Werden sich die Elektrofahrzeuge gleich durchsetzen oder wird es einen Übergang mit Hybridfahrzeugen geben?
Jäger: Wir glauben, dass das heute zwei unterschiedliche Themenkreise sind. Sie werden in absehbarer Zeit nicht 500 km mit einem Elektrofahrzeug fahren können; diese rein elektrisch betriebenen Batteriefahrzeuge (BEV) werden in naher Zukunft wohl eher noch als Zweitfahrzeug oder von Pendlern eingesetzt. Von Hybridfahrzeugen sprechen wir dann, wenn es um Effizienzsteigerung geht. Meiner Meinung nach gibt es kein Entweder-Oder, sondern vielmehr ein Miteinander.
Helldörfer: Plug-in-Hybridfahrzeuge sind als Erstfahrzeug eine potentielle Lösung: Die tägliche Arbeitsstrecke oder kürzere Strecken, wie zum Einkaufen in die Stadt, können elektrisch gefahren werden und längere Strecken wie die Fahrt in den Urlaub können über den Verbrenner mit reduziertem CO2-Ausstoß bewältigt werden. Allerdings werden diese Plug-in-Hybride eine teure Angelegenheit, da mehrere Komponenten mit getragen werden müssen: Verbrennungsmotor plus Hybridmotor plus Batterie. Für größere Fahrzeuge ist das vor allem für die Übergangszeit sicher eine gute Lösung.
Grasshoff: Nehmen wir als Beispiel das Gesetz zu den Erneuerbaren Energien: Kaum war der finanzielle Anreiz geschaffen, gab es einen schnell wachsenden Markt mit hohem Volumen. Der Markt hat die Technologie vorangetrieben und damit einen Baustein für das Erfolgsmodell Deutschland im Bereich der Erneuerbaren Energien geschaffen. Der Erfolg hat sich durch den finanziellen Anreiz eingestellt.
Semikron ist ja auch im Bereich der Erneuerbaren Energien tätig. Wie hat sich dieses Gebiet in den letzten zehn Jahren gewandelt?
Grasshoff: Das Wachstum in diesem Bereich ist wesentlich stärker als in anderen Märkten. Im langfristigen Mittel wächst der Standard-Industriemarkt zwischen 12 und 15 Prozent, die Windenergie aber um 25 Prozent. Das sehen wir auch am Umsatzanteil: Zurzeit sind die Erneuerbaren Energien der zweitgrößte Markt für Semikron, in diesem Jahr werden sie zu unserem größten Markt werden, gefolgt vom Industriebereich.
Spüren Sie Auswirkungen von der Katastrophe in Japan?
Grasshoff: Im Moment noch nicht, aber Windprojekte laufen in der Regel über drei bis vier Jahre. Die Tendenz ist klar erkennbar: Es wird mehr Projekte geben; auch gibt es mehr Anbieter für Windkraftanlagen. Den Effekt eines Zusatzbedarfes werden wir in spätestens vier Jahren durch den entsprechenden Planungsvorlauf sehen.
Die dena-Studie zeigt, dass im Re-Powering von bestehenden Anlagen ein enormes Potential steckt.
Grasshoff: Vor allem für Deutschland ist das ein interessanter Punkt. Hier gibt es viele Anlagen mit 500 kW bis 750 kW; rüstet man diese auf 3 MW auf, so lässt sich die Energieausbeute des Standortes vervielfachen. Und es stellt sich nicht die Frage nach neuen Standorten; allerdings gilt es noch, das Entsorgungs-Thema zu lösen: Vom Fundament über den Masten bis hin zu den Rotorblättern muss alles neu installiert werden.
Laut dem bayerischen Umweltminister Söder werden die bayerischen Staatsforste verstärkt für den Aufbau von Windparks genutzt. Dadurch ergeben sich jetzt sehr viel mehr Möglichkeiten, auch neue Windkraftanlagen zu bauen. Der Einsatz der modernsten Anlagen scheitert heute in den meisten Fällen an den Höhenbegrenzungen der Länder und Gemeinden. Diese liegen häufig bei einer Gesamthöhe von 100 Metern. Dies entspricht der Höhe der Münchener Frauenkirche (98,5 m). Durch die Nutzung der Staatsforste als Standort für Windkraftanlagen kann der rentable Bau von Großanlagen der Multi-Megawatt-Klasse damit stark forciert werden.
Aber Deutschland repräsentiert lediglich 4 Prozent des Gesamtmarktes und daher ist Semikron seit langem weltweit tätig. Für uns ist also vor allem der globale Markt wichtig. Nur um einmal eine Zahl zu nennen: Deutschland hat eine installierte Leistung von ca. 30 Gigawatt, der Zuwachs im Jahr 2010 betrug 1,5 Gigawatt; in China werden pro Jahr 18 bis 20 Gigawatt neu installiert.
Welche Aufgaben kommen auf die Leistungselektronik in den Bereichen Erneuerbare Energien und Elektromobilität noch zu?
Grasshoff: Zur letzten PCIM haben wir erstmals kein Produkt, sondern mit SKIN eine innovative Technologie vorgestellt, die für viele Anwendungen eingesetzt werden kann. Mit der SkiN-Technologie ist es möglich, hoch integrierte und sehr zuverlässige Systeme zu entwickeln. Damit erschließen sich neue Anwendungsgebiete wie Off-Shore-Windkraftanlagen und Kfz-Anwendungen.
Jäger: Letztlich geht es immer darum, Kosten und Baugrößen zu reduzieren sowie Effizienz und Zuverlässigkeit weiter zu steigern.
Sind neue Materialien wie SiC eine Option?
Grasshoff: Das Thema SiC ist eng mit den Kosten sowie dem Return on Investment verbunden. Es ist so: SiC rechnet sich heute bereits für bestimmte Anwendungen. Das sind im Wesentlichen Solarwechselrichter bis zu 10 kW und Medizin-Equipment bzw. medizinische Stromversorgung, wo höhere Schaltfrequenzen benötigt werden. Durch höhere Schaltfrequenzen sind Kosteneinsparungen in der Peripherie, wie beispielsweise Filter, möglich und bei Solarwechselrichtern ist ein höherer Wirkungsgrad erzielbar. Die Penetration in andere Anwendungen wie den Industriebereich hängt von den Kosten ab.
Und GaN? Ist das nicht etwas für Anwendungen bis 600 V?
Grasshoff: Nicht unbedingt. Es gibt auch GaN-Bausteine für 1200 V und darüber. Der große Vorteil von GaN ist, dass es als epitaxiale Schicht auf ein Trägermaterial aufgewachsen wird und so kostengünstiger hergestellt werden kann. Mittlerweile gibt es viele Stimmen, die eher für GaN eine Zukunft voraussagen als für SiC. Viele reden über SiC, aber keiner produziert wirklich große Stückzahlen für Industrie- oder Fahrzeuganwendungen. Wir sind offen gegenüber diesen Materialien und arbeiten eng mit den Herstellern zusammen.
Aber Sie sehen noch nicht die große Zukunft darin?
Jäger: Wir sehen im Moment kein Projekt mit hohem Volumen, das den unbedingten Einsatz von SiC oder GaN erfordert.
Grasshoff: Automotive ist ein sehr preisgetriebener Markt. Hier sprechen wir mit Kunden, die keinesfalls bereit sind, ein Vielfaches für ein Modul zu bezahlen.
Jäger: Der Hebel hier ist eher, das Produkt genau an die Spezifikation der OEMs anzupassen, „Over-Engineering“ zu vermeiden und über höhere Integration Kosten zu senken. Die Kompetenzen dazu haben wir im Haus.