Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Josef Lutz

Japan, du hast es besser

29. April 2015, 8:57 Uhr | Ralf Higgelke
Prof. Dr.-Ing. Josef Lutz lehrt Leistungselektronik und elektromagnetische Verträglichkeit an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik an der TU Chemnitz
© TU Chemnitz

In Deutschland besteht ein Defizit an Kenntnis der Leitungselektronik in der Allgemeinbildung. Durch Über einen längeren Zeitraum wurden dringend erforderliche Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen im Bereich der Leistungselektronik nicht angemessen unterstützt. Wie es besser geht, zeigt Japan.

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Japan führt Leistungselektronik unter dem Stichwort »Green Electronics«. Auch Begriffe wie »Nachhaltige Elektronik« oder »Öko-Elektronik« werden verwendet. Man findet Hochglanzbroschüren zum Thema. Forschung und Entwicklung in der Leistungselektronik werden intensiv gefördert, auch im Rahmen großer staatlich unterstützter Forschungscluster. Darüber hinaus ist ein Bewusstsein über die Bedeutung der Leistungselektronik für die Entwicklung der Gesellschaft vorhanden.

Auch die Halbleiter-Bauelemente als Schlüsselkomponenten sind erkannt. Man geht davon aus, dass die künftige Lebensart und Verhaltensweisen einer »intelligent elektrifizier-en Gesellschaft« entsprechen. Und die Leistungsbauelemente sind zuständig für die Effizienz, das heißt für einen hohen Wirkungsgrad der einzelnen Anwendung. Sie sind Schlüsselkomponenten in verschiedenen Feldern.

Da ist zunächst das Elektrofahrzeug. Die Leistungselektronik stellt den Frequenzantrieb des Elektromotors. Ein hoher Wirkungsgrad führt zu niedrigerem Energieverbrauch und höherer Reichweite. Dann sind da als Nächstes die vielen Motoren in Industrie und Haushalt. 55% der elektrischen Energie in Deutschland wird in Motoren umgesetzt. Intelligente Regelungen senken den Energieverbrauch im Produktionsprozess, ein hoher Wirkungsgrad reduziert die Verluste. Leider hat aber die Energieeffizienz noch nicht ausreichend Beachtung bei der Initiative »Industrie 4.0« gefunden, die auf Produktionsverfahren der Zukunft abzielt.

Das größte ökologische Potenzial und das stärkste Wachstumsfeld der Leistungselektronik bestehen bei Industrieanwendungen. Dann sind da im Weiteren die vielen Stromversorgungen der Informationstechnik, der Datenzentren usw. Der Stromverbrauch der Informationstechnik soll sich bis 2025 verfünffachen. Höchster Wirkungsgrad der leistungselektronischen Stromversorgungen ist gefragt.

Schließlich besteht hoher Bedarf hinsichtlich der Ertüchtigung unseres Stromnetzes, damit es viele fluktuierende regenerative Erzeuger aufnehmen und die Leistungsflüsse intelligent steuern kann. Dazu bedarf es einer Regelung der Leistungsflüsse, der Abstimmung von Erzeugern, Speichern und Verbrauchern sowie der Stellung und Kompensation von Blindleistung und Oberschwingungen, was durch die Leistungselektronik realisiert werden kann.

Bezüglich der Ertüchtigung unseres Stromnetzes wird von dem Ausbau durch Großprojekte gesprochen – deren Kosten anschließend dem Verbraucher auferlegt werden. Und unter intelligentem Netz (Smart Grid) wird im Wesentlichen Ergänzung des bestehenden Stromnetzes durch Informationstechnik gesehen. Das ist absolut verkürzt. Ein Rechner allein hat keinerlei Fähigkeit, in den Bereich des Starkstroms einzugreifen. Was wir benötigen, sind Aktuatoren im Netz auf Basis leistungselektronischer Systeme, die Eingriffe erst ermöglichen.

Doch in Deutschland hapert es nicht nur an der Bekanntheit, sondern auch beim technischen Verständnis. So musste ich doch vor kurzem in der Tageszeitung zum Thema Elektromobilität lesen: »Das Herzstück des Elektromobils ist nicht mehr der Verbrennungsmotor, sondern die Batterie«. Leider ist das kein Einzelfall.

Wenn Journalisten das so verkürzt sehen, dann haben vermutlich auch unsere Politiker und andere Entscheidungsträger dasselbe Problem. Warum ist das in Japan anders? Nun, so erklärte ein japanischer Kollege, es gibt dort vier große Global Player, die Bauelemente der Leistungselektronik herstellen, in Deutschland dagegen nur einen. Sollte es alleine daran liegen? Das kann nicht alles sein, denn in Deutschland und angrenzenden Ländern gibt es sehr viele Unternehmen in der Aufbau- und Verbindungstechnik, der Systemtechnik, der Anwendung. Wenn wir sie alle zusammennehmen, kommen wir wohl auf einen ähnlichen Umfang an Wertschöpfung.

Wir haben noch ein Defizit an Information, an technischer Kenntnis in der Allgemeinbildung. Wir haben auch noch eine starke Schieflage in der Förderung. Durch die Dominanz der Informationstechnologie wurden über einen längeren Zeitraum dringend erforderliche Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen im Bereich der Leistungselektronik nicht angemessen unterstützt. Der Anteil der staatlichen Forschungsförderung für Leistungselektronik liegt weit unter ihrem Anteil an der Wertschöpfung der Zukunft. Vielleicht ist der in Japan verwendete Begriff der »grünen Elektronik« gar nicht so schlecht, um zum notwendigen Umdenken beizutragen.


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