Fehler durch Spannungsspitzen bei der Laboranalyse

»Wie Viren im Stromkabel«

19. März 2012, 11:34 Uhr | Christine Gassel
© Powervar

Automatisierte Antikörper-Untersuchungen in medizinischen Laboren verlangen höchste Präzision - auch bei der Gerätespannung. Ein System zur Strom-Konditionierung verhindert zuverlässig Programmabstürze und Hardwaredefekte durch Spannungsschwankungen.

Diesen Artikel anhören

Vollautomatisch untersucht der »Analyzer I« von Euroimmun Blutproben für die Autoimmun-, Infektions- und Allergiediagnostik und nimmt photometrische Messungen vor. Bis zu 70 Ergebnisse pro Stunde sind damit möglich und bis zu 54 Parameter können in einem Lauf parallel untersucht werden.

In einem rheinischen Großlabor allerdings stand die Anlage immer wieder still. »Wir mussten innerhalb eines Jahres drei Geräte-PCs und zwei Modulplatinen austauschen«, berichtet Nils Hansen, Leiter der Abteilung Analysetechnik bei Euroimmun, »hinzu kamen mehrere Softwareabstürze und Dateifehler«.

Die Menge der Ausfälle war so auffällig, dass das Unternehmen daraufhin seine Service-Einsätze genauer betrachtete.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+
Bild 1: Laboranalysen müssen möglichst schnell erfolgen und immer mehr Parameter abdecken. Dies gelingt nur mit mehr Automatisierung, die allerdings oft die internen Stromnetze überlastet und zu Gerätefehlern führt.
Bild 1: Laboranalysen müssen möglichst schnell erfolgen und immer mehr Parameter abdecken. Dies gelingt nur mit mehr Automatisierung, die allerdings oft die internen Stromnetze überlastet und zu Gerätefehlern führt
© Michael Bührke, pixelio.de

Es stellte sich heraus, dass in Laboren mit hohem Automatisierungsgrad (Bild 1) doppelt so viele Reparaturen anfielen wie in kleineren Einrichtungen mit vergleichbarer Auslastung der Analyseautomaten. Doch was war die Ursache?

Durch die steigende Automatisierung im Laborbereich wird die Stromqualität zu einer zunehmend relevanten Größe. Denn neben kompletten Ausfällen stören auch immer häufiger weniger offensichtliche Mängel in der Stromversorgung den Betrieb: Bereits ein einzelnes, laufendes Gerät kann ein Grundrauschen in der Spannungskurve verursachen, das langfristig elektronische Bauteile angreift. Ebenso hinterlässt das Ein- und Ausschalten großer Stromverbraucher Schwankungen im Netz.

Vor allem in der binären Welt der Digitaltechnik ist das problematisch, da Störpotentiale auf dem Erdleiter fälschlicherweise als Bits erkannt werden können. »Diese Störungen sind wie Viren im Stromnetz«, erklärt Werner Karau, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des auf Stromqualität spezialisierten Unternehmens Powervar.

Bild 2: Messungen nach mehreren PC-Defekten in einem Großlabor zeigten, dass gehäufte Spannungseinbrüche und damit verbundene Störspannungen für die Ausfälle verantwortlich waren
Bild 2: Messungen nach mehreren PC-Defekten in einem Großlabor zeigten, dass gehäufte Spannungseinbrüche und damit verbundene Störspannungen für die Ausfälle verantwortlich waren
© Powervar

»Einfache Schutzsysteme helfen dagegen nicht. Viele Überspannungsfilter beispielsweise übertragen eine Spannungsspitze zwischen Phase und Null-Leiter nur auf die Ebene zwischen Erdung und Null-Leiter. Dort pflanzt sich die Störung aber weiter fort«. Da die Fehler im Netz von außen nicht zu erkennen sind, bekommen meist die Geräte die Schuld zugeschoben. Im betroffenen Großlabor ließ Euroimmun daher eine Woche lang die Stromqualität an der Geräteverteilersteckdose aufzeichnen.

Das Ergebnis war eindeutig (Bild 2): 113 signifikante Spannungserhöhungen, 38 Transienten sowie drei Spannungseinbrüche und eine Spannungsunterbrechung. Diese Störungen lösten die Probleme mit dem Analysegerät aus.

»An die Labornetze werden immer mehr und immer größere Verbraucher angeschlossen, für die diese Netze einfach nicht ausgelegt sind«, nennt Hansen die Ursache. »Hinzu kommt die Anzahl der verschiedenen Netzbetreiber und die damit verbundene unterschiedliche Stromqualität«.

Testsysteme für die Labordiagnose
Die 1987 gegründete Euroimmun AG ist heute ein großer Hersteller medizinischer Labordiagnostika. Im Vordergrund stehen Testsysteme, mit denen sich im Serum, Plasma oder Liquor von Patienten verschiedene Antikörper nachweisen und bestimmen lassen. Es stehen Testsysteme für über 800 Parameter zur Verfügung - für die Diagnostik verschiedener Autoimmunerkrankungen (z. B. Rheuma, Diabetes Typ I, Zöliakie) Allergien oder Infektionen etwa mit Campylobakter, Borrelien oder FSME-Viren). An Testmethoden werden vorwiegend indirekte Immunfluoreszenz, Mikrotiter-ELISA, verschiedene Blottechniken (Westernblot, EUROASSAY, EUROLINE, EUROLINE-WB) und alle Techniken oder Molekularbiologie eingesetzt. In Deutschland arbeiten über 400 Laboratorien mit Euroimmun-Diagnostika, international sind es über 3000. Der Hauptsitz von Euroimmun befindet sich in Lübeck, vier weitere Zweigstellen verteilen sich über das ganze Bundesgebiet. Hinzu kommen verschiedene ausländische Niederlassungen unter anderem in Großbritannien, Italien, China, den USA und Südafrika. Derzeit beschäftigt das ISO-zertifizierte Unternehmen in Deutschland 787 Mitarbeiter, weltweit nahezu 1050.

Verschiedene Schirm- und Schutzmodule

Bild 3: Die »Power-Conditioner« lassen sich mittels verschiedener Schutzkomponenten und Modelle auf die jeweiligen Bedürfnisse abstimmen und stellen hochqualitativen Strom so zur Verfügung, wie ihn die abgeschirmte Anlage benötigt
Bild 3: Die »Power-Conditioner« lassen sich mittels verschiedener Schutzkomponenten und Modelle auf die jeweiligen Bedürfnisse abstimmen und stellen hochqualitativen Strom so zur Verfügung, wie ihn die abgeschirmte Anlage benötigt
© Powervar

Um diese Störungen auszuschalten gilt es, die Analysegeräte vor dem schwankenden Laborstrom zu schützen. Zu diesem Zweck installierte das Unternehmen einen sogenannten »Power-Conditioner« vom Typ »ABCE« des Herstellers Powervar (Bild 3).

Weil diese Geräte aus mehreren Sicherheits- und Filterkomponenten zusammengesetzt sind, erreichen sie eine umfassendere Abschirmung als mit einer einfachen USV-Anlage. Im vorliegenden Fall kam ein »Uninterruptible Power Manager« zum Einsatz, der einen Überspannungsableiter, einen niederohmigen Trenntransformator, ein Rauschfilter gegen symmetrische Störspannungen und ein Batterie-Backup zur kurzfristigen Überbrückung von Stromausfällen beinhaltet.

Dank dieser Reserve läuft die Anlage im Störfall auch bei voller Last noch acht bis zehn Minuten weiter und kann so sicher heruntergefahren werden. Der Überspannungsschutz entfernt für die empfindlichen Platinen gefährliche Stromspitzen vollständig aus dem System, während der Trenntransformator Gleichtaktstörspannungen abfängt, die Computerfehler und Datenverlust verursachen können.

Bild 3: Um die empfindliche Elektronik des hochpräzisen »EUROIMMUN Analyzer I« vor Stromstörungen zu schützen, installiert der Hersteller seine Anlagen nur noch in Kombination mit einem Power-Conditioner (unten im Bild).
Bild 4: Um die empfindliche Elektronik des hochpräzisen »EUROIMMUN Analyzer I« vor Stromstörungen zu schützen, installiert der Hersteller seine Anlagen nur noch in Kombination mit einem Power-Conditioner (unten im Bild).
© Euroimmun

»Durch diese kombinierte Lösung liegen die maximalen symmetrischen Störspannungen zwischen Phase und Null-Leiter unter 3 bis 4 Volt und die Gleichtaktstörspannungen zwischen Null-Leiter und Erde unter 0,2 Volt«, führt Karau aus. Seit der Power-Conditioner im rheinischen Großlabor einfach zwischen Steckdose und Analysegerät eingesteckt wurde, sind die strombedingten Probleme verschwunden.

Inzwischen stattet Euroimmun jedes Gerät bei dessen Installation vor Ort mit einem solchen System aus (Bild 4) und hat auch ältere Geräte bei Kunden präventiv nachgerüstet.

Insgesamt sind die Serviceanfragen seit Einsatz der Technik laut Hansen um 25% zurückgegangen. Dennoch sei das Thema Stromqualität bei vielen Laboren noch nicht als Ursache möglicher Störungen bekannt.

Oft hilft dann nur die Spannungsaufzeichnung, um dem Kunden das eigentliche Problem vor Augen zu führen, wie Hansen erläutert: »Einige Labore haben daraufhin sogar ihre elektrischen Leitungen modernisiert, um auch langfristig den wachsenden Anforderungen an die Stromversorgung gerecht werden zu können«.

Über die Autorin:

Christine Gassel ist freie Journalistin.

Sichere Stromversorgung
Powervar wurde 1986 in Kalifornien gegründet und hat heute seinen Hauptsitz einschließlich der Fertigung und Entwicklung in Illinois. Deutschland und den mitteleuropäischen Markt betreut die Powervar Deutschland GmbH mit Sitz in Paderborn. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Geräte, die die Einhaltung von Grenzwerten elektrischer Eigenschaften und somit den stabilen Betrieb von elektronischen Systemen sicherstellen. Grundlage dieser Power-Conditioner ist Powervars »ABC-Prinzip«, nach dem die möglichen Schutzeinrichtungen modular zusammengestellt werden. Der Hauptmarkt des Unternehmens liegt im Bereich Analytik, Diagnostik und Medizin.

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Powervar

Weitere Artikel zu Medizinelektronik