Jahrestreffen versus Dauer-Feedback

Hat das Mitarbeitergespräch eine Zukunft?

7. Juni 2017, 11:58 Uhr | Von Wolf von Dewitz, dpa
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Ist das Notensystem gut oder schlecht?

Der Betriebsrat befürwortet grundsätzlich die neue Art der Mitarbeitergespräche. Auch durch den Wegfall der Noten werde die Kommunikation mit dem Chef offener und zukunftsorientierter, sagt SAP-Betriebsrätin Sabine Deimel. »Der Mitarbeiter kann auch über eigene Schwächen und generelle Verbesserungsmöglichkeiten sprechen, ohne gleich eine schlechte Note zu riskieren.«

Allerdings hat Deimel die Befürchtung, dass es Schattenratings geben könnte – zum Beispiel im Zuge der individuellen Gehaltserhöhung durch den Manager. Das Notensystem habe früher für eine gewisse Transparenz und Klarheit gesorgt – der Mitarbeiter hatte bei einer Note die Möglichkeit zum Widerspruch, woraufhin der Betriebsrat eingeschaltet wurde. »Da es künftig keine Noten mehr gibt, fällt diese Möglichkeit weg«, sagt Deimel. Die Arbeitnehmer-Vertreterin betont zudem, dass das persönliche Gespräch wichtig bleibe.

Der Chef bekommt bei einem regen Austausch viel mehr Infos darüber, wie es läuft bei seinem Mitarbeiter. Das müssen sich auch Mitarbeiter klar machen. Und ist es nicht enorm zeitintensiv, all diese Infos zu lesen und zu beantworten? Personalchef Ries sagt, ein Chef könne das Feedback für den Mitarbeiter gut in seinen Arbeitsalltag integrieren. Ein klassisches Mitarbeitergespräch sei inklusive Vorbereitung und Protokollschreiben danach zeitaufwendiger.

Auch anderen IT-Konzernen ist ein Einmal-pro-Jahr-Treffen zu wenig. Hewlett Packard Enterprise (HPE) beispielsweise setzt auf Quartalsgespräche als Mindestvorgabe, kürzere Intervalle sind möglich. »Die Häufigkeit des Feedbacks ist situationsbedingt unterschiedlich und hängt unter anderem ab vom jeweiligen Reifegrad des Mitarbeiters, von der Art der Aufgabe oder der jeweiligen Projektphase«, sagt HPE-Personaler Ernst Reichart.

Ist das klassische Mitarbeitergespräch ein Auslaufmodell? Experten schütteln den Kopf. Elke Eller vom Bundesverband der Personalmanager bewertet es als wichtiges Instrument der Personalführung – vorausgesetzt, es wird richtig gemacht und kein Verwaltungsakt. »Es dient dazu, sich außerhalb des Tagesgeschäfts die Zeit zu nehmen, die Leistung eines Mitarbeiters zu beurteilen und strukturiert Feedback zu geben.« Parallel sei es aber unverzichtbar, sich gegenseitig laufend Feedback zur eigenen Arbeit und Führungsleistung zu geben – »sei es durch kurze Gespräche oder über digitale Tools«.

Arbeitssoziologin Sabine Pfeiffer von der Universität Hohenheim äußert sich eher skeptisch. Der Mitarbeiter dürfe nicht das Gefühl bekommen, ihm werde dadurch über die Schulter geguckt. Zwar sieht auch sie Schwachstellen im klassischen Mitarbeitergespräch. Aber: »Es hat auch gute Seiten, dass Führungskräfte - auch die schlechten - einmal im Jahr gezwungen sind, Themen systematisch und dokumentiert zu besprechen.«


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