Reinecke hält die aktuellen Verlautbarungen nur für laute Polemik, »kurzfristig wird dies erst mal keine Auswirkungen haben«. Sollten die Ankündigungen zu Importzöllen wirklich durchgezogen werden, »wird es sicherlich interessant, aber die genauen Auswirkungen auf unser Geschäft in Deutschland und Europa sind aktuell schwierig vorhersehbar«. »Als globaler Hersteller mit Standorten und Großkunden in allen Regionen«, so Lüthje, »sind wir geographisch gut ausbalanciert, wir sind darum in dieser Hinsicht entspannt«. Welche Einflüsse die neue US-Regierung und ihre zukünftige Wirtschaftspolitik auf die Weltwirtschaft habe, müsse abgewartet werden.
Mit nur geringfügigen Auswirkungen für sein Unternehmen rechnet Dr. Baumann: »Wir sind hier sicher durch die geringe Größe unserer Marktnische begünstigt, aber auch unsere amerikanischen Distributoren gehen maximal von geringen Auswirkungen aus«. Dr. Endrich weist darauf hin, »dass sich die Aufkündigung von Handelsabkommen auf alle Beteiligten auswirkt«. Sollte es wirklich zu Importzöllen gegen Produkte aus China kommen, könne dieser Schuss nach hinten losgehen: »Wichtige amerikanische Brands wie etwa Apple hätten da dann ganz andere Probleme wie wir«. Endrich selbst beliefert in den USA hauptsächlich Automobilzulieferer. »Suchen sich die Automobilhersteller dort alternative Lösungen, würde das auch für uns Umsatzverluste bedeuten.«
Harald Sauer geht davon aus, »dass wir von etwaigen Maßnahmen nicht selbst betroffen sein werden, sondern unser Kunden«. Er geht jedoch davon aus, dass es dabei nur um kurzfristige Effekte handeln wird, »darüber hinaus bleibt abzuwarten, welche Fakten den Sprüchen dann wirklich folgen«. Sperlich schließlich weist darauf hin, »dass die amerikanische Passive-Bauelemente-Industrie nur noch in Teilbereichen eine Rolle spielt, zudem befindet sich die Elektronikfertigung für amerikanische Firmen im wesentlichen in China«. Er glaubt darum nicht an negative Folgen, »im Gegenteil: Ein starker US-Dollar ist ein Vorteil für uns!«
Ende letzten Jahres hat TDK den US-MEMS- und Sensorspezialisten InvenSense für 1,3 Milliarden Dollar cash übernommen. Bereits seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass sich klassische Hersteller passiver Bauelemente im Sensorikbereich verstärken. Rudolf Strasser begründet das so: »Die Sensorik entwickelt sich zu einer der zukunftsträchtigsten Sparten im Geschäft mit passiven Bauelementen. Deshalb setzen wir auch einen Schwerpunkt auf den Ausbau unseres Sensorikgeschäfts mit einer deutlich verbreiterten Technologie- und Produktpalette.«
»Gerade für Hersteller von nichtlinearen Widerständen oder Thermistoren ist der Weg zu Sensoren und zur Sensorik kurz und naheliegend«, erläutert Lüthje, »in vielen Fällen ist eine solche Portfolioerweiterung eine Möglichkeit zu mehr Wachstum neben dem eher stabilen Markt der Passiven«. Ganz ähnlich sieht das Pfülb: »„Einfache Bauteile“ generieren keinen Profit mehr. Jeder der jetzt noch Geld zum Investieren hat, sucht profitable neue Geschäftsfelder aufzubauen und eine höherwertige Systemlösung mit „Know-how“ anzubieten, die eine Wertschöpfung gewährleistet, die der Kunde dann auch bereit ist zu bezahlen.«
Diese Einschätzung teilt Dr. Baumann: »Aufgrund der höheren Wertschöpfung wird sich der Trend fortsetzen, aber nicht über die volle Breite der Hersteller«. Für Dr. Albertsen ist eine solche Erweiterung des Produktportfolios dann zielführend, »wenn es damit gelingt, die Kernkompetenz zu verstärken, und das Geschäft bei bestehenden Kunden qualitativ und quantitativ auszubauen«. Sutalo sieht für etliche Hersteller auf diesem Wege die Möglichkeit, »sich erfolgreich auch in anderen Bereichen außerhalb des Passivmarktes zu etablieren«. Und Leicher geht davon aus, dass sich dieser Trend noch weiter beschleunigt und auch 2017 noch für Überraschungen sorgen wird.