Industrieserver mit AMD-EPYC-Prozessoren

Pinbelegung von COM-HPC-Modulen erweitern

28. Januar 2024, 8:30 Uhr | Von Claus Giebert
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Computermodule im COM-HPC-Standard können das Entwickeln von Industrieservern deutlich beschleunigen. Jedoch unterstützen AMDs EPYC-Prozessoren mehr PCIe-Lanes als der Standard vorsieht. Advantech hat dieses Bottleneck beseitigt und die CPUs für Edge-Serverdesigns verwendet.

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Typische Anwendungen für COM-HPC-Servermodule finden sich in vielen Bereichen, beispielsweise in industrieller Netzwerktechnik wie VPN-Gateways und Firewalls mit hohen Datendurchsatzanforderungen von bis zu 100 Gigabit Ethernet (GbE) und schnellem Pufferspeicher. Außerdem im Bereich der Telekommunikation, in kritischen Edge-Infrastrukturen wie 5G-Basisstationen sowie in komplexen gemischt-kritischen Industrie-4.0-Edge-Servern oder Radar- und Sonaranwendungen im Sicherheits- sowie Verteidigungsbereich.

Das Verwenden von Computer-on-Modules (CoMs) ist in der Embedded-Computer-Branche zum Standard geworden. Sie kommen immer dann zum Einsatz, wenn bei industriellen Losgrößen ein dediziertes Systemdesign erforderlich ist. Kunden sparen sich den Integrationsaufwand des Computing Cores. Sie erhalten mit CoMs vielmehr ein funktionsvalidiertes Board Support Package (BSP), das auf das umfassende Featureset der Module abgestimmt ist. Es sind nur noch das Carrier Board zu entwickeln und seine dedizierten Schnittstellen zu integrieren. Modullieferanten wie Advantech, der einer der führenden Embedded-Computing-Hersteller mit über 8.900 Mitarbeitern weltweit und davon rund 600 in Europa ist, stellen hierzu zusätzlich umfassende Design-in-Services zur Verfügung.

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Dienstleistungen rund um die Module

Dienstleistungen rund um die Module umfassen beispielsweise das Überprüfen der kundenspezifischen Carrier-Board-Layouts sowie den Support bei der Integration von Treibern und Bibliotheken für die individuellen Peripherien. Das Servicepaket reicht – je nach Stärke der Entwicklungsmannschaften der Lieferanten – bis hin zum Entwickeln des Carrier Boards oder gar des gesamten Systems. Sehr hilfreich sind zudem BIOS-Anpassungen, das Entwickeln kundenspezifischer Kernel und Betriebssystem(BS)-Images sowie alles, was an hardwarenaher Software nötig ist. Schlussendlich können OEMs bedarfsgerecht Zusatzservices rund um die Module ordern, die bis hin zu kompletten Design- und Manufacturing-Services kompletter Systeme reichen. In der Serienfertigung wird bei Bedarf sogar die Applikationssoftware mitinstalliert, sodass komplett validierte Systeme geliefert werden, die nur noch montiert und angeschlossen werden müssen, um sie sofort booten und in Betrieb nehmen zu können. Auch das Monitoring solcher Systeme wird zunehmend as a Service angeboten, sodass OEMs Applikationen für die Wartung der Systeme erhalten oder gar voll in die Hand der Embedded ODMs (Original Design Manufacturer) legen können.

Was jedoch, wenn Standardmodule und all die begleitenden Services für den gewünschten Prozessor nicht verfügbar sind? Muss man dann in den sauren Apfel beißen und ein Full-Custom- Design in Kauf nehmen? Oder ist der Weg, ein Standard-Motherboard zu kaufen, das viel zu viele nicht benötigte Schnittstellen hat, um dann die Funktionen, die es nicht hat, über Erweiterungskarten zu integrieren? Beide Wege sind oft deutlich teurer: der erste in der Entwicklung, der zweite in der Serie. Also dann doch einen anderen Prozessor nehmen? Auch diese Entscheidung ist nicht optimal, wenn Preis und Leistung des bevorzugten Prozessors die beste Wahl sind – schließlich ist er neben dem RAM die mit Abstand teuerste Komponente in einem Serverdesign und schlussendlich ausschlaggebend für die Kosten für den Kunden und damit die Absatzchancen des OEM.

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Auch Commercial-off-the-Shelf verfügbar

Advantech bietet mit dem »AIMB-592« (Bild) auch ein Server-Grade-Motherboard der AIMB-Serie an. Im Micro-ATX-Formfaktor ausgeführt, nutzt es Prozessoren der AMD-EPYC-7003-Serie der 3. Generation sowie vier stahlverstärkte PCIe-4.0-x16-Steckplätze. Das Board unterstützt bis zu 64 CPU-Kerne und 768 GB Onboard-Speicher über sechs DDR4-RDIMM-Steckplätze, außerdem 256 MB L3-Cache. Es verfügt über zwei 2,5/10-GbE-LAN-Schnittstellen und Slimline-Funktionen. Hiermit erhöht sich die Netzwerkbandbreite und Big-Data-Cloud-Dienste sind bei maximaler Übertragungseffizienz möglich.

Advantechs industrielles MicroATX Motherboard »AIMB-592« mit AMDs EPYC-7003-Prozessor
Advantechs industrielles MicroATX Motherboard »AIMB-592« mit AMDs EPYC-7003-Prozessor
© Advantech

Außerdem bietet es intelligente Fernverwaltungsdienste über IPMI 2.0, um die Gerätesicherheit und -überwachung zu verbessern. Mit seinen PCIe-Steckplätzen mit einer Bandbreite von 152 GB/s sind Machine-Learning- und Deep-Learning-Applikationen im Edge-Bereich implementierbar. Zudem unterstützt es Beschleunigerkarten. Weiterhin verfügt das Board über einen integrierten M.2-M-Key, der NVMe-SSDs unterstützt. Es ist bereits bestellbar. Entwicklerteams, die das Produkt in einer maßgeschneiderten Variante benötigen, bietet Advantechs europäisches Design- und Manufacturing-Services(DMS)-Team eine breite Palette lokaler Design- und Fertigungsdienstleistungen, um dieses Board ebenfalls kundenspezifisch anzupassen. Selbstverständlich stehen auch hier alle weiteren Dienstleistungen zur Verfügung, die Advantech bei CoMs anbietet.

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Auf Kernfunktionen besinnen

Damit Entwickler bei AMDs EPYC-Embedded-7003-Serverprozessoren nicht vor diesem Kostendilemma stehen, hat Advantech sie auf COM-HPC Computer-on-Modules verfügbar gemacht. Gleiches hätten vermutlich auch schon weniger schwergewichtige Anbieter getan, wenn es die PICMG-Spezifikation bereits in seiner Basisspezifikation zuließe – das ist bislang jedoch nicht der Fall. Vielmehr spezifiziert COM-HPC Server lediglich 65 PCIe Lanes, während die EPYC-Prozessoren der 7003er-Serie deutlich mehr PCIe Lanes [1] bieten. Die Entwickler des Standards haben sich hier wohl zu sehr an anderen Prozessorherstellern orientiert und mehr dedizierte Schnittstellen vorgesehen – die jedoch nicht jeder Edge-Server braucht. So sind beispielsweise bis zu acht 25-GbE-Kanäle oft nicht erforderlich, wenn Speicher oder KI-Beschleuniger die Kernfunktion des Edge-Servers in einem Cluster von Servern darstellen sollen. Hier war AMD deutlich sensibler bei der Auslegung seiner Prozessoren und hat durch deutlich mehr generische PCIe-Lanes das Anwendungsfeld seiner Serverprozessoren universeller anwendbar gemacht.

Advantech hat diesen Ansatz auf seine COM-HPC-Servermodule portiert und dafür diese Lanes umgemünzt, bei denen sich die Prozessordesigns der unterschiedlichen Hersteller unterscheiden. Wandeln OEMs diese nun mit PCIe belegten Pins auf dem Carrier Board zu GbE-Signalen um, die dafür vorgesehen sind, können sie sogar Carrier Boards entwickeln, die mit wenigen Designänderungen – also dem Weglassen der Ethernet-Controller auf dem Carrier Board – den Wechsel des Prozessorherstellers wieder zulassen.

Der Ansatz von Advantech beschreibt damit einen zukunftssicheren Weg, der bei einem Prozessorwechsel nicht einmal ein neues Carrier Board nötig macht, denn schlussendlich wird AMD Nachfolger für diese Serverperformanceklasse entwickeln. Sicherlich: Volle Skalierbarkeit des Carrier Boards über alle Prozessorhersteller hinweg ist das zwar nicht. Aber ohne diesen sehr pragmatischen Kompromiss könnten OEMs die EPYC-Embedded-7003-Prozessoren und zukünftig vielleicht auch die 9004er-Prozessoren nicht auf applikationsfertigen COM-HPC-Modulen erhalten. Ihnen wäre damit ein hervorragender Lösungsweg für aktuelle Edge-Serverdesigns verwehrt, die ein dediziertes Systemdesign in industriellen Losgrößen benötigen.

Die Serverperformance der EPYC-Embedded-Prozessoren mit bis zu 64 Cores und 128 Threads ist beispielsweise dafür ausgelegt, Echtzeitclouds für den On-Premises-Einsatz zu entwickeln oder Knotenpunkte für echtzeitfähige 5G-Netze. Diese sind derzeit sowohl in der Industrie als stationäre Campusnetze aber auch als mobile, also überall einsetzbare Netze für Rettungs- und Sicherheitsaufgaben sehr gefragt. Weitere Anwendungsfälle sind Storage- und Machine-Learning-Plattformen am Edge – genau für die Applikationen mit künstlicher Intelligenz sowie Si- gnal- oder Videobearbeitung ist es sehr attraktiv, viele generische PCIe-Lanes zu haben, anstelle zahlreicher dedizierter GbE-Kanäle. Genau hierfür ist das »SOM-E780« prädestiniert

Eigens entwickeltes Pinout

Advantechs COM-HPC-Server-Size-E-Modul »SOM-E780« mit AMDs EPYC-7003-Prozessoren
Advantechs COM-HPC-Server-Size-E-Modul »SOM-E780« mit AMDs EPYC-7003-Prozessoren
© Advantech

Mit seinem zum Prozessor optimal zugeschnittenen Pinout, das ansonsten voll dem Standard von COM-HPC entspricht, unterstützt das COM-HPC-Modul SOM-E780 (Bild) von Advantech insgesamt bis zu 79 PCIe Gen4-Lanes.

In Verbindung mit dem passenden Carrier Board »SOM-DH7000« lassen sich so bis zu vier I/O-Ports mit je 16 Lanes nutzen. Diese können Entwickler beliebig in Kanäle mit acht oder vier Lanes aufteilen. Außerdem können sie sie für jegliche Art von Controller, (KI)-Beschleuniger, optische oder Ethernet-Kommunikation mit bis zu 100 Gbit/s nutzen. So lassen sich modulare Server für leistungs- und durchsatzstarke Applikationen wie künstliche Intelligenz, Signal- oder Videobearbeitung einfach und schnell realisieren. Weiterhin stehen weitere 14 x1-Lanes bereit, eine zusätzliche x1-Lane ist für den COM-HPC-kompatiblen Board-Management-Controller (BMC) reserviert.

Über zwei SATA-3.0-Anschlüsse lassen sich des Weiteren konventionelle Massenspeicher einbinden. Weitere Möglichkeiten bieten je vier USB-3.2-Gen1- und USB-2.0-Anschlüsse, ein SPI-Bus, ein 12-bit-GPIO-Port, zwei COM-Ports, zwei SMART-Fan-Anschlüsse – je ein Port auf dem COM-HPC-Modul und auf dem Carrier Board – ein Watchdog-Timer und ein optionales TPM-2.0-Modul. Die Stromversorgung erfolgt über einen ATX-Anschluss mit 5 oder 12 V mit ±5 Prozent Genauigkeit, der robuste Aufbau verträgt Vibrationen bis 3,5 G (5 bis 500 Hz, x-, y-, z-Achse). Neben den Betriebssystemen Yocto und Ubuntu Linux liefert Advantech das Software-Tool »iManager« sowie Embedded-Software-APIs. Zudem unterstützt das Modul die »WISE-DeviceOn«-Plattform des Herstellers sowie den »Intelligent Platform Management Bus« (IPMB).

Mit den Maßen 200 mm × 160 mm entspricht das Board den Vorgaben des COM-HPC-Standards Size E für Servermodule. Es verfügt über vier Bänke an schnellem Dual-Channel-DDR4-3200-Speicher, wahlweise mit oder ohne Error Correction Code (ECC). So lässt sich das Modul mit bis zu 512 GB RAM aufrüsten. Bestückbar ist das Modul mit EPYC-Prozessoren der EPYC-7003-Familie von AMD. Sie nehmen eine maximale Thermal Design Power (TDP) von 225 W auf und arbeiten mit bis zu 64 Cores sowie 128 Threads. Eine solche Leistungsklasse findet man üblicherweise erst bei größeren Cloud-Servern. Neben aktiven und passiven Standardkühlmöglichkeiten bietet Advantech ebenfalls kundenspezifische Applikationen als Design- und Manufacturing Services (DMS) an.

 

Literatur

[1] https://www.amd.com/system/ files/documents/amd-epyc-7003- series-datasheet.pdf

 

Der Autor

 

Claus Giebert von Advantech
Claus Giebert von Advantech.
© Advantech

Claus Giebert

Im Anschluss an das Studium der Elektrotechnik in Erlangen arbeitete Claus Giebert als Elektronikentwickler bei einem Medizintechnikhersteller. Nach langen Jahren als Entwickler war der Übergang zum Produktmanagement ein nächster logischer Schritt. In dieser Funktion betreute er unter anderem x86-Baugruppen und M2M-Lösungen bei Kontron. Seit 2016 arbeitet er als Product Sales Manager für verschiedene modulare Lösungen bei Advantech.
Claus.Giebert@advantech.de


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