Die Forscher in Stuttgart statteten ihren Mikropropeller mit derselben schleimlösenden Fähigkeit aus, indem sie ihn mit Urease beschichteten. Den derart präparierten Schwimmer testeten sie dann in Experimenten an der Magenschleimhaut von Schweinen, bei denen sie von Kollegen der Technischen Universität München unterstützt wurden. In einem harnstoffhaltigen Milieu manövrierten sie das Vehikel dabei mithilfe eines Magnetfeldes durch die Schleimhaut.
Allerdings mussten die Wissenschaftler noch zu einem weiteren Kniff greifen, weil zunächst Schleimhautbestandteile, die auf dem Propeller haften blieben, dessen Rotation behinderten. »Erst ein Zusatz von kleinsten Mengen Gallensäure sorgte für einen reibungslosen Vortrieb«, erklärt Debora Walker, die am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in der Gruppe »Mikro-, Nano- und Molekulare Systeme« forscht. Bei einem Einsatz ihres Mikrovehikels etwa in einem natürlichen menschlichen Magen wäre dies allerdings nicht nötig. »In der Magenflüssigkeit sind solche Salze natürlicher Weise in kleinen Mengen vorhanden«, so Debora Walker.
Die Forscher betonen, dass es damit erstmals gelungen sei, einen derartigen Mikroschwimmer auch durch ein zähes biologisches Medium zu manövrieren. Dennoch entsprachen die Modellbedingungen noch nicht exakt den Verhältnissen in einem menschlichen Magen. Beispielsweise sei das Milieu im Versuch weniger sauer gewesen, als dies den Verhältnissen im Magen entsprechen würde.
»Die Aktivität unserer Urease sinkt mit abnehmendem pH-Wert deutlich«, so Walker. Die Folge: Bei einem pH-Wert, wie er im Magen herrscht, hätte die Urease-Beschichtung der Mikroschraube schlicht zu wenig Ammoniak erzeugt, um den pH-Wert ausreichend anzuheben. Die Forscher haben aber schon Ideen, wie sie auch dieses Problem lösen können. Unter anderem denken sie darüber nach, ihr Vehikel mit einer porösen Struktur auszustatten. »Damit würden wir die Oberfläche erhöhen, könnten entsprechend mehr Fläche mit Urease beschichten – und so die Kapazität, Harnstoff in Ammoniak umzuwandeln, erhöhen«, so die Chemikerin weiter.
Sobald das Mikrovehikel einmal vollständig in der Lage sein wird, die menschliche Magenschleimhaut zu durchdringen, empfiehlt es sich auch als Taxi für pharmazeutische Wirkstoffe etwa gegen Magengeschwüre. »Die Wirkstoffe ließen sich dann direkt zu der Stelle in der Magenwand befördern, an der sie gebraucht werden«, erklärt Peer Fischer, in dessen Forschungsgruppe Mikro-, Nano- und Molekulare Systeme am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme die aktuelle Arbeit vorgenommen wurde.
»Das wäre ein völlig neues Konzept der Medikamentenaufnahme.« Nach einem ähnlichen Prinzip könnten sich auch gezielt pharmazeutische Substanzen durch die Schleimhaut der Vagina und eventuell sogar des Darms transportieren lassen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Einstweilen aber freuen sich die Forscher, nach dem Vorbild von H. pylori ein System konstruiert zu haben, das sich seinen Weg durch eine biologische Schleimhaut selbst bahnen kann.