DIW: Keine wissenschaftliche Grundlage zu Fachkräftelücke-Berechnungen

Warum das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung keinen Fachkräftemangel sieht

16. November 2010, 13:12 Uhr | Corinne Schindlbeck
Wie viele Ingenieure werden wirklich gesucht? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kann derzeit keinen Fachkräftemangel feststellen.
© VDI

Die deutschen Arbeitgeberverbände klagen seit Jahren über einen Mangel an Fachkräften und dadurch entgangene Wertschöpfung von drei Milliarden Euro allein 2009. Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) haben diese Klagen nun auf ihre wissenschaftliche Überprüfbarkeit untersucht. Ergebnis: Ein Mangel an Fachkräften ist nicht feststellbar.

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Spätestens seit der Hannover Messe im April dieses Jahres ist er in den Medien wieder präsent: der angebliche Fachkräftemangel. Trotz globaler Krise hätten 2009 immer noch 34.000 Ingenieurstellen nicht besetzt werden können, verkündete VDI-Direktor Dr. Willi Fuchs anlässlich der HMI und sprach damals auch die Folgen an: »Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir im Krisenjahr 2009 einen solch deutlichen Fachkräftemangel zu spüren bekommen. Tatsächlich sprechen wir von über 3 Milliarden Euro entgangener Wertschöpfung für die Bundesrepublik Deutschland«.

Laut neuesten Zahlen vom Oktober gibt es laut VDI-/IW-Ingenieurmonitor 66.700 offene Ingenieurstellen, was erneut einen Anstieg um knapp 4 Prozent im Vergleich zum Vormonat bedeute. Da die Zahl der arbeitslosen Ingenieure bei ca. 24.100 stagniere, sei die sogenannte Ingenieurlücke als Differenz aus offenen Stellen und arbeitslosen Ingenieuren auf insgesamt 43.000 Personen angestiegen. Die größte Zahl an offenen Stellen macht der VDI mit 23.400 im Oktober 2010 bei den Maschinen- und Fahrzeugbauingenieuren aus, bei den Elektroingenieuren waren es 15.000, bei den Bauingenieuren 12.000. Regional betrachtet gibt es die meisten offenen Stellen in Baden-Württemberg (14.800), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (13.400) und Bayern (9.100).  

Die Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sehen aber keine Anzeichen für einen grundlegenden Fachkräftemangel in Deutschland. Sie bemängeln, dass die Klagen der Arbeitgeberverbände über einen Fachkräftemangel wissenschaftlich nicht fundiert seien.

Die Arbeitgeberverbände errechnen und aktualisieren ihre Zahlen anhand von Umfragen in den Unternehmen sowie anhand von Daten der Bundesagentur für Arbeit. Doch das DIW bezweifelt die Aussagekraft der Hochrechnungen. "Ein Erkenntnisgewinn kann aus einem solchen Verfahren nicht resultieren.", schreibt DIW-Forscher Karl Brenke.

Der Arbeitsplatzabbau sei gerade erst zum Stillstand gekommen und im vergangenen August habe die Zahl der Beschäftigten in der Industrie um 300.000 unter dem Niveau vor der Krise gelegen – folglich könnten die Umfragewerte zum Fachkräftemangel nur eine begrenzte Aussagekraft haben. Allenfalls kurzfristige Probleme der jeweils Befragten könnten die Aussagen widerspiegeln, so Karl Brenke, Autor der Studie des DIW. Von einem grundlegenden Fachkräftemangel könne keine Rede sein. DIW-Forscher Karl Brenke begründet dies: „Es gibt mehr qualifizierte Arbeitslose, als offene Stellen für diese Qualifikationen vorhanden sind. Ausländische und deutsche Fachkräfte verlassen das Land, die deutschen Unternehmen reduzieren ihre Ausbildungsanstrengungen.“ Auch die Löhne als ein Knappheitsindikator seien bei Fachkräften zuletzt kaum gestiegen. „All das legt es nahe, die aktuelle Debatte nüchtern zu führen“, so Brenke.

Die vom IW angewandte Methode sei aus mehreren Gründen problematisch. "Das Institut der deutschen Wirtschaft hat versucht, aus einer Kombination aus Unternehmensumfragen und Daten der Bundesagentur für Arbeit das Angebot und die Nachfrage etwa bei Ingenieuren zu erfassen. So wird dabei auf der Basis einer relativ kleinen Stichprobe erhoben, wie viele Unternehmen ihre offenen Stellen für Ingenieure der Bundesagentur für Arbeit melden. Auf dieser Grundlage wird ein Faktor ermittelt, mit dem die bei der Arbeitsverwaltung  gemeldete Zahl der offenen Stellen hochgerechnet wird, um auf die gesamte Nachfrage nach Ingenieuren zu schließen. Zuletzt wurde der Faktor sieben verwendet – die Zahl der offenen Ingenieurstellen bei der Bundesagentur wurde also mit sieben multipliziert.

 

 


  1. Warum das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung keinen Fachkräftemangel sieht
  2. Warum das DIW die Hochrechnungen von VDI und IW kritisiert

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