Fünf Jahre Sourceability

»Die Sourcengine ist ein Early Indicator!«

23. Juli 2020, 9:14 Uhr | Karin Zühlke
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"Unterschiedliche Motivationen, eine Redundanz zu erzeugen..."

Die Corona-Krise wird also die Digitalisierung im Einkauf beschleunigen?

Wenn ich die letzten 20 Jahre zurückblicke, dann ist das Thema für den Einkauf schon immer präsent gewesen. Die Krise beschleunigt aber sicher die Entwicklung von entsprechenden Tools.

Die aktuelle Krise wird aber auch zu einer weiteren Konsolidierung der Lieferanten durch den Einkauf führen. Die Kunden werden die zur Verfügung stehenden Tools verstärkt einsetzen und ihre Prozesse optimieren. Infolge dessen werden sie keine redundanten Lieferanten mehr am Leben erhalten.

Aber in vielen Branchen sind Redundanzen bei den Lieferanten als Backup-Strategie doch Usus?

Es gibt unterschiedliche Motivationen, eine Redundanz zu erzeugen. Im Automotive-Bereich ist ein Backup von drei oder vier Lieferanten üblich, in anderen ein oder zwei Lieferanten. Aber viele Kunden haben oft noch 10 oder 20 Lieferanten für ein Produkt.

Wie hoch schätzen Sie den Effizienzgewinn durch die Digitalisierung des Einkaufs – bezogen auf die Sourcengine – ein?

Bei einer Integration in das System des Kunden spart ihm das mindestens 25 Prozent an Zeitaufwand. Er muss nicht mehr auf zahlreiche verschiedene Webseiten gehen, zig verschiedene XLS-Listen konsolidieren etc.

Wir hören dieser Tage immer wieder, dass die Corona-Krise nicht nur die Digitalisierung im Einkauf, sondern auch in der Unternehmensorganisation insgesamt puschen wird. Wie sehen Sie das aus Sicht eines Digitalisierers?

Wir waren zehn Wochen lang pandemiebedingt nicht im Büro präsent und haben trotzdem ein „All Time High“ verzeichnet. Herausfordernd war, dass wir unsere Läger aufrechterhalten konnten, denn im Lockdown durften in einigen Regionen nur sogenannte „Essential Businesses“ geöffnet bleiben. Aber alles andere hat aus dem Homeoffice funktioniert – und zwar mit Rekordzahlen. Das unterstreicht, dass die Strategie, die wir eingeschlagen haben, sich ausgezahlt hat.

Sie haben eingangs schon erwähnt, dass die Sourcengine nicht nur in ihrem eigentlichen Kern-Feature, dem Echtzeit-Quoting, sehr erfolgreich ist, sondern zum Early Indicator geworden ist. Woran machen Sie das fest?

Ganz konkret an einem Beispiel erklärt: Wir sind 3M-Franchise-Distributor in den USA für das komplette MRO-Segment. Bereits im Januar haben wir eine erhöhte Nachfrage nach Masken festgestellt, auch von Kunden, die noch keine Geschäftsbeziehungen zu uns hatten. Damals war noch gar nicht absehbar, was passieren würde. Wir dagegen konnten bereits unser Produktmanagement dahingehend auslegen, sodass wir signifikante Umsätze im MRO-Bereich erzielen konnten: Dazu zählen unter anderem Masken, Fieberthermometer, Desinfektionsmittel sowie anderes Personal Protection Equipment, wie Handschuhe und Schutzausrüstung. Es war interessant für uns, dass wir auf diesem Wege viel schneller die wichtigen Bedarfs-Indikatoren hatten als über unser Sales Team.

Sourceability
Die Sourcengine hat (Stand Juni 2020) über 2700 Anbieter. Dies sind hauptsächlich Franchisedistributoren. Aber es gibt auch mehr und mehr Hersteller, die ihre Ware direkt über die Sourcengine vertreiben.
© Sourceability

Wie hat sich die letzten Monate Ihr traditionelles Geschäft verändert?

Wir sehen in einigen Industrien und Regionen Veränderungen im Sinne einer Reduzierung des Bedarfes, z.B. Europa und China bei Automotive. Auf der anderen Seite gab es in der Medizintechnik in einigen Bereichen deutliche Kapazitätssteigerungen.

Sehr spannend ist, dass wir in den letzten Monaten erfahren haben, dass wir die Sourcengine auch in andere Bereiche als die von uns ursprünglich fokussierte Elektronikindustrie skalieren können. Durch den Ausbau unseres MRO- und PPE-Produktportfolios konnten wir neue Kundenschichten für die Sourcengine eröffnen: Wir haben z.B. eine weltweit operierende Hotelkette mit 3500 Häusern als Kunden für Personal-Care-Produkte gewonnen. Im Zuge dessen wurden zwölf Tonnen Desinfektionsmittel an die Hotels ausgeliefert. Dazu haben wir ein Portal eingerichtet, über das die einzelnen Häuser bei uns unabhängig die von ihnen benötigten Artikel bestellen können. Eine solche Kundenerweiterung ist über eine digitale Plattform viel leichter möglich als über den klassischen Vertrieb. Ohne unsere digitale Plattform wäre dieses Klientel gar nicht auf uns aufmerksam geworden, und es ist schwer vorstellbar, dass wir denselben Erfolg mit Kalt-Akquise über unser Sales Team erzielt hätten.

Logistik und Finance lassen sich aus der Elektronik so einfach auf andere Branchen übertragen?

Im Grunde schon. Die Hotel-Dachorganisation hat zentral die Einkaufskonditionen mit uns verhandelt. Die Hotels bestellen individuell und erhalten individuell ihre Rechnung, da einige lokale GmbHs, Franchise- oder Lizenznehmer der Dach-Marke sind.

Bleibt die MRO/PPE-Portfolio-Erweiterung ein Intermezzo oder setzen Sie nachhaltig auf diese Produktgruppen?

Wir sehen in diesem Segment auch künftig viel Potenzial und haben ein Team ins Leben gerufen, das sich ausschließlich um dieses Portfolio kümmert. Die digitalen Indikatoren helfen uns, wie gesagt, das adäquat auszurichten.

Das B2B-e-Commerce- bzw. Marktplatz-Konzept gewinnt in der Branche an Interesse, und Neugründungen lassen nicht auf sich warten. Schreckt Sie der Mitbewerb?

Ich begrüße es ausdrücklich, dass der Marktplatzgedanke weiter vorangetrieben wird! Die Frage ist allerdings, wie viel „Marktplatz“ – also unregulierter Wettbewerb – auf diesen Plattformen stattfindet. Ein Beispiel: Ein Distributor bekommt Ware direkt von TI. Gleichzeitig ist TI als Lieferant auf der Sourcengine gelistet. Was passiert nun, wenn ich als Lieferant meine Produkte direkt auf dem Marktplatz von Distributor XY anbiete?

Aber Sie sind als Plattform-Betreiber ja auch nicht ganz unabhängig.

Wir schreiten nicht regulierend ein, sondern stellen nur die Technologie zur Verfügung. Der Algorithmus bei der Preisanfrage ist für jeden Anbieter derselbe und jeder Anbieter hat dieselbe Chance.


  1. »Die Sourcengine ist ein Early Indicator!«
  2. "Unterschiedliche Motivationen, eine Redundanz zu erzeugen..."
  3. Neuerungen bei Sourcengine
  4. Anbieterverteilung zwischen Hersteller und Distributor

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