Deutsche Experten sind also eher skeptisch. Sie setzen auf Großteleskope in Argentinien und den USA. Sie suchen allerdings schon lange vergeblich nach der Quelle dieser Mini-Kraftprotze, die Teil der kosmischen Strahlung sind. Nicht größer als ein Atomkern, sausen sie mit der Kraft eines scharf aufgeschlagenen Tennisballs und fast so schnell wie das Licht auch Richtung Erde. Aus Verblüffung darüber nannte ein Physiker sie Oh-my-God-Teilchen.
Millionen dieser Partikel treffen pro Jahr auf die Erdatmosphäre und trotzdem sind sie schwer zu erwischen. Denn die OMG-Teilchen zerschellen an der schützenden Schicht in Tausende bis Milliarden Sekundärteilchen. Etwa 100 davon durchdringen pro Sekunde unbemerkt unseren Körper und sind für 20 bis 30 Prozent der natürlichen Strahlenbelastung aller Menschen verantwortlich.
»Seit über 100 Jahren wissen wir, dass die Teilchen aus dem Weltraum zu uns kommen, aber wir wissen bis heute nicht, wo die eigentlichen Quellen liegen und wie sie funktionieren. Für einen Wissenschaftler eine nahezu unerträgliche Situation«, sagt Karl-Heinz Kampert.
Er nennt ein Beispiel: Wollte man mit den Magnetfeldern des leistungsstärksten Teilchenbeschleunigers auf Erden, dem LHC am Cern in Genf, ein Proton auf die Geschwindigkeit der OMG-Teilchen bringen, müsste der Magnet-Tunnel so lang sein wie die Umlaufbahn der Erde um die Sonne.
Zwar haben Forscher, darunter Kampert selbst, gerade erstmals durch Beobachtung von Neutrinos eine Quelle kosmischer Strahlung entdeckt – ein vier Milliarden Lichtjahre entferntes aktives Schwarzes Loch. »Aber ob dieser Blazar auch ultrahochenergetische OMG-Teilchen aussenden kann, wissen wir nicht«, sagt Kampert. Das im September 2017 am Südpol registrierte verräterische Neutrino hatte eine Energie von etwa 10 hoch 14 Elektronenvolt, OMG-Partikel sind rund eine Million Mal energiereicher.
OMGs müssen in unserer »Nähe« entstehen
Inzwischen wissen Astrophysiker zumindest zwei Dinge: Die mysteriösen Minis sind keine Überbleibsel aus dem Urknall. Und ihre Quellen können nicht allzu weit entfernt sein.
»Die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung im Universum bremst gerade hochenergetische Teilchen stark ab. Wenn sie uns aber immer noch mit so hoher Energie erreichen, müssen sie aus allernächster kosmologischer Entfernung kommen«, erläutert Kampert. In kosmischen Dimensionen bedeutet das aber immer noch: Galaxien entfernt, also mehrere Millionen Lichtjahre.
»Die heißesten Kandidaten dafür sind aktive Galaxien«, sagt Kampert. Das sind Galaxien mit einem großen, aktiven schwarzen Loch in der Mitte, das Milliarden Sonnenmassen umfassen kann. Bevor Himmelskörper in diesem Loch verschwinden, nähern sie sich ihm auf einer kreisförmigen Bahn, der sogenannten Akkretionsscheibe.
Die Materie verklumpt, heizt sich extrem auf und viel Licht wird produziert. In riesigen sogenannten Jets werden Teile der Materie diametral aus der Scheibe und sogar der Galaxie herauskatapultiert. An den Enden der Jets, wo Materie sich auftürmt, entstehen Magnetfelder. Diese könnten die OMG-Partikel befeuern, vermutet Kampert.
Am Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien geht ein internationales Konsortium der Suche nach. Dort heißt es, auch Radiogalaxien wie Centaurus A könnten die Antriebsquelle sein. Die Forscher messen zum einen den Niedergang von Schauern der zerborstenen OMG-Partikel in 1600 Wassertanks, zum anderen das fluoreszierende Glühen, das sie bei der Kollision mit Luftmolekülen in der Atmosphäre abgeben. Am Telescope-Array in Utah wird so über der Nordhalbkugel nach OMG-Teilchen gesucht.