanten nutzen und eventuell mit Israel, Griechenland und Zypern Geschäftsverbindungen aufnehmen.
Die Kommission wird zudem den Bau neuer Schiffsterminals für Erdgas (Liquified Natural Gas/ LNG) an verschiedenen Standorten vorschlagen, um die Gaslieferung aus Ländern wie Qatar und den USA zu erleichtern. Letztere könnten dank Shale-Gas-Boom schon in wenigen Jahren zu einem wichtigen Gaslieferanten Europas werden.
Forcieren will die EU den Bau einer Pipeline im »Südlichen Gaskorridor«, der eine Alternative zur russischen »Southstream-Pipeline« schaffen würde, dem Schwarzmeer-Äquivalent zur »Northstream-Pipeline«. Diese transportiert, vom ehemaligen Bundeskanzler Schröder geleitet, Erdgas aus Russland unter Umgehung der Ukraine und Polens nach Deutschland. Allerdings führte eine solche »Southern Gas-Corridor«-Pipeline über türkisches Staatsgebiet. Damit wäre die europäische Energieversorgung weiteren Unwägbarkeiten eines zusätzlichen politischen Krisenherdes ausgesetzt.
Versorgungssicherheit hatte für Baroso in Brüssel Priorität: »Die Ukraine-Krise zeigt, dass für Europa die Energieunabhängigkeit entscheidend ist«. Greenpeace-Sprecherin Franziska Achterberg kritisierte laut Focus das Vorgehen der EU. Sie sagte in Brüssel: »Wenn Europa seine Abhängigkeit von Energieimporten wirklich anpacken will, gibt es nur einen Weg. Es muss seinen Energieverbrauch massiv senken und auf Erneuerbare umstellen.« Stattdessen spreche die Kommission »aber lieber über neue Gasleitungen und Lieferanten«