Auch wenn sich gegenüber dem Vorjahr inzwischen einiges verbessert hat und die Gefahr harter Ausfälle nach überwiegender Brancheneinschätzung nicht mehr besteht, so ist die Branche immer noch weit von der Normalität entfernt. »Der Backlog ist deutlich angestiegen, der nicht auf einem LOI basiert, sondern tatsächliche Bedarfe bei den Kunden widerspiegelt«, so Traum. »Unsere Entwicklungsabteilung ist zudem nach wie vor stark mit Requalifizierungsarbeiten beschäftigt, und bei den Leistungs-MOSFETs hat sich die Situation nicht wirklich verbessert. STMicroelectronics bedient nach unseren Informationen weltweit nur noch sechs Major Accounts.«
Dass für die Stromversorgungshersteller einiges mehr möglich wäre, wenn die Bauteilversorgung besser klappen würde, macht auch Hermann Püthe, Geschäftsführender Gesellschafter der inpotron Schaltnetzteile, deutlich: »Uns hat die anhaltend schlechte Performance einiger Hersteller und Zulieferer im Komponentenbereich sehr geschadet, das hat sich als Umsatzbremse und Kostentreiber ausgewirkt. Mit der Qualifizierung alternativer Hersteller hat sich die Situation nun verbessert.« Von einer sehr speziellen Verbesserung gegenüber dem Vorjahr berichtet Manfred Schicha, Key Account Manager Power Supplies bei Egston System Electronics: »Wir gehören seit Ende letzten Jahres zu Yageo – die Situation mit MLCCs stellt für uns nun kein Problem mehr dar!«
Und wie fallen die Erwartungen der Branche für die zweite Jahreshälfte 2019 aus? Es gibt einige, die wie Traum eine nochmalige Verschärfung der Bauelemente-Lieferzeiten für möglich halten, wenn der Konjunkturmotor in Asien, speziell auch China, gestützt durch staatliche Programme in verschiedenen Industriebereichen wieder besser läuft. Zu den Unwägbarkeiten in Europa zählt nach wie vor das Endlosthema Brexit: »Das Brexit-Thema beschäftigt nach wie vor viele Kunden und auch uns emotional«, berichtet Bernhard Kluschat, Business Development Manager Head of Marcom & Technical Support bei TDK-Lambda. Ähnlich deutlich wird Bicker: »Wir blicken grundsätzlich positiv in die Zukunft, aber bei Ereignissen wie dem bevorstehenden Brexit müssen wir auf Sicht fahren.«
Von den anhaltenden handelspolitischen Auseinandersetzungen zwischen den USA und China scheinen einige Hersteller sogar zu profitieren. So berichtet Michael Brinkmeier, Head of Marketing bei Friwo, davon, dass sich die Anfragen von Neukunden, die zumindest eine Second Source ohne chinesische Produktion aufnehmen wollen, in letzter Zeit nicht weniger geworden sind. Ähnliches berichtet Ralph Bischoff, Geschäftsführer der EOS Power: »Wir erhalten zunehmend Anfragen amerikanischer Kunden, da unsere chinesischen Wettbewerber durch die Schutzzölle zu teuer werden. Darüber hinaus übernehmen wir die Produktion von Netzteilen von Mitbewerbern, die bisher EMS-Dienstleister in China genutzt haben.«
Fazit: Auch wenn sich Hersteller, Distributoren und Kunden inzwischen deutlich besser mit den Problemen einer angespannten Lieferkette arrangiert haben, bleibt abzuwarten, ob sich die Situation am Bauelementemarkt 2019 noch einmal verschärft oder ob der Markt wirklich mittelfristig wieder auf dem Weg zurück zum „Business as usual“ ist. Eine klare Prognose dazu will derzeit niemand abgeben.