EMV-Kabelverschraubungen

Gut geschirmt

16. Oktober 2015, 13:47 Uhr | Von Günther Quednau, Marc Manz und Walter Lutz
EMV-Kabelverschraubungen spielen eine wichtige Rolle bei der Gesamtschirmung eines Systems.
© Konstantin Yuganov - Fotolia

Elektronikgeräte dürfen durch Störstrahlung in ihrer Funktion nicht ­beeinträchtigt werden und eben so wenig dürfen von ihnen elektromagnetische Verunreinigungen ausgehen. EMV-Kabelverschraubungen spielen bei der Gesamtschirmung eines Systems durchaus ein wichtige Rolle, da sie die Kabeleinführungen EMV-sicher machen.

Baut sich aufgrund von elektromagnetischer Störstrahlung im Umfeld das Bild auf dem Wohnzimmer-Flachbildfernseher nicht sauber auf, ist das unschön. Kommt es in medizinischer oder industrieller Umgebung zu Störungen, geraten Menschen in Gefahr. Heute erzeugen und verarbeiten elektronische Systeme Signale bis in den GHz-Bereich: Dabei sind Leistungen im kW-Bereich (Mikrowelle, Wechselrichter und Elektromobilität) auf der Seite der Störquellen keine Seltenheit. Empfangsseitig sind Signalempfindlichkeiten von ≤1 μV (WLAN, UMTS, Bluetooth usw.) bei den Störsenken heutiger Standard. Daher ist es verständlich, dass bei der EMV-Prüfung von elektronischen Geräten üblicherweise leitungsgeführte Signale bis 230 MHz und gestrahlte Signale bis 3 GHz bewertet werden.

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Bessere Schirmwirkungen lassen sich erzielen, wenn das Schirmgeflecht des Kabels durchgängig bis zur Elektronik im Schaltschrank geführt wird und erst dort an Masse angeschlossen wird, wie bei den Kabelverschraubungen TRI durch die 360°-TRI-Feder-Kon
Bild 1. Bessere Schirm- wirkungen lassen sich erzielen, wenn das Schirmgeflecht des Kabels durchgängig bis zur Elektronik im Schaltschrank geführt wird und erst dort an Masse angeschlossen wird, wie bei den Kabelver-schraubungen TRI durch die 360°-TRI-Feder-Kontaktierung möglich.
© Pflitsch

Nun lassen sich Gehäuse mit entsprechenden Maßnahmen schirmen. Doch da, wo Signal- und Energiekabel durch die Gehäusewand geführt werden, entsteht eine Lücke in der Schirmung, durch die elektromagnetische Wellen einfach durchschlüpfen. Um diese Schirmlücke sicher zu schließen, sind geschirmte Kabel und hochwertige EMV-Kabelverschraubungen zwingend notwendig. Denn sie ermöglichen die Kontaktierung des Kabelschirms bereits bei Kabeleintritt ins Gehäuse und nicht erst am Klemmpunkt im Gehäuse.

Hierzu gibt es unterschiedliche Lösungen: Gängig und für viele Anwendungen ausreichend sind Kabelverschraubungen, in denen das abgelängte Schirmgeflecht aufgeweitet, auf einen Metallkonus aufgeschoben und dort kontaktiert wird. Doch deren Dämpfungswerte reichen in immer mehr Fällen nicht mehr aus. Auch wenn die Signalintegrität im Fokus steht, kommt der Anwender nicht um die hochwertigen Kabelverschraubungen herum, weil es sonst im Signalpfad zu einer starken Impedanz-Veränderung kommt. Also suchen Entwickler und Konstrukteure nach Kabeleinführungen, die mit hohen Dämpfungswerten selbst im GHz-Bereich überzeugen. Bei diesen höherwertigen Typen wird das Schirmgeflecht durch die Kabelverschraubung bis zum Massepunkt an der Elektronik weitergeführt (Bild 1).

Impedanzen richtig messen

Unter einer EMV-Kabelverschraubung versteht man ein Bauteil, das (außer einer Zugentlastung und Abdichtung für das Kabel) ein Kontaktelement beinhaltet, um den Kabelschirm niederimpedant mit dem Metallkörper der Verschraubung und damit dem geschirmten Gehäuse des zu schützenden Systems zu verbinden.

Bild 2. Die elektrische Schirmwirkung von EMV-Kabelverschraubungen wird im Wesentlichen bestimmt von Leitfähigkeit der Materialoberflächen
Bild 2. Die elektrische Schirmwirkung von EMV- Kabelverschraubungen wird im Wesentlichen bestimmt von Leitfähigkeit der Materialoberflächen, Übergangsimpedanz Kabelschirm/Kontaktelement (Z1), Übergangsimpedanz Kontaktelement/Gehäusewand (Z2) und Übergangsimpedanz Kabelverschraubung/Gehäuse (Z3).
© Pflitsch

Bei Kabelverschraubungen für geschirmte Anwendungen wird die elektrische Schirmwirkung neben der Leitfähigkeit der Materialoberflächen im Wesentlichen von folgenden Merkmalen bestimmt (Bild 2):

  • Übergangsimpedanz zwischen Kabelschirm und Kontaktelement (Z1)
  • Übergangsimpedanz zwischen Kontaktelement und Gehäusewand (Z2)
  • Übergangsimpedanz zwischen Kabelverschraubung und Montageplatte bzw. Steckergehäuse und Einbaubuchse (Z3).

Die Summe dieser Teilimpedanzen stellt den gravierenden Anteil der Transferimpedanz des Bauteils dar.

Je nach Material und Ausführung weisen die Teilimpedanzen starke Unterschiede auf. Das hat erhebliche Folgen. Ein Beispiel macht dies deutlich: Ein geschirmtes Kabel mit guter Schirmung hat eine Transferimpedanz von <10 mΩ/m bei Frequenzen unter 1 MHz. Da es sich bei einer Kabelverschraubung um ein mechanisch kurzes Bauteil handelt (der Kontaktbereich ist typischerweise jeweils <10 mm), hat das Kabel im Beispiel eine Transferimpedanz von <100 µΩ. Für eine angemessene Kontaktierung sollte die EMV-Kabelverschraubung höchstens den gleichen Wert oder sogar eine niedrigere Transferimpedanz haben.

Doch welche Transferimpedanz hat die ausgewählte Kabelverschraubung? Da es keine normative Vorschrift für eine solche Angabe gibt, sind die Chancen, diese Werte vom Hersteller bzw. Lieferanten zu bekommen, eher gering. Es gibt aber eine international gültige Norm, die genau definiert, wie die Transferimpedanz von Kabeldurchführungen zu messen ist: In IEC 62153-4-10 wird das sogenannte Doppel-Koaxial-Verfahren beschrieben; wie es die Pflitsch-Prüfvorrichtung KoKeT verwendet, dazu später mehr.

Diese Vorrichtung jedenfalls erlaubt es, EMV-Kabelverschraubungen bis zu einer Größe von M85 zuverlässig zu vermessen. Wenn die verwendeten Messgeräte eine Messdynamik von ≥140 dB haben, ist es mit dieser Prüfvorrichtung möglich, im Frequenzbereich von 0 Hz bis über 2000 MHz Transferimpedanzen von ≤10 µΩ präzise zu messen. Zur Überprüfung und Verifizierung des Prüfaufbaus gibt es Referenzverschraubungen, die eine definierte Transferimpedanz haben. Des Weiteren gibt es eine Kabelverschraubung mit eingesetzter Kurzschlussplatte (kleinstmögliche Transferimpedanz). Hiermit lässt sich auf einfache Weise die Messdynamik des gesamten Versuchsaufbaus ermitteln. Nach der Messung erhält der Anwender qualifizierte Aussagen darüber, ob die gewählte Kabelverschraubung die notwendigen Dämpfungswerte erreicht. Wenn nicht, bleibt nur der Weg hin zu einer höherwertigen Kabeleinführung.

Praxisrelevante Angaben

In den meisten Fällen reicht bei der Auslegung eines Systems die Angabe der Schirmdämpfung. Möchte man aber ein Schirmungskonzept erstellen oder prüfen, benötigt der Entwickler auch die Transferimpedanz. Ein Praxisbeispiel verdeutlicht dies:

Ein Antriebsmotor soll mit einem Frequenzumrichter geregelt werden. Diese Baugruppe ist Teil einer Fertigungsinsel. Der Motor wird mit dem Frequenzumrichter unter Verwendung hochwertig doppelt geschirmter Kabeln angeschlossen (Schirmdämpfung bei 300 MHz ≥100 dB). Die garantierte Transferimpedanz des Kabels bei 1 MHz beträgt ≤3 mΩ/m. Auf einer Länge von 15 mm ist die Transferimpedanz dann ≤50 µΩ. Die Anbindung des Schirmes an die Gehäusewand von Motor bzw. Schaltschrank sollte dann ebenfalls ≤50 µΩ sein. Bei der Auswahl einer EMV-Kabelverschraubung steht der Entwickler vor der Herausforderung, dass es bisher keine Norm gibt, die Hersteller auffordert, diese Werte zu messen und anzugeben. Als kleine Hilfestellung sei hier verraten: Unter der Voraussetzung, dass der Hersteller die Schirmdämpfung – gemessen nach IEC – in der Anordnung matched/short angibt, sollte die Kabelverschraubung im auftretenden Frequenzbereich eine Schirmdämpfung von ≥114 dB aufweisen. Messungen an einer blueglobe M25 der Fa. Pflitsch ergaben hier deutlich darüber liegende Werte zwischen 78 dB und 94 dB.


  1. Gut geschirmt
  2. Ringfedern für die sichere 360°-Kontaktierung

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