Genau mit dieser Erkenntnis hat sie vor drei Jahren ein eigenes Unternehmen gegründet: platform3L steht für „LebensLanges Lernen“. Den Kern bildet das „Value Creation Framework“, das den Anwendern als Software as a Service angeboten wird. Die Idee besteht darin, es den Mitarbeitern zu ermöglichen, innerhalb des Value-Creation-Framework parallel zum Arbeitsprozess über den Tellerrand des Tagesgeschäfts hinaus sehen zu können. »Wir wollen den Lernprozess im Arbeitsprozess so verstecken, dass er die Neugierde der Mitarbeiter weckt, die plötzlich Spaß daran haben, Probleme lösen zu dürfen – und sehen, dass sie das auch erfolgreich tun können. Das wird dann gar nicht mehr als Arbeit empfunden.« Der Schlüssel liege in der intrinsischen Motivation.
Langwierige Ausbildungsprozesse, die den Mitarbeitern keinen Spaß machen und die nicht anwendungsnah umgesetzt werden können, wirkten dagegen einfach nur demotivierend, das viele Geld dafür ist rausgeschmissen.
Aber arbeiten große Unternehmen nicht mit agilen Startups zusammen und bilden sie nicht intern eigene Teams, die vom Tagesgeschäft unabhängig neuen Ideen nachgehen dürfen, um sie ins Unternehmen einzubringen? Was den Erfolg solcher Maßnahmen angeht, ist Riedmann skeptisch. Das Ziel vieler Startups bestehe inzwischen darin, für möglichst viel Geld übernommen zu werden. Da stehe viel Story-Telling dahinter, aber ob sich das Ganze dann tatsächlich umsetzen lässt oder als heiße Luft entpuppt, stelle sich erst später heraus. Und die Ergebnisse der vom Tagesgeschäft befreiten Teams, die an neuen Technologien entwickeln dürfen, krankten genau daran: Zu weit vom Tagesgeschäft und konkreten Wertschöpfungsprozessen entfernt.
Viel besser sei es, den Lernprozess parallel zum Arbeitsprozess stattfinden zu lassen. »Die Mitarbeiter der Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, bekommen regelmäßig E-Mails mit kleinen Innovationsimpulsen, bewerten die Einsatzmöglichkeit in ihrem Arbeitsumfeld und halten ihre spontanen Ideen fest, um damit die existierende Wertschöpfungskette verbessern zu können. Sie können dann neue Technologien nutzbringend anwenden und sehen schnell positive Effekte. Das wiederum trägt dazu bei, dass die Mitarbeiter neue Technologien nicht als riesige Hürde oder sogar als Bedrohung ansehen, sondern sie mehr und mehr positiv betrachten, als einfach zu nutzende Hilfsmittel, um Probleme zu lösen, von denen sie inhaltlich nicht viel Ahnung haben. Wer durch einen solchen Prozess schon einmal gegangen ist, für den fallen mentale Hürden.«
Umgekehrt bekommen die Unternehmen Rückmeldung über die Auswirkungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. »Die Mitarbeiter werden so zu strategischen Beratern des Unternehmens. Es bekommt nicht irgendetwas durch Berater von außen übergestülpt, sondern kann sich nachhaltig von innen heraus verändern, angestoßen von den Mitarbeitern, die Erfahrung haben und wissen, was in der Praxis funktioniert und was nicht.« Falls externe Experten benötigt werden, vermittelt sie platform3L, ein Vorgang, der in absehbarer Zeit ebenfalls automatisiert werden soll. Die Unternehmen sollen sich allein über das Framework je nach Fall entscheiden können, welche Experten sie hinzuziehen wollen, so das Ziel von 3L.
Dazu ein konkretes Beispiel: Die Verzinkereigruppe The Coatinc Company Holding aus dem Siegener Land stand vor dem Problem, dass die Angaben zu den Abmessungen der zu verzinkenden Objekte meist nicht sehr genau waren. Die Kunden meldeten telefonisch oder per Mail ihre individuell gefertigten Bauteile zur Abholung unter Angabe der geschätzten Lademeter an.