OSM-Module sind ein neuer Trend im Embedded Computing. Sie sind kompakter und robuster als Standard-Steckmodule – die Automatisierbarkeit bei Bestücken, Löten und Testen sorgt für geringe Kosten. Sie eignen sich daher zum Entwickeln von mobilen, IoT- und Consumer-Anwendungen in hohen Stückzahlen.
Seit vielen Jahren nutzen Embedded-Entwickler die Vorteile von Computer-on-Modules (CoMs). Mit ihren klar definierten Schnittstellen erlauben sie ein hohes Maß an Austauschkompatibilität und eine schlüsselfertige Integration von Board Support Packages (BSPs) für viele Betriebssysteme. Das reduziert Entwicklungszeit und Risiken bei Neuentwicklungen und ermöglicht eine weite Skalierbarkeit. Eingeschränkt wird die Flexibilität bestehender Standards primär durch die Festlegung auf ein bestimmtes Steckerformat für die Board-to-Board-Verbindung zum Carrier Board. Dieses legt die Grenzen bezüglich Abmessungen, Pinzahl und maximaler Übertragungsrate fest.
Die Standardization Group for Embedded Technologies (SGET) hat daher schon vor einigen Jahren den Formfaktor Open Standard Module (OSM) definiert. Die Module sind ähnlich wie ein Prozessor im LGA-Gehäuse direkt auf die Basisplatine (Carrier Board) auflötbar. Dies ermöglicht höhere Pindichten trotz deutlich kleinerer Abmessungen. Zusätzlich entfällt noch der Kostenfaktor »Stecker«, und die dadurch mögliche vollständige Automatisierung von Bestücken, Löten (ersetzt das manuelle Einstecken) und Testen sorgt für weitere Einsparungen. Der Hauptvorteil der OSM-Module gegenüber den gesteckten CoMs liegt jedoch in den wesentlich kleineren Baugrößen der vier aufeinander aufbauenden Modulvarianten: Selbst die größte davon, »Size L«, benötigt mit 45 x 45 mm² weniger als die Hälfte des Platzes des kleinsten SMARC-»Short«-Moduls mit 82 x 50 mm². Das alles bei rund doppelter Pinzahl von 662 gegenüber den 314 Pins.
Die genauen Maße und Pinzahlen der einzelnen OSM-Modulgrößen zeigt Bild 1. Aufgrund des Verzichts auf den Stecker vermindert sich hier zudem die Bauhöhe, sodass sehr flache Baugruppen – zum Beispiel für den Einbau hinter einem Display – möglich sind.
Mit ihrer geringen Baugröße eignen sich Systeme mit OSM-Modulen perfekt für kompakte und energieeffiziente Applikationen. Und das Verlöten der Komponenten gewährleistet eine hohe Robustheit gegen Schock und Vibration. Hiermit empfehlen sich OSM-Systeme besonders für Applikationen in Automation, Robotik oder Verkehrs- und Bahntechnik. Zudem ermöglicht der geringe Leistungsbedarf den Einsatz in batteriegestützten und -betriebenen Systemen in Medizintechnik und Transportwesen sowie in jeglicher Art von IoT-Geräten. Die kostengünstige Fertigungsmöglichkeit speziell bei hohen Stückzahlen macht die Modultechnik mit OSM-Modulen zusätzlich für neue Märkte im Konsumgüter- und Smart-Building-Bereich attraktiv.
Durch die Verfügbarkeit von Applikationsprozessoren mit integrierten, besonders stromsparenden KI-Co-Prozessoren bildet sich gerade ein vollkommen neues Geschäftsfeld aus, nämlich das der AIoT-Geräte. Hierunter versteht man kleine, mobile IoT-Geräte, die über dedizierte KI-Fähigkeiten verfügen und die Geräte hiermit um typische KI-Funktionen wie etwa (lokale) Sprach- und Bilderkennung erweitern. Ein typischer Vertreter dieser neuen Prozessorgeneration ist der Applikationsprozessor »i.MX93« von NXP.
Der taiwanische Hersteller erweitert sein Angebot mit vier neuen OSM-Boards; drei davon sind mit Prozessoren der »i.MX«-Familie von NXP Semiconductors bestückt, einer mit einem stromsparenden Achtkern-Prozessor von Qualcomm. Hierbei sind alle Module mit i.MX-Prozessoren auch als Versionen für den Einsatz im erweiterten Temperaturbereich von -40 bis +85 °C lieferbar. Mit dem ausgefeilten Powermanagement der eingesetzten Prozessoren erfüllen alle hier aufgeführten OSM-Module spielend die Anforderungen der EU-Ökodesignrichtlinie. Der i.MX8-(Ultra Low Power)ULP-Prozessor benötigt beispielsweise im Stand-by-Modus (Suspend Mode: RTD deep sleep) weniger als ein Milliwatt an Leistung. Außerdem verfügen die vier OSM-Module jeweils über ein integriertes Sicherheitsmodul sowie eine leistungsfähige Hardware-Verschlüsselungseinheit.
Das Einstiegsmodell von Advantech ist das ROM-2620 im »S«-Formfaktor (30 x 30 mm²), das mit dem Ultra-Low-Power-Prozessor »i.MX8« mit einem A34 Dual Core ausgestattet ist (Bild 2). Die CPU arbeitet mit bis zu 1 GHz Taktfrequenz und einem 216 MHz Cortex-M33 Core, 1 GB DDR4-2000-Speicher und 16 GB eMMC NAND Flash. Als Betriebssysteme werden Yocto Linux und Microsoft Azure Sphere unterstützt. Es verfügt über die folgenden Schnittstellen:
Die Module ROM-2820 und ROM-2821 im »L«-Formfaktor (45 x 45 mm²) sind mit einem i.MX93-Prozessor mit einem Cortex-A55 Dual Core mit bis zu 1,7 GHz Taktfrequenz, einem 250 MHz Cortex-M33 Core sowie einer Ethos U65 NPU (Neuronal Processing Unit, KI-Co-Prozessor) ausgestattet (Bild 3) – beziehungsweise mit einem i.MX91-Prozessor mit einem Cortex-A55 Single Core, der mit bis zu 1,7 GHz taktet, sowie mit jeweils 1 GB LPDDR4-3700-Speicher und 16 GB eMMC NAND Flash. Als Betriebssystem wird Yocto Linux unterstützt. Die Module verfügen über die folgenden Schnittstellen:
Flaggschiff der OSM-Module ist das ROM-2860 (Bild 4) im »L«-Formfaktor (45 x 45 mm²), das mit dem Achtkern-Prozessor »QCS6490« von Qualcomm ausgerüstet ist, der folgende Elemente enthält: Eine Qualcomm »Kryo 670« CPU mit Cortex-v8-Technologie-Kernen (1x Gold plus mit bis zu 2,7 GHz, 3x Gold mit bis zu 2,4 GHz und 4x Silver mit 1,9 GHz), jeweils eine Adreno Virtual Processing Unit (VPU) und Graphics Processing Unit (GPU) sowie einen Hexagon-KI-Beschleuniger mit bis zu 13 TOPS. Das Onboard-RAM besteht aus 8 GB in ebenso schneller wie stromsparender LPDDR5-8533-Technologie. Onboard-Schnittstellen sind:
Der Einsatz des Moduls ist im Temperaturbereich von -20 bis +70 °C möglich. Als Betriebssysteme werden Ubuntu und Windows 11 unterstützt.
Für alle hier aufgeführten OSM-Module sind passende Entwicklungs-Carrier-Boards verfügbar. So kann sofort mit dem Entwickeln oder Portieren eigener Software begonnen werden, auch wenn noch kein eigenes Board besteht. Zur Entwicklung von eigenen Carrier Boards sind jeweils Referenzschaltbilder frei verfügbar, was die Entwicklungszeiten deutlich verkürzt. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass Kunden sich ein komplettes Carrier Board von den lokalen Design und Manufacturing Services (DMS) von Advantech in München entwickeln und fertigen lassen. Wie bei den klassischen Standardmodulen mit Stecker (Qseven, SMARC, COM Express und COM-HPC) kann der Entwickler genau den Grad an Service in Anspruch nehmen beziehungsweise zukaufen, den er gerade für sein Projekt benötigt. Ebenso ist es möglich, auf Basis einer existierenden Modullösung schnell und kostengünstig ein Full-Custom Design zu entwickeln.
OSM-Module verbinden die Vorteile von Standardmodulen mit den Trends zu höherer Integration und kleineren Abmessungen. Durch ihre höhere Pindichte gegenüber den steckerbasierten Modulen kann die Pinzahl trotz kleinerer Maße deutlich erhöht werden. Das ermöglicht es Entwicklern, bei gleichbleibender Kompatibilität auf noch mehr Prozessor- beziehungsweise Plattformfunktionen direkt zugreifen zu können. Die Zukunftssicherheit ist durch eine hohe Anzahl an noch verfügbaren Reservepins und ein unabhängiges, firmenübergreifendes Ökosystem an Herstellern verschiedener Bauelemente im Standardisierungsgremium SGET langfristig gegeben.
Begrenzt werden die Möglichkeiten von OSM-Modulen primär durch die maximal verarbeitbare Verlustleistung, die im einstelligen Wattbereich liegt. Ein Schwerpunkt des Einsatzes von OSM-Modulen liegt daher generell bei mobilen, batteriebetriebenen Geräten. Die geringe Baugröße und die daraus resultierende geringe Masse sorgen in Verbindung mit der stabilen Lötverbindung bei OSM-Modulen für eine außergewöhnlich hohe Robustheit und Unempfindlichkeit gegen Erschütterungen und Schwingungen. Daher eignen sie sich gut für den harten Industrieeinsatz wie etwa in der Robotik, aber auch in Fahrzeugen sowie im Förder- und Transportwesen.
Die höhere Kosteneffizienz von OSM-Modulen wird zu einem breiteren Einzug der Modultechnik auch in kostensensitiven Bereichen und bei Projekten mit hohen Stückzahlen von mehr als einigen zehntausend Stück pro Jahr führen.