Interview mit Frank Hansen, Regional Vice President DACH bei SILICA

»Der Industrie-4.0-Markt wird gerade großgeredet«

20. April 2015, 10:09 Uhr | Frank Riemenschneider
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Intel vs. ARM aus Distributionssicht

Elektronik: Intel und ARM laufen ja auch zunehmend in eine Konkurrenzsituation hinein. Haben Sie schon Kunden, die bislang Intel- bzw. ARM-basierte Technologie eingesetzt haben und jetzt sagen, ich möchte mir mal das jeweils andere anschauen?

Hansen: Eines ist klar: Sie verkaufen keine Intel-High-End-Designs mehr an Einzelkunden, das ist vorbei. Die Komplexität der Prozessoren, die Komplexität der Software ist für viele Kunden nicht mehr handelbar. Für sie gibt es Listen mit 10 oder 15 Board-Herstellern weltweit, die dann die ganzen Designs machen, wie z.B. MSC, CongaTec, TQ Systems u.s.w. Über diesen Kanal vertreibt Intel neue Designs. Wir haben keine Industrie-Kunden mehr außer den ganz Großen wie z.B. Beckhoff, die sich noch selbst um Intel-Designs kümmern. Wenn Sie sich die Websites der Board-Hersteller anschauen, haben die auch ARM-Linien z.B. mit Freescales i.MX6 oder anderen hochperformanten ARM-basierten MPUs. Auch im ARM-Universum kaufen Industriekunden über die Boardhersteller, weil sie selbst die Komplexität nicht mehr beherrschen. Wir sehen insgesamt keine neuen Kunden mehr, die nicht diesen Weg über die Board-Hersteller gehen.

Elektronik: ARM hat ja mit dem Cortex-M7 eine extrem leistungsstarke Mikrocontroller-CPU vorgestellt, sehen Sie dafür überhaupt schon einen Bedarf?

Hansen: Mit dem Cortex-M7 wächst die MCU in Bereiche rein, die zuvor von Applikationsprozessoren bedient wurden. Die Hersteller sind hier gefragt, eine ganz klare Positionierung anzubringen, z.B. müsste Freescale beantworten, wo hört Kinetis auf und wo fängt Cortex-A an. Ich sehe die Gefahr einer Vermischung, wir positionieren z.B. bei Motion-Control-Anwendungen Layerscape oder QORIQ, weil es eine Roadmap nach oben gibt. Viele Kunden wollen skalierbare Anwendungen mit einer Plattform abdecken.

Elektronik: Differenzierung über Software ist dann das Thema?

Hansen: Genau, ich will Ihnen ein Bespiel aus meiner Altera-Zeit nennen. BMW hatte seinerzeit in seinen 3er-, 5er- und 7er-Modellen exakt dasselbe FPGA, natürlich in riesigen Stückzahlen, aber die Software war natürlich jeweils abgestuft in der Funktionalität.

Elektronik: Ein Hersteller, der sich dem ARM-Universum bislang verschlossen hat, ist Microchip. MIPS entwickelt seine MCU-CPUs für genau einen Kunden, nämlich Microchip, während ARM für ein Dutzend Hersteller entwickelt. Wie sehen Sie diese Strategie von Microchip?

Hansen: Unsere Fokussierung bezüglich Microchip liegt im Analog- und Mixed-Signal Bereich, der PIC ist quasi die Dreingabe, mit der wir unser MCU-Portfolio gut ergänzen können. Microchip setzt seine Strategie, seine Eigenausrichtung, nicht auf den PIC auf, das sieht man schon daran, dass auch MCU-Lösungen ohne PIC angeboten werden.

Elektronik: Zwei Ihrer Lieferanten haben ja den Kauf des einen durch den anderen angekündigt: NXP kauft Freescale…

Hansen: Hat Sie das überrascht?

Elektronik: Nun, beide Firmen sind ja nicht gerade durch kerngesunde Bilanzen bekannt, Sie als BWLer wissen ja viel besser als ich, was der identische Hauptinvestor beiden für Schulden aufgeladen hat…

Hansen: Jetzt will er richtig Kasse machen!

Elektronik: Was sagen denn Ihre Kunden zu dem Kauf?

Hansen: Die Kunden stellen natürlich Fragen: Was bedeutet das jetzt für mich bzw. die Produktlinien? Es gibt natürlich Bereiche, wo Freescale sehr stark ist: Security, Automotive, Netzwerk. NXP ist sehr stark bei RFID, NFC und Chipkarten, im MCU-Bereich ist das Portfolio nicht das Breiteste, dafür tun sie viel im Bereich Automotive-Konnektivität. Immerhin fokussiert NXP ja außer Broadcom als einziger Hersteller Ethernet im Auto. Dazu kommt noch Car2Car und Car2X. Also, ich finde, das passt gut zusammen. Aber ganz ehrlich, ich glaube wir waren alle etwas überrascht, wer Freescale gekauft hat, dass sie gerne gekauft werden wollten, war ja ohnehin bekannt.


  1. »Der Industrie-4.0-Markt wird gerade großgeredet«
  2. Wie kann ein Distributor wirtschaftlich erfolgreich kleine Kunden bedienen?
  3. Intel vs. ARM aus Distributionssicht
  4. Ein trauriges Thema: Industrie 4.0
  5. Infineon kauft International Rectifier: Top oder Flop?

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Avnet Silica

Weitere Artikel zu Mikrocontroller