Das Problem fängt doch schon dabei an, dass die Aufgabenbeschreibungen nicht mehr dem entsprechen, was man wirklich braucht. Man verwendet nur noch Schlagwörter, die möglichst interessant klingen, um mehr Bewerbungen zu stimulieren. In meinem letzten Vorstellungsgespräch ist mir das besonders aufgefallen. Die Bedeutung und Inhalte von typischen Begriffen wie »Funktionsentwicklung« werden nicht formuliert und dargestellt, weil man davon ausgeht, dass der Begriff ja selbsterklärend ist. Je nach Fachgebiet können sich aber sehr unterschiedliche Arbeitsinhalte daraus ergeben.
Ein weiterer, scheinbar allgemeingültiger Begriff ist Consulting. Ich habe diverse Anfragen von Firmen und Headhuntern zurückweisen müssen, weil man versucht hat, Bodyleasing als Consulting zu verkaufen. In meinen Augen ist »echtes« Consulting eine Beratungsleistung, die aus dem Wunsch einer Verbesserung eines Produkts oder Prozesses heraus generiert wird. Die Anfragen bezogen sich aber nicht auf Beratungsleistungen, sondern Entwicklungsdienstleistungen. Präzise formuliert verlieren solchen Themen möglicherweise ihren Reiz.
Ein weiterer Aspekt ist das Generieren von Jobanfragen ohne klare Aufgaben. Man versucht Bewerber zu generieren, ohne zu wissen, an welche Stelle man sie setzen will, »nimm, was Du kriegen kannst…«. Das ist durchaus ein spannender Gedanke, da man pragmatisch herangeht und sagt, was habe ich und was kann ich daraus machen. Für den Bewerber aber stellt das ein mittleres Problem dar. Man weiß eigentlich nur noch, bei welcher Firma man sich beworben hat. Mindestens ein zweiter Gesprächstermin wird zwingend erforderlich und der Bewerber wird frustriert feststellen, dass das schöne Thema, auf das er sich beworben hat, ist in weite Ferne gerückt und man soll das machen, worauf man eigentlich überhaupt keine Lust hat.
Body-Leasing versaut den Markt ebenfalls. Es werden von Personaldienstleistern und Ingenieurbüros Themen ausgeschrieben, die noch gar nicht akquiriert sind. Bewirbt man sich auf die Stelle, kann es durchaus passieren, dass man völlig anders eingesetzt wird.
Ein weiteres Problem – man wird auf seinen Werdegang und seine bisherigen Tätigkeiten festgenagelt. Ein Weiterentwickeln steht außer jeder Betrachtung: »Der hat schon immer Testing gemacht, und wird es bei uns doch auch machen!«. Dass Testing aber nur EIN Schritt auf dem Weg des Berufslebens ist, wird nicht beachtet.
Ebenfalls schwer tut man sich damit, dass ein Bewerber ein für ihn unbekanntes Thema übernehmen könnte. Man will DEN Spezialisten für Schraube 5. Dass man sich mit Schraube 4 und 6 auskennt, qualifiziert ihn nicht für besagte Schraube 5. Da man aber sich – gerade im Automotive-Sektor – auf komplett neue Themen einstellen muss, wird das natürlich zum Problem.
Persönliche Entwicklung wird nur in der Hierarchie gesehen. Die Steigerung von Fachkompetenzen ohne Personal- oder Projektverantwortung ist nicht vorgesehen. Das Junior- und Senior-Prinzip wird – zumindest in meinem Sektor – flächendeckend vermieden. Warum eigentlich? Resultierend daraus ergibt sich, dass Erfahrungen nichts mehr zählen und Gehaltsanpassungen nur nach Hierarchie vorgenommen werden.
Die HR- (Human Ressources)-Fraktion verschärft in meinen Augen das Problem der undifferenzierten Anfragen nochmals. In sicherlich sehr teueren Seminaren wird der ideale Mitarbeiter definiert und später in den Ausschreibungen spezifiziert. Checklisten haben alle charakterlichen Merkmale sauber erfasst. Was jetzt aber kommt, ist ein Mensch mit allen Ecken und Kanten, mit mehr oder weniger Erfahrungen, Hard- und viel wichtiger – Softskills. Versucht man die jetzt in Deckung mit dem Idealbild zu bekommen, geht das gründlich schief und schon wieder gibt es einen Bewerber weniger, der eine eigentlich interessante Stelle besetzen könnte.
Spannenderweise wird bei den Softskills auf das bestehende Team (fast) gar nicht eingegangen. Zumindest in meinem Umfeld konnte ich beobachten, wie Teams durch unausgeglichene Persönlichkeitsstrukturen regelrecht zerstört wurden. Eingekauft“ wird der, der sich am besten präsentiert. Das sind leider auch oft die Egozentriker, die wenig teamfähig sind. Besteht ein Team nur noch aus Egomanen, gibt es mittelfristig ein Desaster. Die Aufgabe der HR-Abteilungen wäre, eine schöne Mischung aus stillen »Fach-Experten« und lauten „Agitatoren“ zu bilden.
Sehr spannend empfinde ich, wie man im Management mit diesen „Neuigkeiten“ umgeht. Man stellt die Sinnhaftigkeit fest, nickt zustimmend und ändert aber nichts. Schade.
Norbert Gloger, Ingolstadt (Name geändert)