Doch kann E.ON, ein Unternehmen, das doch in erster Linie Energie verkaufen will, als Partner zum Energie sparen in Frage kommen? »Auf der Kundeseite hat sich viel verändert – aber wir haben uns auch verändert: Wir sehen uns nicht mehr ausschließlich als Energielieferant, sondern als Lösungsanbieter«, antwortet Rosenbaum. Doch wenn die Lösung dazu führt, dass die Unternehmen deutlich Energie sparen und zu einem nicht unerheblichen Teil selber erzeugen – läge das dann immer noch im Interesse von E.ON? »Eindeutig ja«, erklärt Hienz. Denn der Verlust an verkaufter Energie werde durch die Beratungsaktivitäten mehr als kompensiert. Dies sei ein Wandel im Geschäftsmodell, der schon seit einigen Jahren im Gang sei. Und zwar sowohl auf der Seite der Erzeugung der Energie als auch auf der Seite der Energieverbrauchs. Auf der Erzeugerseite setzt E.ON schon länger auf erneuerbare Energien: Das Unternehmen gehört zu den drei führenden Erzeugern von Offshore-Windstrom und betreibt große Photovoltaikanalgen.
Energieeffizienz ist effiziente Nutzung plus dezentrale Erzeugung
Wie sieht eine Energieberatung nun aus? Zunächst schauen sich die E.ON-Berater das Unternehmen genau an. Wichtige Daten ihrer Kunden kennt E.ON als Energielieferant ohnehin, außerdem ermitteln sie Experten weitere Daten, die für die Kunden jeweils wichtig sind, beispielsweise zu Klima oder Wärme. Diese Daten werden transparent gemacht und visualisiert. Auf dieser Basis ermitteln dann die Experten, wie sich das Gesamtsystem effizienter gestalten lassen könnte. Das betrifft nicht nur das Einsparen von Energie. »Energieeffizienz besteht nicht nur darin, den Energieverbrauch zu senken, es kommt auch auf die effiziente Erzeugung an, gerade in den Zeiten der Prosumer«, erklärt Hienz.
Also untersuchen die Experten, welche Energieerzeuger für das jeweilige Unternehmen in Betracht kommen könnten, beispielsweise Photovoltaik, BHKWs, und Wärmepumpen. Sie ermitteln, wie die Anlagen dimensioniert sein müssen und sie sind für das Energiemanagement zuständig, von der Verbrauchssteuerung bis zur M2M-Kommunikaiton. Auch den Betrieb und die Wartung der Anlagen könnte E.ON übernehmen, wenn der Kunde dies wünscht. Beispielsweise besteht über »E.ON Solar rent« die Möglichkeit, PV-Anlagen zu pachten, was besonders für kleinere und mittlere Unternehmen interessant sein dürfte. »So können sie ihr Kapital für Investitionen im Kerngeschäft frei halten, ab 80 kWp rechnet sich das Modell«, sagt Rosenbaum. Allerding hat er die Erfahrung gemacht, dass die Kunden meist doch den Kauf der PV-Anlage bevorzugen. Bei all dem steuert E.ON das jeweilige Projekt und führt es in Kooperation mit Partnern aus.
Insgesamt hat E.ON im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung 800 MW elektrische und 2400 MW thermische Leistung in dezentralen Anlagen installiert. »Hier blicken wir bereits auf eine langjährige Erfahrung zurück, dies ist eine wesentliche Voraussetzung, um Energieeffizienz in die Unternehmen bringen zu können«, so Hienz.
Beratung durch die gesamte Wertschöpfungskette
Vor zwei Jahren hat E.ON die englische Firma Matrix übernommen, die sich auf die Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden spezialisiert hat. Matrix beschäftigt rund 350 Mitarbeiter und arbeitet profitabel. Inzwischen hat E.ON nach dem Muster von Matrix eine Einheit in Potsdam aufgebaut, die bereits 35 Mitarbeiter beschäftigt und die ersten Pilotprojekte in Angriff genommen hat.
Hienz betont, dass E.ON die Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette beraten kann, dabei aber bei weitem nicht alles technisch allein umsetzt, sondern über Partnernetzwerke arbeitet. »Die herkömmliche Beleuchtung durch effiziente LED-Beleuchtung zu ersetzen, ist sicherlich kein Thema von E.ON. Aber es ist Teil des Ganzen und hier arbeiten wir mit den entsprechenden Partnern zusammen«, erklärt Rosenbaum.
Für die Kunden wiederum sei wichtig, dass E.ON in Fragen der Energieeffizienz der alleinige Ansprechpartner sei. Aber gerade unter dem Aspekt, dass sich die Unternehmen von den Versorgern autark machen wollen – wollen sie sich dann auf eine langfristige Beratungszusammenarbeit mit E.ON einlassen?
»Trotz aller Autarkiebestrebungen bevorzugen die Kunden doch, wenn sie es im Bereich der Energieeffizienz mit einem einzigen Ansprechpartner zu tun haben«, antwortet Rosenbaum. »Wir haben uns zum Ziel gesetzt, als Energie-Effizienz-Partner wahrgenommen zu werden – und die Geschäftskunden verstehen das auch.«
Und sie verstehen auch, dass Energieeffizienz nicht darin besteht, ein System einzuführen, die Zielwerte zu erreichen – und dann nichts mehr zu tun. »Es ist ähnlich wie beim Fitnesstraining: Wenn man aufhört, nachdem man sein Zielgewicht erreicht hat, wird man es nicht lange halten können«, meint Rosenbaum. »Auch bei der Energieeffizienz ist es wichtig, immer am Ball zu bleiben.« Das Schöne sei aber, dass es erstaunlich ist, wie viel Energieeinsparungen sich selbst dann erreichen lassen, wenn schon die ersten Maßnahmen gegriffen haben. »Wir sind selber manchmal erstaunt, wie hoch das Einsparpotenzial selbst dann noch ist«, resümiert Rosenbaum.