Die Anforderungen an Gehäuse sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Während früher standardisierte Lösungen ausreichten, sind heute komplexe, oft kundenspezifische Designs gefragt - freilich ohne die Wirtschaftlichkeit aus den Augen zu verlieren. Wie setzen Hersteller das um?
»Der Trend geht weiter klar in Richtung kundenspezifischer Gehäuse«, bestätigt Ole Pfoch von apra norm. Der Grund dafür liegt in der zunehmenden Spezialisierung elektronischer Geräte, die nicht nur technisch, sondern auch optisch perfekt auf die Anwendung abgestimmt sein müssen. Dies betrifft sowohl die Auswahl der Materialien als auch die Integration von Funktionen wie Display- oder Touchlösungen. Gleichzeitig gewinnen Schutzanforderungen an Bedeutung: Gehäuse müssen heute nicht nur Staub und Wasser abweisen (IP-Schutz), sondern auch stoßfest, UV-beständig und temperaturresistent sein.
Die Individualisierung nach Kundenwunsch (»kundenspezifisch«) wird häufig als dominanter Allgemeintrend genannt. Faktisch aber nicht ohne nach der Wirtschaftlichkeit zu fragen: Lässt sich mit modifizierten Lösungen der Kundenwunsch schnell und günstiger erfüllen? Bopla etwa setzt erstmal darauf, bestehende Standardgehäuse an Kundenanforderungen anzupassen. Dies ermögliche eine wirtschaftliche Lösung für den Kunden, insbesondere bei kleinen Stückzahlen, erklärt Thomas Lüke, Sales Director von Bopla. Und bestätigt: »Unser Fokus liegt auf modifizierten Standardlösungen, da sie viele Kundenanforderungen ohne hohe Investitionskosten abdecken und eine schnelle Verfügbarkeit bieten. Während die Nachfrage nach kundenspezifischen Gehäusen wächst, bleibt der modifizierte Standard für viele Hersteller eine praktikable Alternative. Lüke erklärt: „Der modifizierte Standard ist aktuell die wichtigste Lösung, da er viele Kundenanforderungen ohne hohe Investitionskosten abdeckt und schnelle Verfügbarkeit bietet.“ Insbesondere für kleinere Serien ist dies eine wirtschaftliche Lösung. Größere Serien hingegen profitieren von vollständig maßgeschneiderten Designs, da hier durch optimierte Produktionskonzepte die Stückkosten gesenkt werden können.
Trotzdem wächst auch bei Bopla die Nachfrage nach vollständig kundenspezifischen Lösungen. Dabei sei die größte Herausforderung, individuelle Lösungen wirtschaftlich umzusetzen. »Besonders bei kleinen Stückzahlen«, betont Lüke. Zudem stehen Hersteller unter zunehmendem Preisdruck und müssen gleichzeitig steigende regulatorische Anforderungen und den damit verbundenen Dokumentationsaufwand bewältigen.
Maximilian Schober von Polyrack sieht ähnliche Herausforderungen: »Je leistungsfähiger die Elektronik, desto komplexer die Anforderungen – sei es in Bezug auf Schutzklassen, Kühlung oder Integration von Schnittstellen.« Während Polyrack ebenfalls auf Individualisierung setzt, betont Schober die Schwierigkeiten, die durch Zertifizierungsprozesse entstehen. Änderungen in der Serienfertigung erfordern oft eine erneute Zulassung, was den Entwicklungsaufwand erhöht.
Mit der steigenden Rechenleistung wächst auch die Herausforderung des Wärmemanagements. Besonders in lüfterlosen Systemen mit hoher Taktfrequenz müssen Gehäuse die Wärme effizient ableiten.
Lisa Picherer von Phoenix Contact erklärt: »Die Integration von Kühlkörpern und ausgeklügeltem Thermomanagement ist essenziell, um Überhitzung zu vermeiden.« Hier kommten passive Kühlung wie optimierte Materialien und Kühlrippen ebenso zum Einsatz wie aktive Lüfter- oder Flüssigkühlsysteme.
Lüke ergänzt: »Ein aktuelles Projekt verlangt eine Lösung, die sowohl arktische Kälte als auch Wüstenhitze übersteht. Während das Gehäuse diese Anforderungen problemlos erfüllt, stellt die Elektronik hohe Anforderungen an das Wärmemanagement.« Hier zeige sich, dass Standardlösungen oft nicht ausreichen. Die Hotspots der Elektronik sind individuell verteilt, was maßgeschneiderte Kühlkonzepte erfordert.
Neben der reinen Funktionalität spielt auch die Usability eine immer größere Rolle. Picherer berichtet: »Unsere Kunden erwarten zunehmend Komplettlösungen, bei denen beispielsweise HMI-Elemente direkt integriert sind.« Kapazitive Touchsysteme sind inzwischen Standard, da Endanwender eine Bedienung im Stil moderner Tablets erwarten. Zudem werden Beleuchtungskonzepte zur Signalisierung von Betriebszuständen immer wichtiger. Auch die Nachhaltigkeit rückt in den Fokus. Hersteller setzen verstärkt auf umweltfreundliche Materialien, allerdings bleibt die Herausforderung bestehen, die Balance zwischen ökologischer Verantwortung und wirtschaftlicher Fertigung zu finden.
Aktuelle Herausforderungen? Neben den gestiegenen Erwartungen an individuelle Lösungen bei kleinen Stückzahlen stellt auch der Preisdruck ein großes Problem dar. Zusätzlich nimmt der regulatorische Dokumentationsaufwand erheblich zu. Gerade bei Produkten, die in verschiedenen Märkten zugelassen werden müssen, ist der bürokratische Aufwand enorm.
Eine der größten Herausforderungen in der Gehäusefertigung bleibt die wirtschaftliche Produktion kleiner Stückzahlen. Während bei hohen Stückzahlen individuelle Spritzgusswerkzeuge zum Einsatz kommen können, braucht es für kleinere Mengen flexiblere Fertigungsmethoden wie Fräs-Biegetechniken und 3D-Druck. »Doch auch hier gibt es Grenzen, insbesondere wenn hohe Schutzklassen oder spezielle Materialeigenschaften gefordert sind«, sagt Schober von Polyrack. So betont Lüke unisono mit den anderen Teilnehmern an der Diskussionsrunde die Bedeutung frühzeitiger Abstimmung: »Gerade EMV-Konzepte und Fertigungstoleranzen sollten früh geklärt werden, um aufwendige Nachbearbeitungen und hohe Ausschussraten zu vermeiden.«
Häufig wird das Gehäuse als letztes Element betrachtet, was in vielen Fällen zu höheren Kosten führt. Eine frühzeitige Integration spart Zeit und Geld.
Fazit: Starre Standardlösungen stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Die Kombination aus Design, Schutzanforderungen, Wärmemanagement und Nachhaltigkeit erfordert flexible Produktionsprozesse und eine enge Zusammenarbeit zwischen Elektronik- und Gehäuseherstellern.
Gleichzeitig stehen alle Hersteller vor denselben Herausforderungen: steigender Preisdruck, hohe regulatorische Anforderungen und ein zunehmender Dokumentationsaufwand. Unternehmen, die frühzeitig den Gehäusespezialisten einbinden, profitieren von optimalen Lösungen, die sowohl funktional als auch wirtschaftlich überzeugen. Wie sich der Markt weiterentwickelt, hängt nicht zuletzt von globalen Faktoren wie Lieferketten, Materialverfügbarkeit und regulatorischen Anforderungen ab.