Feuchte Kälte ist nichts für Windkraft

Drohnen schützen Windräder vor Vereisung

5. Dezember 2023, 15:51 Uhr | Kathrin Veigel
Simulation der Beschichtung mittels Drohne unter Windeinfluss
© Fraunhofer IPA

Wenn die Rotorblätter vereisen, kann dies Unwuchten bei der Rotation und erhöhten Verschleiß nach sich ziehen. Die Anlagen müssen dann oft abgeschaltet werden, was Verluste für Anlagenbetreiber bedeutet. Ein Fraunhofer-Team konnte nun Rotorblätter durch Drohnen-Einsatz vor Vereisung schützen.

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Anlagenbetreiber, die ihre Windkraftanlagen vor Vereisung schützen wollen, mussten bisher tief in die Tasche greifen: In die Flügel integrierbare Heizmatten oder Systeme, die warme Luft in die Rotoren pumpen, sind – genau wie der Einsatz von Hubschraubern, die Enteisungsmittel versprühen – mit hohen Kosten verbunden.

Drohnen, die nur im Bedarfsfall eingesetzt werden, sind dagegen eine preiswerte Alternative. Um sie für die Prävention von Vereisung nutzen zu können, müssen jedoch mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: Man braucht umweltverträgliche Beschichtungsmaterialien, die gut haften und ausreichend beständig sind, damit sie über Wochen auf den Rotoren verbleiben und diese vor Vereisung schützen. Benötigt wird ferner eine Spritzvorrichtung, die sehr genau arbeitet, aber wenig wiegt. Und zu guter Letzt müssen Drohnen bereitgestellt werden, die sich sehr präzise steuern lassen und dazu noch eine große Tragkraft haben.

Wichtig: umweltverträgliche Materialien und punktgenaue Applikationsgeräte

Im Projekt TURBO entwickelten die Forscher vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) sowie vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) einen Prototyp, der all diesen Anforderungen gerecht wird: Am Fraunhofer IFAM in Bremen erarbeiteten die Wissenschaftler ein Beschichtungsmaterial aus Harnstoff und Wachs, das umweltverträglich ist und gut haftet. Das entwickelte Beschichtungsmaterial lässt sich schnell und einfach mittels Spritzapplikation auftragen und trocknet schnell an. Dass die Beschichtung zuverlässig vor Reifbildung schützt, wurde in einer Eiskammer am Institut getestet und nachgewiesen.

Das Team am Fraunhofer IPA baute das Applikationsgerät, mit dem sich die Beschichtung aufbringen lässt. Es besteht aus einer kleinen Pumpe, die das flüssige Harnstoff-Wachs-Gemisch mit hohem Druck in eine lange, dünne Lanze presst. An deren Spitze befindet sich eine Düse mit einem Durchmesser von nur 0,3 Millimetern. Mit diesem »Airless«-Pumpsystem, das ohne Beimischung von Luft arbeitet, lassen sich Tröpfchen mit 100 Mikrometern Durchmesser erzeugen. Diese können sogar bei Wind von 35 Stundenkilometern noch punktgenau auf die Kanten der Rotorblätter gespritzt werden, wo sie erstarren. Die Kanten sind besonders wichtig, denn hier beginnt der Vereisungsprozess, wenn nasse, kalte Luft auf die Anlage trifft.

Mit Simulationen zum Erfolg

Die technischen Parameter – beispielsweise den benötigten Druck, die effiziente Zerstäubung und die optimale Tröpfchengröße – ermittelte das Team von Dr. Oliver Tiedje, Projektleiter am Fraunhofer IPA, mithilfe fluid-dynamischer Simulationen. »Dabei hat uns die jahrzehntelange Erfahrung mit der Modellierung von Lackierprozessen sehr geholfen. Auf dieses Know-how konnten wir zurückgreifen«, erinnert sich der Physiker. »Wir mussten die Prozessparameter allerdings an die komplexe Geometrie der Windkraftanlagen anpassen.«

Im nächsten Schritt wollen die Forscher die Technik zusammen mit Partnern aus der Industrie bis zur Serienreife weiterentwickeln. Für die Beschichtungstechnik durch Drohnen gibt es eine Vielzahl von Anwendungen: Das Spektrum reicht vom Vereisungsschutz für Windkraftanlagen und Oberleitungen im Bahnverkehr bis zur Sanierung von Gebäuden, beispielsweise für das Ausbessern von Defekten im Verputz an schwer zugänglichen Stellen von Gebäuden.


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