Als Umfang des Angebots an Ingenieuren gilt bei den IW/VDI-Hochrechnungen allein die Zahl der registrierten Arbeitslosen in den entsprechenden Berufen. So würden aber bekanntlich längst nicht alle offenen Stellen tatsächlich der Arbeitsverwaltung gemeldet. Deshalb seien die bei den Arbeitsagenturen registrierten offenen Stellen nur ein eingeschränkt tauglicher Indikator für die Nachfrage nach Arbeitskräften.
Brenke hält es außerdem für nicht zulässig, die offenen Stellen mit einem ermittelten Multiplikator einfach hochzurechnen. Denn in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht seien nur solche offene Stellen zur Messung eines Fachkräftebedarfs relevant, die entstünden, wenn ein Betrieb sein Personal aufstocken wolle, oder weil Mitarbeiter aus der Erwerbstätigkeit hierzulande ausscheiden und ersetzt werden sollen. Oft seien Stellenausschreibungen aber nur auf Betriebswechsel zurückzuführen.
Ein Beispiel: Ein noch im Betrieb tätiger Arbeitnehmer hat gekündigt und so eine Stellenausschreibung ausgelöst. Dieser Mitarbeiter hat sich auf eine Stellenanzeige bei einem anderen Arbeitgeber beworben, die deshalb geschaltet wurde, weil in dessen Betrieb ein Beschäftigter gekündigt hat. Es wurden auf diese Weise mehrere offene Stellen ausgeschrieben, aber kein zusätzlicher Arbeitsplatz.
Was für die Nachfrage nach Arbeitskräften zutrifft, gelte auch für das Angebot. Auch hier gehe vieles an der staatlichen Arbeitsverwaltung vorbei. "Deshalb ist das Angebot viel größer als die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen.", schreibt Brenke. Neben den Betriebswechslern zählen dazu auch Personen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht arbeitslos gemeldet sind, etwa weil sie ihre Erwerbstätigkeit wegen der Kindererziehung, der beruflichen Weiterbildung oder wegen Krankheit unterbrochen haben – die aber dennoch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Hinzu kämen insbesondere Ingenieure, die gerade ihr Studium beendet haben und ohne Einschaltung der Bundesagentur eine Stelle suchen.
Zum Arbeitskräfteangebot in bestimmten Berufen gehörten außerdem auch Arbeitnehmer, die in ausbildungsfremden Jobs arbeiten. Speziell bei den Arbeitslosen sei zu bedenken, dass seit Anfang 2009 diejenigen Personen, die bei der Arbeitsverwaltung zwar vorstellig geworden sind, deren Vermittlung aber in die Hände privater Einrichtungen übertragen wurde, nicht mehr als Arbeitslose in der Statistik zu finden sind.
Brenke: "Die Nachfrage nach Arbeitskräften wird vom IW also durch die Multiplikation der amtlich gemeldeten offenen Stellen mit einem recht hohen Faktor bestimmt – wobei außer Acht bleibt, ob die gemeldeten Stellen in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht überhaupt einen Bedarf anzeigen, der über bloße Betriebswechsel hinausgeht.
Einen Mangel an Fachpersonal konstatieren die DIW-Experten dagegen für Ostdeutschland. Hier sei nach dem Wegzug vieler gut ausgebildeter junger Leute oft keine geeignete Kraft mehr zu finden.
Die Zukunftsaussichten für personalsuchende Arbeitgeber sind laut DIW gut. Es verweist auf die hohe Zahl der Ingenieurstudenten, speziell im Maschinenbaustudium. Dies sei inzwischen nach Betriebswirtschaft das beliebteste Fach. Pro Jahr werden nach der Schätzung des Experten allenfalls rund 9000 Jobs im Maschinenbau frei, weil ältere Arbeitnehmer in den Ruhestand gingen. Demgegenüber absolvierten allein im Wintersemester 2009/2010 mehr als 23.000 Studenten erfolgreich ihr Examen. Damit wäre nicht nur der Ersatzbedarf gedeckt gewesen - sondern es hätten zusätzlich acht Prozent mehr Ingenieure eingestellt werden können, rechnet das DIW vor. Anzeichen für einen solchen Beschäftigungsaufbau gebe es aber nicht.
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