Bitte wagen Sie eine Standortbestimmung in Sachen Digital Leadership für die Tech-Branche: Wie gut stehen die Chefs da auf einer Skala von 1 bis 10?
Ich habe leider keine speziellen Kenntnisse der Elektronikbranche. Insgesamt ist eine Festlegung innerhalb einer Skala eher schwierig, sicher sprechen wir aber von einer Positionierung von unter 5. Warum? Die Leader von heute sind selten durch die Digital Literacy gegangen. Es geht eben nicht darum, aus Aktenordnern von heute eine digitale Ablage von morgen zu machen. Es geht ums Denken in neuen Geschäftsmodellen, um das Führen von virtuellen Teams, um agile Projekt- und Unternehmenskonstellationen, um das Leben und Arbeiten im »always on«, um den flexiblen Umgang mit Herausforderungen am Arbeitsplatz unterschiedlichster Art.
Heutzutage sind Arbeitnehmer zunehmendem digitalen Dauerstress ausgeliefert. Stichwort ‚always on‘. Ist es auch Aufgabe des Führungspersonals, Mitarbeiter vor Online-Sucht zu beschützen oder ist das Privatsache? Wie könnten Unternehmen Mitarbeiter vor Krankheit bewahren?
In Deutschland gelten bereits mehr als fünf Millionen Menschen als süchtig oder suchtgefährdet. Dazu trägt auch immer mehr die moderne Arbeitswelt bei.
Besonders jüngere Berufstätige, Führungskräfte sowie Arbeitnehmer in IT- und naturwissenschaftlichen Berufen fühlen sich durch die Digitalisierung unter Druck gesetzt. Sie müssen mehr Aufgaben bewältigen, schneller arbeiten und sich kontinuierlich fortbilden, um der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden. Die Angst, etwas zu verpassen, ist groß: E-Mails, Fotos, Videos, Navigation, soziale Netzwerke, Shopping, vernetztes Zuhause, Bankgeschäfte – je mehr Aufgaben das Smartphone übernimmt, desto unersetzlicher wird es – sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld.
Durch die Möglichkeiten, zeitlich und räumlich unabhängig zu arbeiten, verwischen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. E-Mails noch nach Feierabend oder sogar im Urlaub beantworten oder in der Freizeit Social-Media-Kontakte aus dem Arbeitsumfeld pflegen, kann das Privatleben belasten und schränkt die notwendige Erholung ein. Hier ist die Selbstverantwortung der Mitarbeiter gefragt: Vor allem für diejenigen, die von flexiblen Arbeitszeiten und Homeoffice profitieren, sind Zeiten der Nichterreichbarkeit und der Ausgleich durch Sport, Aktivitäten mit der Familie und Hobbys wichtig.
Gleichzeitig steigt die Zahl derjenigen, die ihre Online-Sucht am Arbeitsplatz ausleben – was fatale Folgen haben und zu Arbeitsunfällen führen kann. Ein trauriges Beispiel ist der Fall des Zugunglücks von Bad Aibling, bei dem zwölf Menschen starben, weil der Fahrdienstleiter durch ein Online-Spiel auf dem Smartphone abgelenkt war.