Hybrides ANPC-Modulkonzept

SiC-MOSFET trifft IGBT

11. Oktober 2019, 9:20 Uhr | Von Christian R. Müller, Andre Lenze, Jens Czichon und Maximilian Slawinski
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Ein neuer Ansatz für ein ANPC-Leistungsmodul

Zur Realisierung hoher Leistungsdichten werden hoch effiziente Leistungsmodule benötigt. In Bild 4 sind vier verschiedene Kommutierungspfade für den hier vorgeschlagenen ANPC-Ansatz dargestellt. Dabei zeigt sich, dass in allen Kommutierungsvorgängen immer zwei SiC-MOSFETs und zwei IGBTs oder FWDs involviert sind. Es ist also von großer Bedeutung, ein symmetrisches Layout mit niedriger Induktivität zu verwenden.

Das lässt sich zum Beispiel mit der EasyPACK-Plattform erreichen. Ein Easy 2B mit optimierter Kontaktierung und Pinout erzielt so zum Beispiel eine Streuinduktivität von nur 8 nH. Das neue Easy 3B (Bild 5) ist eine Modulplattform, in die sich eine komplette Phase mit zwei 1200-V/6-mΩ-CoolSiC-MOSFETs, vier 1200-V/150-ATrenchstop-IGBT7-IGBTs und vier 1200-V/-150-A-Emitter-Controlled-7-Dioden integrieren lassen. Bild 5 zeigt beispielhaft den typischen Abschalt-Kurvenverlauf eines Prototyps des beschriebenen Moduls (F3L6MR12W3M1_B11_ENG). In Bild 6 ist eine entsprechende Einschalt-Kurve dargestellt. Die Ergebnisse basieren auf Doppelpuls-Messungen unter Verwendung der Body-Diode des oberen oder unteren SiC MOSFETs als Freilauf-Diode.

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Ein neuer Ansatz für ein ANPC-Leistungsmodul, Bilder 4-6

Vier verschiedene Kommutierungszweige für das vorgeschlagenen ANPC-Leistungsmodul (rot: aktiver Status, orange: Freilauf)
© Infineon Technologies
Abbildung des Easy-3B-Moduls und Abschaltvorgang des F3L6MR12W3M1_ENG bei VDC = 750 V, ID = 200 A, Tvj = 150 °C
© Infineon Technologies
Beispiel für Einschaltvorgang des F3L6MR12W3M1_ENG, bei VDC = 750 V, ID = 200 A, Tvj = 150 °C
© Infineon Technologies

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Für die Messungen wurde über einer Hälfte des ANPC-Moduls eine DC-Zwischenkreisspannung von 750 V angelegt, die als Worst-Case-Szenario gilt. Im Gegensatz zu den üblicherweise verwendeten IGBTs zeigen SiC-Bausteine beim Abschalten keinerlei Tailstrom. Darum können je nach Anbindung des Moduls Schwingungen von VDS und ID beobachtet werden. Der zugrunde liegende Schwingkreis entsteht durch parasitäre Induktivitäten, etwa in der Schaltung und im Leistungsmodul selbst, und durch die Kapazitäten, die durch die Auslegung des Moduls und der Schaltung bedingt sind. Dazu zählen die Ausgangskapazität des SiC-MOSFET und die Koppelkapazitäten im Leistungsmodul und dessen Struktur. Der Einfluss der Bauteil-Kapazitäten auf das Schaltverhalten wird durch den anfänglichen Stromabfall beim Abschalten belegt. Hier wird ein Teil des Laststroms genutzt, um die Ausgangskapazität des SiC MOSFET zu entladen.

Vergleichende Evaluierung

Für einen Vergleich wurden drei verschiedene Konfigurationen eines Easy- 3B-Moduls mithilfe des Simulations-Tools PLECS verglichen. Als erstes wurde die klassische NPC1-Topologie in einer Si-basierten Lösung betrachtet, und zwar mit schnellen, für 1200 V/150 A spezifizierten Highspeed IGBT H3 und mit 1200 V/150 A-Emitter-Controlled-7-Dioden im Neutralleiter (NPC1 a). Die zweite Variante ist eine hybride Lö- sung mit 1200-V/150-A-H3-IGBTs und 1200-V/-50-A-CoolSiC-FWDs (NPC1 b).

Abschließend wurde die ANPC-Konfiguration mit 1200-V/6-mΩ-CoolSiC-MOSFET und einem 1200-V/150-A-Trenchstop-IGBT7 untersucht. Zum besseren Vergleich wurde jede Variante bei ihrer höchsten Leistungsdichte, also maximalen Chipfläche, betrachtet und nicht beim identischen nominalen Chip-Strom. Bei beiden NPC-Berechnungen wurde jeweils nur der H3 IGBT in die Simulation mit einbezogen.

Leistungsverlust pro Modul: NPC1 versus ANPC (Igrid = 50 A, Vdc = 1200 V, Vout = 600 V, cos φ = 0,8, TA = 50 °C, RthHA= 0,15 K/W)
Bild 7. Leistungsverlust pro Modul: NPC1 versus ANPC (Igrid = 50 A, Vdc = 1200 V, Vout = 600 V, cos φ = 0,8, TA = 50 °C, RthHA= 0,15 K/W).
© Infineon Technologies

In Bild 7 sind die Verluste pro Modul und die maximalen Effektivwerte des Ausgangsstroms über der Schaltfrequenz fsw aufgetragen. Die Leistungsverluste der ANPC-Lösung liegen beträchtlich unter denen beider NPC1-Lösungen. Bei 32 kHz betragen sie nur ein Viertel der rein Silizium-basierten NPC1-Variante und nur 50 Prozent der hybriden NPC1-Variante. Entsprechend größer sind die erreichbaren Ausgangsströme.

Eine wichtige Eigenschaft von String-Wechselrichtern ist die einfache Handhabung. Zwei Personen müssen in der Lage sein, einen Wechselrichter zu transportieren und zu installieren. Das bedeutet, dass Größe und Gewicht der Wechselrichter eine entscheidende Rolle spielen. Darum sollte die Schaltfrequenz so hoch wie möglich sein, um den Ausgangsfilter zu minimieren. Mit den geltenden Annahmen wäre ein Effektivwert des Netz-Ausgangsstroms von 110 A bei fsw = 48 kHz erreichbar. Mit einer typischen verketteten Netzspannung von 600 VAC bedeutet das, dass sich durch den Einsatz zweier paralleler Module pro Phase eine Ausgangsleistung von mehr als 200 kW erzielen lässt.

Junction-Temperaturen und Leistungsverluste als Funktion des Leistungsfaktors (Igrid = 100 A, Vdc = 1200 V, Vout = 600 V, cos φ = 0,8, TA = 50 °C, RthHA = 0,15 K/W)
Bild 8. Junction-Temperaturen und Leistungsverluste als Funktion des Leistungsfaktors (Igrid = 100 A, Vdc = 1200 V, Vout = 600 V, cos φ = 0,8, TA = 50 °C, RthHA = 0,15 K/W).
© Infineon Technologies

In Bild 8 sind die Junction-Temperaturen und die gesamte Verlustleistung des ANPC-Moduls beispielhaft dargestellt. Die Temperatur des CoolSiC-MOSFET (T5) ist typischerweise die höchste, liegt aber immer noch weit unter 150 °C. Sie ist, wie bereits ausgeführt, praktisch unabhängig von cos φ. Dasselbe gilt für die gesamten Leistungsverluste. Wenn cos φ sich -1 annähert, liegt die Temperatur der FWD D1 höher als die von T5.

Verteilung der Leistungsverluste (Igrid = 100 A, Vdc = 1200V, Vout = 600V, cos φ = 0,8, TA = 50 °C, RthHA = 0,15 K/W)
Bild 9. Verteilung der Leistungsverluste (Igrid = 100 A, Vdc = 1200V, Vout = 600V, cos φ = 0,8, TA = 50 °C, RthHA = 0,15 K/W).
© Infineon Technologies

Bild 9 zeigt abschließend die Verteilung der Verlustleistung, wobei bei 48 kHz die Schaltverluste von T5 dominieren. Die Durchlassverluste sind zwischen beiden Bauelementen gut ausgeglichen.

Für netzgekoppelte 1500-V-DC-String-Wechselrichter im Bereich von mehr als 200 kW eignet sich also eine spezifische ANPC-Topologie, bei der CoolSiC MOSFETs mit Trenchstop-IGBT7-IGBT-Technologie kombiniert werden. Bei den typischen Betriebsbedingungen sind damit die Verlustleistungen beträchtlich geringer als bei einer hybriden NPC1-Lösung mit schnellen H3-IGBTs und SiC-FWDs. Ein weiterer Vorteil ist, dass keine externen SiC FWDs benötigt werden, weil die interne Body-Diode des CoolSiC-MOSFETs genutzt werden kann.

 

Die Autoren

 

Andre Lenze

ist Technical Marketing Manager bei Infineon in der Division Industrial Power Control. Dort betreut er die Produktfamilie der CoolSiC-Easy-Module. Lenze hat an der Fachhochschule Südwestfalen-Soest Wirtschaftsingenieurwesen mit den Schwerpunkten Elektrotechnik, Marketing und Vertrieb studiert.

 

Dr. Christian R. Müller

ist seit 2010 bei der Division Industrial Power Control von Infineon beschäftigt. Als Senior Staff Engineer betreut er die Entwicklung von Leistungshalbleitern im Bereich Low/Medium-Power. Müller hat Elektrotechnik an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt studiert und an der Universität Würzburg in Physik promoviert.

 

Jens Czichon

ist seit April 2018 im System Engineering der Industriesparte von Infineon tätig. Dort ist er für die Analyse von leistungselektronischen System für verschiedene Applikationen zuständig. Er hat Elektrotechnik mit der Fachrichtung Elektromobilitätssysteme an der Ruhr-Universität Bochum studiert.

 

Dr. Maximilian Slawinski

ist Product Marketing High Power. In dieser Funktion betreut er in der Industriesparte von Infineon die Leistungsbereiche von 500 kW bis 1 GW mit den Produktfamilien PrimePACK, IHM, IHV XHP und Stacks. Slawinski hat an der Rheinisch-Westfälische Technischen Hochschule Aachen Elektrotechnik studiert und dort auch promoviert.

 


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