Fünf Jahre Sourceability

»Die Sourcengine ist ein Early Indicator!«

23. Juli 2020, 9:14 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Neuerungen bei Sourcengine

Das heißt, jeder Lieferant ist auch für seine Daten selbst verantwortlich?

Ja, die Anbieter sind für ihre Daten selbst verantwortlich. Mit etwa 10 Prozent unserer Lieferanten haben wir API-Schnittstellen, die anderen Lieferanten aktualisieren ihre Daten entweder über ein Upload oder wir pflegen diese Daten für sie ein.

Auf welche Neuerungen dürfen sich die Nutzer der Sourcengine in diesem Jahr freuen?

Wir werden in Zukunft noch mehr Market Intelligence in die Plattform integrieren: etwa hinsichtlich Verfügbarkeiten und Preisentwicklung über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Diese Features werden wir in den nächsten Monaten live schalten.

Ein überragendes neues Feature ist das BOM Management Tool, das direkt auf der Plattform läuft: Der Nutzer kann seine BOM auf Knopfdruck hochladen und mit einem Klick komplette BOMs quoten, verwalten und managen. Wir sind derzeit in der finalen Testphase und werden das Tool in Kürze unseren Nutzern zur Verfügung stellen.

BOM Tools sind bei Online-Distributoren inzwischen Standard. Was kann Ihr Tool, was andere nicht können?

Das Problem der üblichen BOM Tools ist, dass das Sourcing begrenzt auf die Produkte ist, die der jeweilige Distributor anbietet. Es gibt wiederum neutrale BOM Tools von Anbietern, die keine Produkte vertreiben. Das bedeutet aber, dass sie die Produkte bei den jeweiligen Anbietern anfragen müssen. Unser Tool ist voll transaktionabel. Wenn man beispielsweise eine BOM mit 500 Bauteilen in das System lädt, erfährt man, wie vital die BOM bzgl. Lebenszeiten der Produkte und Lagerbestände am Markt ist. Darüber hinaus gibt es für jeden Artikel den Zielpreis. Sie können auf Knopfdruck eine BOM mit 500 Artikeln in zwei Minuten kaufen.

Wie viele Anbieter sind aktuell auf der Sourcengine gelistet und wer sind diese Anbieter?

Wir haben derzeit – Stand Juni – über 2700 Anbieter auf der Sourcengine. Unsere Anbieter sind hauptsächlich Franchise-Distributoren. Aber wir haben auch mehr und mehr Hersteller, die ihre Ware direkt über die Sourcengine vertreiben. Die Hersteller sind namentlich gekennzeichnet, während der Distributor selbst entscheidet, ob er namentlich in Erscheinung tritt oder anonym als Franchise-Distributor gelistet ist.

Sie äußerten bei unserem Interview im Dezember letzten Jahres, dass für dieses Jahr, also 2020, ein Lager in Deutschland, konkret in München, geplant sei. Hat diese Aussage unter den gegebenen Umständen noch Bestand?

Ja, das wird kommen. Wir suchen derzeit eine geeignete Location, die für uns hinsichtlich Logistik und Qualitätssicherung passend ist.

Sourceability
© Sourceability

Die Pandemie könnte die Globalisierung etwas zum Erliegen bringen bzw. es gibt auch Stimmen, die eine Deglobalisierung fordern. Wie denken Sie darüber?

Es gibt in den USA Bestrebungen, sich unabhängig zu machen von Lieferanten aus China. Im PPE-Bereich ist die Welt zu 80 Prozent abhängig von China, wie wir am Beispiel „Masken“ gesehen haben: Jeder hat gekauft und die Preise in die Höhe getrieben. Das wird sich langfristig wieder etwas dezentralisieren von China weg. Wir sehen Hersteller, die sich mehr nach Taiwan, Thailand und Vietnam orientieren. Aber durch Dezentralisierung kann man keine Uhr zurückdrehen. Wenn man sich in den USA oder Europa unabhängiger machen will, ist das natürlich nicht falsch. Die Produktionsthemen werden sich in neue Regionen entwickeln, aber das war schon immer in Bewegung, etwa Richtung Osteuropa nach der Ostöffnung 1989, dann ging es weiter nach China, dann nach Thailand, anschließend nach Vietnam. Ich denke, die Globalisierung an sich wird davon nicht beeinträchtigt, sondern es wird nur Verschiebungen geben.

Als Sourceability sind Sie ja auch Franchise-Distributor. Wie kommt Ihnen dabei die Sourcengine zugute bzw. wie spielt das zusammen?

Gegenfrage: Was bedeutet denn überhaupt Franchise? Als Franchise-Nehmer bin ich ein Vertreter des Herstellers; in den USA ist ja auch das Rep-Modell sehr verbreitet. Mein Ziel ist, mit der Sourcengine die Plattform zur Verfügung zu stellen, dem Kunden 100 Prozent Traceability zum Hersteller zu bieten und ein gutes Verhältnis zum Hersteller aufzubauen, sodass wir unsere Kunden beim Hersteller vertreten können. Aber ob an meiner Türe das Schild „Franchise“ steht, ist dabei gar nicht mehr so wichtig, weil alle die Kriterien, auf die der Kunde Wert legt, erfüllt sind, wenn der Kunde die Ware direkt vom Hersteller bekommt. Wir sind beispielsweise kein Franchisenehmer von TI oder Samtec – um nur einige Beispiele zu nennen –, aber wir kaufen die Ware trotzdem direkt, weil wir entsprechende Agreements haben. Es sind auch verschiedene Business-Modelle mit den Herstellern in Diskussion.

Und ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Wir sind besser als Franchise! Denn ich führe den Kunden über meine Plattform zum Hersteller direkt. Der Hersteller wird irgendwann seine Rechnung direkt an die Kunden stellen, zumindest die Größeren.

Aber die Hersteller wollen die kleinen und mittelständischen Kunden doch eher an die Distribution übergeben und nicht selbst direkt beliefern?

Das ist ein Mix. Die Hersteller wollen in jedem Fall die Entscheidungshoheit haben. Fulfillment zieht für den Hersteller andere Kosten nach sich als eine Franchise: Fulfillment-Dienstleistung kostet den Hersteller 5 Prozent Marge, im Fall von Amazon 2 Prozent, und nicht 20 oder 30 Prozent wie bei einem Franchisenehmer.
Die Hersteller wollen wissen, wo ihre Ware hingeht; ist der Kunde ein großer OEM, ein Ingenieurbüro, ein Forschungsinstitut etc. All diese Informationen zur Verfügung zu stellen ist kein Problem, ob Franchise oder Fulfillment. Die nächste Frage ist, wer das Shipment übernimmt. TI beispielsweise hat tausende Kunden direkt beliefert und direkt berechnet. Das wird für die Größeren unter den Herstellern mehr und mehr zum Thema werden, und dabei geht es schlicht und einfach um die Marge.


  1. »Die Sourcengine ist ein Early Indicator!«
  2. "Unterschiedliche Motivationen, eine Redundanz zu erzeugen..."
  3. Neuerungen bei Sourcengine
  4. Anbieterverteilung zwischen Hersteller und Distributor

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