Wie sieht das optimale Gehäuse für ein Gerät oder eine neue Applikation aus? Die Gehäuse-Hersteller verfügen über ein breites Portfolio an Technologien, mit denen sie passgenaue Lösungen realisieren können. Wichtig dabei ist, dass sie frühzeitig in Projekte eingebunden werden.
So unterschiedlich wie die Märkte sind, in denen Elektronikgehäuse zum Einsatz kommen, so unterschiedlich ist auch das Anforderungsprofil. So müssen Gehäuse, je nach dem in welcher Anwendung sie zum Einsatz kommen, Erschütterungen standhalten, eine hohe Dichtigkeit gegenüber Feuchtigkeit aufweisen, EMV-Kriterien erfüllen oder – ebenfalls nicht zu unterschätzen – besondere Designmerkmale erfüllen.
Der Trend geht dabei klar zu kundenspezifischen Gehäusen, die ganz bestimmte Anforderungen erfüllen. Dass dies nicht trivial ist, liegt auf der Hand. Denn gleichzeitig steigen die technischen Herausforderungen, zum Beispiel weil die Elektronik immer kompakter wird und durch die hohe Packungsdichte auch das thermische Design bei vielen Gehäusekonzepten eine wichtige Rolle spielt.
Ole Pfoch, Vertriebsmanager bei der apra-gruppe, macht deutlich, wie vielfältig die Anforderungen sind, welche die Gehäuse-Hersteller bedienen: »Bei Gehäusen für die Bahntechnik gilt es zum Beispiel, einen hohen IP-Schutz zu realisieren und die Gehäuse so auszulegen, dass sie selbst Vandalismus standhalten. Wir entwerfen aber auch Gehäuse, welche in einem Nagelstudio zum Einsatz kommen – und hier sind die Anforderungen komplett anders. Das Gehäuse-Design hat hier eine übergeordnete Rolle, aber auch das thermische Management gilt es zu berücksichtigen«.
Bei der Gestaltung von Gehäusen setzen Hersteller wie apra zum Beispiel zunehmend auf einen Materialmix. »Das bedeutet, dass das Gehäuse-Unterteil aus einem festen Metall bestehen kann, so dass die Wärme optimal abgeleitet wird, die Oberschale jedoch aus Kunststoff ausgeführt ist, was den Funkempfang unterstützt. Gleichzeitig sorgt der Kunststoff-Anteil für geringere Gesamtkosten«, erklärt Pfoch.
Ein Vorteil für den Kunden ist, dass er auf großes Fertigungs-Know-how bei den Herstellern von Elektronikgehäusen zurückgreifen kann. Diese haben zum Teil viele Technologien im eigenen Haus vereint, um möglichst flexibel und schnell auf Kundenwünsche eingehen zu können. Und das ist auch erforderlich bzw. gefragter denn je!
Das Standardgehäuse, das ganz ohne Modifizierung eingesetzt wird, ist mittlerweile die Ausnahme. Über alle Branchen hinweg nimmt der Trend zur Individualisierung bei Gehäusen zu.
»Technisch können wir alle Kundenanforderungen individuell umsetzen – beginnend bei unterschiedlichen Werkstoffen, über diverse Kühlkonzepte und normative Vorgaben bis hin zur individuellen Beleuchtung und Beschriftung«, sagt Thomas Lüke, Vertriebsleitung bei Bopla Gehäusesysteme. »Das Programm an Gehäuse-Komponenten und -Technologien ist so groß, dass die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt sind«. Die Herausforderung ist es jedoch, dabei den für den Kunden jeweils besten Weg zu finden. »Wir legen zum Beispiel großen Wert darauf, auch solche Kunden optimal zu unterstützen, die nur kleine Stückzahlen benötigen. Das können wir z. B. mit Gehäusen, für die keine Werkzeugkosten – allenfalls Rüst- und Zeichnungskosten – anfallen«, erklärt Lüke. Es sei besonders wichtig, den Kunden von Beginn an dort abzuholen, wo er steht, auch ab Stückzahl 1. »Natürlich begleiten wir unsere Kunden dann auch professionell weiter, wenn die Stückzahlen steigen«.
Den Trend hin zu individuellen bzw. kundenspezifischen Gehäusen kann auch Lisa Picherer, Produktmanagerin für Elektronikgehäuse von Phoenix Contact, bestätigen. Auch wenn das Unternehmen über ein großes Standardsortiment verfügt, lassen sich auch die Katalog-Gehäuse auf vielfältige Weise individualisieren. Der Kunde profitiert, indem er dank breitem Zubehörprogramm viele Möglichkeiten offen hat. So kann er Gehäuse in unterschiedlichen Farbvarianten wählen und diese mit farblich angepassten Designelementen kombinieren.
»HMI-Integration und Thermomanagement sind weitere Services, die wir gerne und kundenindividuell anbieten«, erklärt die Produktmanagerin. Dem Thema Kühlung bzw. Wärmemanagement hat man in jüngster Zeit besonders viel Beachtung bei Phoenix Contact geschenkt. So hat das Unternehmen eine eigenen Webseite ins Leben gerufen, über die der Kunde thermische Simulationen bei Elektronikgehäusen schnell und einfach durchführen kann. Dabei lassen sich bis zu drei Hotspots platzieren, um einen schnellen Überblick über das thermische Verhalten zu erhalten. »Darüber hinaus kann sich der Kunde gerne an unser Team wenden und wird von uns ausführlich beraten«, ergänzt Lisa Picherer.
Dienstleistungen wie Beratung, Entwicklungsunterstützung und auch die Elektronik-Integration sind bei vielen Gehäuseherstellern mittlerweile wichtiger Bestandteil des Geschäfts.
»Im Rahmen der Produktentwicklung übernimmt Polyrack zum Beispiel das Systemdesign inklusive der Elektronikintegration«, erläutert Maximilian Schober, Leiter für Vertrieb und Marketing. Polyrack kann teil- und komplett assemblierte Systeme realisieren. Auch die Entwicklung und das Layout von Leiterplatten sowie von SMD-bestückten Baugruppen gehört zum Portfolio des Gehäusespezialisten, inklusive Kabelkonfektionen.
»Bei uns ist auch das Thema ‚Software‘ ganz groß geworden«, berichtet Schober. Wir gehen mittlerweile seit fast vier Jahren so tief in die Materie, dass wir Software für unsere Kunden entwickeln.« Mit der aufgespielten Software des Kunden kann Polyrack die Gehäuse dann direkt an den Endkunden versenden.
Doch welche Dienstleistungen werden für die Kunden der Gehäuse-Hersteller zunehmend wichtiger? »Neben der Beratung bieten beispielsweise begleitende Prüfungen für Zertifizierungen ein großer Mehrwert«, erklärt Thomas Lüke von Bopla. »Auch deswegen ist es sinnvoll, uns als Gehäusehersteller frühzeitig in die Entwicklung mit einzubeziehen. Dann können wir zum Beispiel mit Umwelttests starten. Aber auch EMV-Tests sind oft wichtig für Projekte.« Klar ist, dass solche Vortests Kosten sparen , wenn später im akkrediertem Labor dann alles reibungslos verläuft.
Je früher der Gehäusehersteller in ein Projekt mit einbezogen wird, desto besser! In diesem Punkt sind sich die Experten einig.
Ist der Gehäusehersteller von Beginn an involviert, kann er sicherstellen, dass sich die Elektronik bestmöglich in das Gehäuse integrieren lässt und dass die Fertigung des Gehäuses auch effizient möglich ist. Und das gilt unabhängig von der Anwendung. »Wir wollen Entwicklungspartner sein«, bringt es Lüke auf den Punkt. Denn das Know-how geht weit über mechanisches Wissen hinaus. Für Bopla sind daher Fachmessen wichtig, um mit Unternehmen, Start-Ups und Studenten ins Gespräch zu kommen. Die Botschaft dabei lautet: „sprecht uns gerne an!“.
Ähnlich sieht das Lisa Picherer von Phoenix Contact. »Auf Messen ausstellen, an Kongressen teilnehmen, Vorträge halten, aktiv auf Kunden zugehen – all das ist für uns wichtig.« So können die Gehäuse-Experten aufzeigen, welchen großen Einfluss das Elektronikgehäuse auf das Gesamtprodukt hat und was beim Design im besten Falle schon im Vorfeld abzuklären ist, damit ein effizientes Produkt entstehen kann.
Insgesamt appellieren die Hersteller, dem Elektronikgehäuse von Beginn an eine hohe Bedeutung beizumessen. Zu Beginn steht sicherlich die Frage im Raum, wie hoch der Grad der Individualisierung sein soll. Ist es sinnvoll, ein modifiziertes Standardgehäuse zu verwenden, ein Gehäuse aus dem Baukastensystem des Gehäuseherstellers zu konfigurieren oder auf eine komplett kundenspezifische Entwicklungen zu setzen?
Welcher Weg der richtige ist, hängt immer vom Endprodukt ab. Die technischen Möglichkeiten, z. B. im Hinblick auf unterschiedliche Werkstoffe und Fertigungsverfahren, sind so groß, dass jeder Kunde fündig wird. Es gilt aber, den besten und kosteneffizientesten Weg zu finden.
»Bei der Realisierung eines neuen Gehäusekonzepts agieren wir technologie-offen«, erklärt Maximilian Schober, Leiter für Vertrieb und Marketing bei Polyrack.
Das Entwicklungsteam des Unternehmens kann dabei tief in die Analyse gehen und verschiedene Szenarien durchspielen: Wie hoch sind die Stückzahlen im Best-Case, mit welchen Stückzahlen ist im Worst-Case zu rechnen? Zu welchem Zeitpunkt sind Änderungen im Gerätekonzept zu erwarten? Und welche Abwandlungen oder Erweiterungen machen nach erfolgreicher Produkteinführung Sinn? »Alle Antworten fließen dann in die Konzeption des Gehäuses ein.«
Von dem langjährigen Know-how der Gehäuse-Hersteller können zum Beispiel Start-Ups besonders profitieren. Neben den etablierten Unternehmen adressiert Polyrack daher gezielt die Start-Up-Szenen in Berlin und München sowie anderen Städten außerhalb Deutschlands.
Auch Thomas Lüke von Bopla ist es wichtig zu betonen, dass »jeder Kunde – ob klein oder groß – von einem auf die Applikation abgestimmten Gehäuse-Konzept profitieren kann.« Denn das Elektronikgehäuse ist das eine, die Beratungskompetenz das andere, das sich der Entwickler zu nutze machen kann.