Bisher verfügbare Standard-EMV-Kabelverschraubungen, bei denen der Kabelschirm abgelängt, aufgeweitet und in der Verschraubung z.B. über Konen kontaktiert wird, können in vielen Fällen keine ausreichende EMV-Sicherheit bieten. Bei den Kabelverschraubungen von Pflitsch – z.B. der UNI IRIS – übernimmt deshalb ein innenliegender IRIS-Federring die 360°-Kontaktierung des freigelegten Kabelschirmes. Beim Anziehen der Druckschraube wird er rundum sicher an das Schirmgeflecht angedrückt und sorgt für einen guten elektrischen Übergang. Zudem muss bei der Montage der Kabelschirm weder aufgeweitet noch abgelängt werden. Seine Schirmwirkung bleibt voll erhalten. Erst unmittelbar an der bauseitig vorgegebenen Klemmstelle nahe der Elektronik wird der Kabelschirm mit der Bezugsmasse kontaktiert. Dadurch werden unnötige Verkopplungen von Nutz- mit Störsignalen vermieden.
In der Baureihe blueglobe setzt der Hersteller erstmals eine Triangelfeder ein. Ihre 360°-Kontaktierung erreicht noch bessere Werte. Daher ist die blueglobe TRI zugelassen für Anwendungen mit den hohen Cat.7A-Anforderungen. Gemäß DIN IEC 61156-5 bis 1000 MHz werden hier mindestens 60 dB Dämpfung gefordert. Die TRI erreicht mit 65 dB deutlich höhere Werte. Selbst im hohen Frequenzbereich bis 2,5 GHz sind es typischerweise mindestens 50 dB. Außerdem erreicht die Kabelverschraubung eine sehr hohe Stromtragfähigkeit. Noch höhere EMV-Dämpfungswerte bringt der Einsatz einer nicht magnetischen TRI-Ringfeder, da die Non-Magnetic-Ausführung der Feder keine ferromagnetischen Einflüsse auf die Schirmung hat.
Doppelkontaktierung für noch mehr EMV-Sicherheit
Um die sehr gute HF-Dämpfung noch weiter zu erhöhen, hat der Hersteller seine blueglobe TRI in einer Sonderversion verlängert und mit zwei hintereinanderliegenden Triangelfedern ausgestattet. Das bringt gute 6 bis 10 dB Dämpfung mehr (= Faktor 2 bis 3 bessere Transferimpedanz), wie ausführliche Tests im hauseigenen Prüflabor dokumentieren.
Mit einem EMV-Adapter (Bild 3) aus selbem Hause lässt sich der Aufwand in viele Anwendungen minimieren: Wird dieser zwischen der Gehäusewand und einer EMV-Verschraubung eingeschraubt, ergibt sich ebenfalls eine doppelte Kontaktierung mit entsprechend höheren Dämpfungswerten und höherer Stromübertragung. Verwendet der Anwender diesen Adapter als Gegenmutter, lassen sich sogar Standard- und Kunststoff-Kabeleinführungen EMV-tauglich machen, was in weniger kritischen Anwendungen ausreicht.
Die Miniaturisierung bringt es mit sich, dass Gehäuse immer kleiner werden. Jede Kabelverschraubung benötigt aber einen gewissen Einbauplatz. Möchte ein Anwender nun verschiedene EMV-Kabel in ein Gehäuse einführen, kann es aufgrund fehlender Montagefläche zu Engpässen kommen. Um das Problem zu lösen, nutzt der Hersteller dafür die bewährten Mehrfach-Dichteinsätze aus dem UNI-Dicht-Programm auch im EMV-Bereich (Bild 4). Mit diesen Dichteinsätzen lassen sich mehrere Kabel – auch mit unterschiedlichen Durchmessern – zuverlässig durch eine Kabelverschraubung führen.
Hinter dem Dichteinsatz sitzt in der EMV-Lösung eine Scheibe aus Metall, die exakt für die verwendeten Kabeldurchmesser des Kunden angefertigt wird. In dieser Scheibe wird der Schirm jedes Kabels sicher mit je einer TRI-Feder kontaktiert. Über einen umlaufenden IRIS-Federring gelingt die zuverlässige Kontaktierung der eingesetzten Scheibe in der Kabelverschraubung. Da der Hersteller die UNI Dicht bis zur Größe M120 fertigt, ist die Integration mehrerer EMV-Kabel im Durchmesser von 5 bis 20 mm (inklusive Schirmgeflecht) möglich. Eine weitere Kundenanfrage war die Führung von zwei Kabeln durch eine Kabelverschraubung, bei der nur ein Kabel EMV-geschirmt sein sollte. Der Hersteller erfüllte diese Anforderung mit einem neuen UNI-Dicht-Doppelnippel, bei dem eine Bohrung mit einer TRI-Feder bestückt ist, die das EMV-Kabel sicher kontaktiert, während durch die andere Bohrung das ungeschirmte Kabel durchgeführt wird. Auch diese Kabelverschraubung hat im Test alle geforderten EMV-Vorgaben erfüllt.
Mehrfachschirme sicher kontaktieren
In modernen Elektronik-Applikationen erfüllt der Kabelschirm häufig mehrere Aufgaben: Zum einen bestimmt er maßgeblich die Kabelimpedanz, zum anderen soll er ein Aus- und/oder Einkoppeln von Signalen verhindern. Unangenehmerweise kann über das Schirmgeflecht zudem noch ein ungewollter Potenzialausgleich stattfinden.
Als Lösung gibt es daher spezielle Kabel mit Mehrfachschirmen. Eine Herausforderung ist es nun, diese geschirmten Kabel EMV-gerecht im geschirmten Gehäuse und mit den Elektronikmodulen zu kontaktieren. Möglich ist dies mit der verlängerten blueglobe TRI und ihren zwei hintereinanderliegenden Triangelfedern. Über die erste Feder wird der äußere Schirm des Kabels direkt außen am Gehäuse kontaktiert, während die zweite Feder den inneren Schirm mit dem Gehäuse niederimpedant verbindet. Der mögliche dritte Schirm lässt sich dann bis zum Masse-Sternpunkt im Schaltschrank weiterführen und dort auflegen. Diese Lösung erreicht eine Schirmwirkung von besser als 80 dB bei Frequenzen bis 1 GHz. Des Weiteren verdoppelt sich die Stromtragfähigkeit, wichtig z.B. bei Frequenzumrichtern und im Bereich der Elektromobilität: Hier sind hochfrequente Schirmströme von mehr als 25 A nichts Außergewöhnliches.
KoKeT – EMV-Messverfahren ohne teure Messtechnik
Mit der Entwicklung der blueglobe TRI erkannten die EMV-Experten von Pflitsch, dass keines der etablierten Messverfahren zur Bewertung des Schirmverhaltens von Kabelverschraubungen wirklich geeignet ist, um eindeutige und reproduzierbare Messergebnisse zum Schirmverhalten dieser Bauteile zu liefern. Außerdem erfordern die gängigen Verfahren sehr teure Messtechnik. Daher stellte sich die Aufgabe, ein bekanntes Verfahren so zu modifizieren bzw. zu ergänzen, dass es möglich wird, die Schirmungseigenschaften von Kabelverschraubungen mit einfachen Mitteln eindeutig zu bewerten.
Der Hersteller hat dazu das international genormte Messverfahren für Koaxstecker, das sogenannte Triaxialverfahren (beschrieben in den Normen IEC 61196-1, IEC 61196-A, prEN 50289-1-6 A+C, VG 95214-12 und VG 95214-13), weiterentwickelt. Das KoKeT (Koaxiale Kelvin Tube, siehe Bild 5) ist in der Lage, die Schirmdämpfung und die Transferimpedanz (absolut) von DC bis über 1,5 GHz zu messen. Vergleichsmessungen zeigen, dass dieses Verfahren in dem wichtigen Frequenzbereich von 25 bis 130 MHz um rund 20 dB schärfer misst als die gebräuchlichen Verfahren.
Zudem wird ausschließlich die Wirksamkeit des Prüflings und nicht der Prüfling plus die Eigenschaften des Zubehörs bewertet. Es gibt keine frequenzabhängige Systemdämpfung. Außerdem lassen sich Materialunterschiede bei ansonsten baugleichen Prüflingen messen. Frequenz- und/oder formenabhängige Korrekturberechnungen sind unnötig. Das Verfahren erreicht eine außergewöhnlich gute Reproduzierbarkeit (typisch ≤1 dB).
KoKeT ist mittlerweile in der aktuellen IEC 62153-4-10 als anerkanntes Messverfahren gelistet. In seinem Prüflabor nutzt der Hersteller das Verfahren für die eigene Bauteilentwicklung und bietet es zur besseren Abschätzung von radialen EMV-Bauteilen zudem auch als Dienstleistung an.
Die Autoren
Günther Quednau |
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studierte nach seiner Ausbildung zum Mess- und Regelmechaniker Allgemeine Elektrotechnik an der FH Südwestfalen in Hagen. Seit 1988 ist er schwerpunktmäßig in der EMV- und HF-Messtechnik tätig. Seit 2008 arbeite er als Applikationsingenieur HF/EMV bei Pflitsch in Hückeswagen und ist aktiv in nationalen wie internationalen Normengremien. |
guenther.quednau@pflitsch.de
Marc Manz |
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absolvierte eine Ausbildung zum Telekom/Kommunikationselektroniker, bildete sich als Funkamateur/DG1DBM und zum staatlich geprüften Elektrotechniker weiter. In 2005 begann er mit der Antennenentwicklung für Mobilfunkendgeräte/Mobilfunkzulassung und ist heute EMV-Applikationstechniker bei Pflitsch in Hückeswagen. |
marc.manz@pflitsch.de
Dipl.-Ing. Walter Lutz |
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studierte an der Rheinischen FH in Köln Elektrotechnik und absolvierte eine nebenberufliche Qualifikation im Bereich Journalismus. Nach Tätigkeiten als Fachredakteur und Pressesprecher arbeitet er seit 1993 als freier Fachjournalist beim PRservice in Haiger. |
w.lutz@prservice-lutz.de