Zuverlässigkeit von Stromversorgungen

Keine Glückssache

20. September 2016, 11:20 Uhr | Ralf Higgelke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Ausfälle wegen Sättigung einer Drossel

Bild 7: Strom durch die PFC-Drossel beim Anlauf eines Schaltnetzteils. Im gedehnten Verlauf (unten) sieht man deutlich, die Drossel geht leicht in die Sättigung. Ist das der Grund für die häufigen Feldausfälle?
Bild 7: Strom durch die PFC-Drossel beim Anlauf eines Schaltnetzteils. Im gedehnten Verlauf (unten) sieht man deutlich, die Drossel geht leicht in die Sättigung. Ist das der Grund für die häufigen Feldausfälle?
© Markus Rehm

Ein Standard-PC-Netzteil mit medizinischer Zulassung ist laut Herstellerangaben schon viele Jahre in Produktion und wird mit hohen Stückzahlen in zahlreichen Geräten vieler Kunden verbaut. Ausfälle gibt es laut Hersteller keine.

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Bild 8: Der Strom im PFC-Transistor steigt bis auf 40 A an. Das Bauteil hat Schwierigkeiten, diesen starken Strom auszuschalten und schafft das nicht immer. Die Schaltverluste sind groß, der MOSFET könnte daran kaputt gehen, was dann auch passierte.
Bild 8: Der Strom im PFC-Transistor steigt bis auf 40 A an. Das Bauteil hat Schwierigkeiten, diesen starken Strom auszuschalten und schafft das nicht immer. Die Schaltverluste sind groß, der MOSFET könnte daran kaputt gehen, was dann auch passierte.
© Markus Rehm

Ein Kunde aber baut davon jährlich 250 Exemplare in seine Medizingeräte ein und hat etwa 40 Ausfälle pro Jahr. Die Analyse der Feldrückläufer ergab, dass immer die Netzsicherung ausgelöst hat und der PFC-Transistor defekt war. Die genaue Analyse ergab, der Transistor war während des Betriebs keiner Übersspannung und keinem Überstrom ausgesetzt. Beim Anlauf jedoch ging die PFC-Spule etwas in Sättigung (Bild 7), unabhängig vom Wert der Netzspannung oder der Last.

Die Analyse eines zweiten Musters brachte Klarheit (Bild 8). Der vom PFC-MOSFET auszuschaltende Strom ist sehr groß, weil die PFC-Drossel in Sättigung geht, die resultierenden Ausschaltverluste am Transistor sind immens. Bei einer kurzen Netzunterbrechung kann das kritisch sein, wenn die Bauteile warm sind. Außerdem lagen dann die resultierenden Spannungsspitzen am Drain des PFC-MOSFETs über dessen spezifizierten Maximalwerten.Deshalb: Stromversorgungen analysiert man am besten selbst mit Oszilloskop, Tastkopf und Stromzange, um sicher zu gehen, dass sie nicht nur funktionieren, sondern auch eine hohe reale Zuverlässigkeit haben und für die Anwendung geeignet sind.

Zuverlässigkeitsanalyse
Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis einer Zuverlässigkeitsanalyse:

Man sieht sofort, wo die Schwachstellen sind und wo nachgebessert werden muss. Bei der Analyse der Zuverlässigkeit sollte noch folgendes beachtet werden: Meistens sind fast alle Bauteile gut dimensioniert. Die Bauteile mit Überstress muss man finden und optimieren. Da nützt es nichts, wenn die restlichen Bauteile überdimensioniert sind.

  • Wichtig ist die Stückliste (BOM) mit allen Bauteilen. Mit Zweite-Wahl-Typen wird das Netzteil zwar funktionieren, die Zuverlässigkeit könnte aber schlechter sein.
  • Auch spätere Bauteiländerungen, z. B. zur Kostenreduktion oder wegen der Verfügbarkeit, haben Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit.
  • Selbstverständlich sollten alle wichtigen Messungen in einer »Zuverlässigkeitsanalyse« nachvollziehbar dokumentiert und zusammen mit dem Muster gut verwahrt werden. Das erleichtert die Problemanalyse, falls es doch zu Ausfällen kommen sollte.

Warum gibt es Entwicklungsfehler und wie kann man sie erkennen? Meistens wird der Bauteilstress nur im nominalen Dauerbetrieb gemessen, also über den gesamten Eingangsspannungsbereich und Lastbereich, manchmal noch im Leerlauf. Wesentlich kritischer sind jedoch oft folgende Fälle:

  • Anlauf, z. B. beim Anlegen der Netzspannung oder Übergang vom Standby- in den Normalbetrieb.
  • Ausschalten des Netzteils oder Übergang in Standby oder Netzunterbrechungen.
  • Lastsprünge (auch Abwurf) oder Kurzschluss oder Überstrom am Ausgang

Vor allem Netzunterbrechungen können gefährlich sein, nämlich genau dann, wenn die Netzspannung in dem Moment wieder zugeschaltet wird, wenn die Ausgangsspannung oder die interne Versorgungsspannung zu fallen beginnen. Am besten man analysiert alle diese genannten Fälle genau, um mögliche Schwachstellen zu finden. Wenn Überstress auftritt, muss man eine passende Lösung erarbeiten, besser vor der Markteinführung als danach.

 


  1. Keine Glückssache
  2. Sperrspannung an den Halbleitern
  3. Ströme in den Elkos und in Induktivitäten
  4. Ausfälle wegen Sättigung einer Drossel

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