Experten sind sich einig: Mit dem nächsten Aufschwung wird ein Rekordengpass an MINT-Ingenieuren entstehen. MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Die Politik und der nationale Pakt »Komm-mach-Mint« sollen helfen.
Während Deutschland bang darauf wartet, wie weit sich die Wirtschaftskrise noch auf den Arbeitsmarkt durchschlagen wird, kann sich zumindest eine Gruppe entspannen: Elektroingenieure und MINT-Fachkräfte. Nach OECD- und VDE-Studien kann Deutschland seinen Ersatzbedarf für in Rente gehende Ingenieure schon jetzt nur zu 90 Prozent decken. Bis 2014 werden jährlich im Schnitt 49.000 MINT-Akademiker in Rente gehen, ab 2015 jährlich 59.000. Bei anziehender Konjunktur wird der Bedarf der Unternehmen nicht mehr zu decken sein, prognostizieren Experten.
Besonders dramatisch war die Situation zuletzt im Aufschwungjahr 2008, als die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage nach Informationen des Instituts der Deutschen Wirtschaft auf 140.000 MINT-Fachkräfte angewachsen war. Derzeit wird die MINT-Lücke Monat für Monat kleiner – zuletzt im Juni lag sie bei 60.000 Stellen.
Sämtliche Experten sind sich jedoch einig, dass beim nächsten Aufschwung der Fachkräftemangel wieder da sein wird. Manche, wie Oliver Koppel und Axel Plünnecke, die den Arbeitskräftebedarf in Deutschland für das – arbeitgebernahe – Institut der Deutschen Wirtschaft untersucht haben, sprechen gar von einem »Rekord-Engpass«. Ein solcher sei »vorprogrammiert«, sagt auch Ingo-G. Wenke vom VDE-Ausschuss Beruf, Gesellschaft und Technik und Mitherausgeber des jährlich erscheinenden Ratgebers »Arbeitsmarkt Elektrotechnik Informationstechnik«.
»Unsere Umfrage unter Personalverantwortlichen bestätigt: Unternehmen, die ihre Belegschaft reduzieren oder halten wollen, ersetzen jedoch zumindest die Abgänge unter Elektroingenieuren«. Das liege zum einen am immer höheren High-Tech-Anteil der Industrieproduktion, an drängenden Lösungsforderungen für Umwelt, Mobilität und Energie, aber vor allem an der demographischen Entwicklung in Deutschland.
Die Not scheint so groß, dass nun die Politik gefordert wird. Reformen in der Bildung und ein nationaler Bildungspakt sollen es richten: »Komm, mach MINT.« Er soll das Bild der MINT-Berufe in der Gesellschaft verändern, junge Frauen für naturwissenschaftliche und technische Studiengänge begeistern sowie Hochschulabsolventinnen für Karrieren in der Wirtschaft gewinnen. Die Bundesregierung gibt drei Millionen Euro pro Jahr.
Gedacht wird dabei an drei Wege. Erstens: Die Zahl der Studienabbrecher soll reduziert werden. Zweitens soll der Zugang an die Hochschulen erleichtert werden (»Studieren ohne Abi«) und drittens: um Frauen stärker in MINT-Berufe zu ziehen, sollen die verschiedenen Anstrengungen bundesweit vernetzt werden. Vor allem Frauen sind in MINT-Fächern wenig präsent – obwohl es seit gut zehn Jahren verschiedenste Anstrengungen gibt, sie für Technik-Fächer zu begeistern. Mit eher geringem Erfolg. Die Ingenieurinnenquote liegt in Deutschland dennoch nur bei 11 Prozent - in anderen europäischen Ländern wie Schweden oder Bulgarien bei über 25 Prozent.
Frauen studieren Jura, BWL oder Sozialwissenschaften, aber – außer ein paar Hartgesottenen - nicht Elektrotechnik oder Maschinenbau. Einen der Gründe dafür hat Acatech, Akademie für Technikwissenschaften, kürzlich erforscht. Ergebnis: Ingenieurswissenschaften sind vielen zu schwer, auch Männer entscheiden sich deshalb lieber für andere Berufszweige. Zum anderen hakt es bei Frauen an der Vereinbarkeit mit der Familienplanung. Nur sieben Prozent der Ingenieurinnen sind der Meinung, dass sich Beruf und Familie gut vereinbaren lassen. Dies zeigt eine aktuelle VDI-Umfrage unter 500 Ingenieurinnen.