Günter Lauber, Siplace, im Interview

»Die Auftragsfertiger sind für uns wichtige Innovationstreiber!«

14. Dezember 2012, 11:22 Uhr | Karin Zühlke
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Auftragsfertiger haben andere Anforderungen als OEMs

Die Software gewinnt im Bestückungsprozess immer mehr an Bedeutung. Gibt es überhaupt noch Unterschiede in der Hardware - also der Maschine - zwischen den verschiedenen Maschinenherstellern?

Es gibt schon noch Unterschiede in der Hardware, aber die Hauptunterschiede kommen über das Zusammenspiel aus Hard- und Software und die Integration der Module und die Gesamtleistung daraus zur Geltung.

Software ist zu einem ganz entscheidenden Punkt geworden. »Dumme« oder »starre« Hardware ist nicht mehr wettbewerbsfähig, beide Komponenten müssen sich ergänzen und Prozesse perfekt unterstützen. Siplace gehört zu den Herstellern mit den größten Entwicklerteams im Bereich Software. Auch Innovationen wie die zuvor genannten Rüstkonzepte oder die Möglichkeiten der SX-Wechselportale sind ohne Software nicht denkbar. Es geht aber noch weiter: Software muss heute die Integration der SMT-Bestückung in Prozessketten und den gesamten Betriebsablauf verbessern. Ein Beispiel ist die Fernwartung und das Monitoring von Linien. Nicht nur das Bedienpersonal kann eingreifen, auch interne oder externe Experten können sich von überall auf die Linie aufschalten, ihren Status prüfen und aktiv eingreifen. Das verringert Supportkosten und Stillstandszeiten für den Support.

A propos Flexibilität: Auf der letzten productronica war der Trend zu verzeichnen, dass die Bestückungsmaschine immer mehr zur flexiblen All-in-One-Plattform wird: zum Beispiel Testen, Bestücken und Drucken auf einer Plattform. Siplace hält sich bei diesem All-in-One-Gedanken eher zurück, so zumindest mein Eindruck. Warum?

Wie auch unsere Wettbewerber feststellen müssen, setzt sich die Integration weiterer Prozesse in den Bestückautomaten nicht wirklich durch - wahrscheinlich weil die Anwender entschieden haben, dass Hochleistungs-Bestückmodule einfach zu teuer sind, um durch andere Prozesse ersetzt zu werden. Bestückmodule sollten einfach Höchstgeschwindigkeiten liefern. Daneben wird es natürlich von uns immer noch intelligentere Lösungen geben, wie z.B. unseren »Siplace Glue Feeder«. Anstatt hier ein Bestückmodul »lahmzulegen«, ist es uns mit dieser Lösung gelungen, die Produktionsumgebung maximal flexibel zu halten, denn die Lösung lässt sich verwenden wie ein Förderer.

Inwieweit fließen die technischen Ideen aus dem Feld - und hier ganz speziell der deutschen EMS-Firmen - in Ihre Maschinen ein?

Vor allem unsere deutschen EMS-Kunden sind technologisch betrachtet ganz sicher die Treiber für uns, was Prozesse und Innovation im Gesamtprozess »SMD-Fertigung« betrifft. Mit dem einen oder anderen ganz Großen arbeiten wir hier schon lange sehr eng zusammen. Daraus sind mittlerweile richtige Entwicklungspartnerschaften entstanden. Das wirkt sich sicherlich auch direkt auf unsere Maschinen aus. Der Software-Bereich ist da ein sehr gutes Beispiel. Was ehemals als Projekt für einen unserer EMS-Kunden begann, ist heute ein Produkt für alle unsere Kunden. Denn erfahrungsgemäß werden Trends, die in Mitteleuropa aufkommen, mittelfristig auch in anderen Regionen gefordert, und das verschafft uns wiederum einen Wettbewerbsvorsprung, weil wir damit einen Schritt voraus sind.

Gibt es dafür konkrete Beispiele?

Ein Beispiel wäre die Software-Funktion »Alternative Spur«. Bei laufender Produktion muss viel angespleißt werden. Wenn die Rollen zusätzlich noch sehr klein sind, kann es vorkommen, dass der Linienbediener nicht mehr hinterher kommt und die Maschine stehen bleibt. Für diesen Fall wollten unsere EMS-Kunden Bauteile doppelt gerüstet an der Maschine vorhalten. Mit der Funktion »Alternative Spur« können jetzt für auslaufende Spuren Ersatzteile aufgerüstet werden, ohne dass diese im Vorfeld in »Siplace Pro« vordefiniert werden müssen. Ohne Download kann dann das Ersatzbauteil auf einer freien Spur gerüstet werden und wird von dort automatisch aufgenommen, wenn die andere Spur leer ist. Der Bedarf für Spleißen und Eingriffe des Bedienpersonals werden reduziert, teilweise komplett eliminiert.

Zurück zum Markt. Zu welchen Standorten tendieren die EMS-Unternehmen derzeit, gibt es einen Trend zur Globalisierung?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Es kommt auf das EMS-Unternehmen an. Die Top 20 EMS müssen sich strategisch global aufstellen, um wettbewerbsfähig zu sein. Die kleineren EMS-Firmen hingegen richten sich mit ihren Standorten eher ausschließlich nach den Kundenbedürfnissen.

Einer der aufstrebenden Fertigungsmärkte ist Indien - Ihrer Meinung nach viel versprechend oder eher überbewertet?

Indien ist jedenfalls noch ein sehr schwieriger Markt. Es gibt Ansätze, dass kleine indische Lohnfertiger dort Fuß fassen, da sind wir auch mit dabei. Aber generell tut sich Indien schon alleine auf Grund infrastruktureller Defizite schwer, eine funktionierende Fertigungsindustrie aufzubauen.  

Wie schätzen Sie den EMS-Markt in Mitteleuropa derzeit ein?

Insgesamt bin ich der Meinung, dass die Auftragsfertigung den größeren Teil des Marktes einnehmen wird. Denn durch die Volatilität werden die Herausforderungen in der Fertigung immer größer. Da überlassen viele OEMs diesen Part gerne den Spezialisten und konzentrieren sich auf ihre Kernkompetenz: die Produktentwicklung.  

Die EMS-Industrie hat also Ihrer Ansicht nach auch in Deutschland Zukunft?

Absolut! Ich denke nicht, dass sich der Markt, wie er sich momentan darstellt, groß verschiebt. Denn wir haben hierzulande nach wie vor einen starken Markt mit vielen Endkunden - und die möchten ihre Ansprechpartner vor Ort haben und nicht irgendwo in Übersee. Aus diesem Grund sehe ich keine Gefahr, dass die EMS-Industrie in Deutschland an Bedeutung verliert - wie gesagt, eher im Gegenteil.


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