Kommentar

Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo in der Mitte

18. November 2010, 12:31 Uhr | Corinne Schindlbeck

Wir sollten den Begriff "Fachkräftemangel" auf den Scheiterhaufen der "Un-Worte" verdammen. Denn er taugt höchstens noch als Aufreger für Schlagzeilen oder in Internetforen. Erhellender für die Diskussion ist es, genauer hin zu schauen.

Diesen Artikel anhören

So, nun ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung also zurückgerudert mit seiner These, der Fachkräftemangel sei eine Fata Morgana.  Wie peinlich, oder? Genüsslich weiden sich jetzt diverse Medien an dem Umstand, dass DIW-Chef Klaus Zimmermann im September doch noch genau das Gegenteil behauptet hat. Doch man sollte nicht vergessen, dass der unglückliche Herr Zimmermann zwar dem DIW vorsteht, die Studie aber vom wissenschaftlichen Referenten Karl Brenke ausgearbeitet worden ist.  Beide haben sich in letzter Zeit wohl nicht so häufig gesehen, geschweige denn sich zum Thema Fachkräftemangel ausgetauscht. Das sagt viel über interne Kommunikation, aber wenig zum Thema aus.

Nun hat der Ober den Unter gestochen: Mit dreitägiger Verzögerung gibt es nun eine weichgespülte Pressemitteilung, die beide Ansichten vereinen soll: »Kurzfristig« ist kein Fachkräftemangel feststellbar, »langfristig« sehr wohl. Vielleicht sollte mal jemand den „Fachkräftemangel“ zum „Unwort des Jahres“ vorschlagen. Sagen wir doch einfach, wie es ist: Unternehmen wollen sehr gute Ingenieure mit sehr guten Abschlüssen und ausgezeichneten Soft Skills einstellen, zu aus Arbeitgebersicht vernünftigen Gehältern. Von solchen Leuten wird es nie genug geben.

Was ist das Gute an der Studie des DIW? Die Kritik des Herrn Brenke an der Methodik des Institut der Deutschen Wirtschaft, regelmäßig seine "Fachkräftelücke" zu erheben. Andere – zu denen auch der VDE gehört, sagen schon lange, dass sie die Zahlen für etwas übertrieben halten.

So auch das IAB. Die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, das Institut für Arbeit und Berufsforschung, hat im vergangenen Jahr das Paradox zwischen zahlreichen arbeitslosen Jungingenieuren und Personal suchenden Unternehmen näher betrachtet. Und festgestellt: Sehr gute Ingenieure waren auch in der Krise durchaus Mangelware. In einer repräsentativen Untersuchung wurden die Profile von Neueinstellungen in den Ingenieursberufen genauer untersucht. Dabei fiel auf, dass viele Stellenangebote, nämlich 61 Prozent, für Jungingenieure gar nicht in Frage kamen, denn hier war längere Erfahrung in diesem spezifischen Berufsfeld erforderlich. In anderen Branchen wurde nur bei 47 Prozent der Neueinstellungen spezifische Erfahrung vorausgesetzt. Und: Ein Drittel der Stellenausschreibungen (36 Prozent) verlangte Zusatzkenntnisse, die man an der Uni nicht lernt - eine Barriere für Absolventen. Das IAB schloss aber auch gleich dem DIW "im Spagat": Langfristig wird der demographische Wandel zu wenige Ingenieursabsolventen zur Folge haben, um den Bedarf in Deutschland decken zu können, darüber „sei man sich in der Fachwelt einig“.

 


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Arbeitswelt