Interview mit Takeshi Iwamoto und Volker Schumann, Toshiba Semiconductor & Storage

„Wir wollen in Europa unter die Top 10“

1. Februar 2016, 15:25 Uhr | Steffi Eckardt
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Spezifische Komponenten wie der NAND-Flash-Speicher im Automotive-Bereich

Elektronik automotive: Ins Fahrzeug wandern immer mehr Funktionen aus der Unterhaltungselektronik. Die Bausteine erfüllen aber nicht die hohen Automotive-Anforderungen. Wie handhaben Sie das?

Wir wollen im Automotive-Bereich nicht zwingend schnell, sondern gesund wachsen
Wir wollen im Automotive-Bereich nicht zwingend schnell, sondern gesund wachsen.
© Toshiba

Takeshi Iwamoto: Wenn wir IP im Non-Automotive-Bereich entwickelt haben, dann versuchen wir auch diese im Automotive-Bereich zu nutzen, natürlich mit entsprechenden Anpassungen an Qualität und (funktionale) Sicherheit.

Volker Schumann: Es gibt Komponenten, wie NAND-Flash-Speicher, die wir ursprünglich nicht für den Automotive-Bereich entwickelt haben. Die Bausteine werden Automotive-spezifisch qualifiziert. So werden zum Beispiel unsere 15-nm-NAND-Flashes nach AEC Q100 qualifiziert und spezielle Screenings stellen eine niedrige Ausfallrate sicher. Nichtsdestotrotz reicht es in sicherheitskritischen Applikationen natürlich nicht aus, die Bausteine zu qualifizieren, sondern es müssen bereits beim Design und bei den Spezifikationen eines Produkts die speziellen Anforderungen des Automotive-Bereichs berücksichtigt werden. Das machen wir beispielsweise bei Mixed-Signal-ASICs oder ASSPs.

Elektronik automotive: Toshibas Bildprozessor TMPV7506XBG kommt in Densos kamerabasiertem Sicherheitssystem serienmäßig zum Einsatz. Wird die Baureihe denn auch bei europäischen Zulieferern eingesetzt?

Die große Motivation von Toshiba ist es, im Bereich Automotive erheblich zu wachsen - und zwar außerhalb vo Japan
Die große Motivation von Toshiba ist es, im Bereich Automotive erheblich zu wachsen - und zwar außerhalb von Japan.
© Toshiba

Volker Schumann: Bei der TMPV7506XBG-Serie handelt es sich um die zweite Generation unserer Prozessoren zur Bildverarbeitung, die jetzt bei Denso serienmäßig eingebaut wird. Die Familie ist bisher noch bei keinem europäischen Zulieferer im Einsatz – das wollen wir aber ändern. Derzeit führen wir Gespräche zu den Nachfolgegenerationen und das Interesse an diesen Bausteinen ist auch groß. Was die Familie besonders interessant macht, ist, dass die Systeme in Zukunft immer mehr Funktionen umfassen und daher immer mehr Rechenleistung benötigen. Gleichzeitig sind die thermischen Anforderungen für diese Systeme kritisch.

Der Weg von Toshiba ist, dass wir neben leistungsfähigen Prozessor-Kernen zusätzlich Hardware-Beschleuniger einbauen, die beim Verhältnis Performance zu Leistungsaufnahme Standard-Kernen deutlich überlegen sind. Das können wir, weil wir innerhalb des Konzerns das Know-how über die Bildverarbeitungs-Algorithmen haben. Wir wissen, welche Algorithmen notwendig sind. Und so haben unsere Prozessoren – abhängig natürlich von Generation und Variante – lediglich eine Leistungsaufnahme von 1 bis 2 W und können trotzdem ein komplettes Bildverarbeitungssystem mit Fußgängererkennung, Verkehrszeichenerkennung, Spurerkennung und andere Funktionen unterstützen. (Bild 2)

Die Bildprozessorserie TMPV7506XBG kommt bei Denso serienmäßig zum Einsatz
Bild 2. Die Bildprozessor- serie TMPV7506XBG kommt bei Denso serienmäßig zum Einsatz. Sie unterstützt kamerabasierte ADAS- Funktionen wie Spur- wechselwarnung, Fuß- gänger- und Fahrzeug- erkennung sowie Ampel- und Verkehrsschilderkennung.
© Toshiba

Elektronik automotive: Letztes Jahr hat Toshiba mit dem TMPV7608XBG die vierte Generation seiner Bildprozessoren vorgestellt. Wie sieht die Roadmap für diese Serie aus?

Volker Schumann: Die vierte Generation, die wir im November letzten Jahres vorgestellt haben, überzeugt vor allem durch zwei Faktoren: Zum einen durch ihre Leistung, zum zweiten durch die Integration von mehr Hardware-Beschleunigern als in Vorgängermodellen, die vor allem zur 3D-Remodellierung benutzt werden, um eine Umgebungskarte (Area Map) zu generieren. Darüber hinaus sorgen sie dafür, dass sich Objekte bei schwierigen Lichtverhältnissen, nämlich in der Dunkelheit, besser erkennen lassen. Im Moment spezifizieren wir die fünfte Generation dieser Bausteine. Diese wird sich mit höherer Leistung und einer noch besseren Programmierbarkeit von hochparallelisierten Systemen auszeichnen. Ein anderes Thema, das sehr wichtig ist, sind die neuronalen Netzwerke für solche ADAS-Applikation. Daran arbeiten wir derzeit.

Elektronik automotive: Toshiba ist neben Samsung, Hynix und Micron einer der vier großen Speicherhersteller weltweit. Wie sehen Sie die Zukunft der Speicher im Automotive-Bereich?

Volker Schumann: Im Moment ist es noch so, dass die Premiumsysteme HDD einsetzen. Es ist aber absehbar, dass zukünftig SSD-Speicher und -Technologien genutzt werden. Heute setzen mehr und mehr Systeme NAND-Flash ein. Von Größen von 4 GB bis hin zu Systemen, die mit 128 GB NAND-Flash arbeiten.

Wir selbst wechseln von 19-nm- auf 15-nm-Technologie. Hier wird der nächste Schritt sein, auf 3D-Technologie zu setzen. Der Schritt auf 3D wird zuerst im Server-Bereich gemacht. Toshiba hat kürzlich einen 3D-NAND-Prozess mit 48 Lagen vorgestellt. Das könnte auch die nächste Technologie im Automo­tive-Bereich sein – aber vermutlich erst in den nächsten drei bis vier Jahren.

Elektronik automotive: Wie sehen Sie die Entwicklung des Welt-Halbleitermarktes für Automotive?

Volker Schumann: Im Moment herrscht eine sehr positive Marktlage, speziell in Europa. Was sich vor allem durch viele Entwicklungsprojekte darstellt. Die großen Punkte sind allerdings: Wie wird sich China weiterentwickeln und welche Auswirkungen hat die Dieselaffäre auf den Markt? Wir sehen zwar derzeit keine extreme Verschlechterung am Markt, aber das sind zwei Themen, die wir ganz genau beobachten werden.

Kasten: Toshiba Electronics Europe auf einen Blick

 
Toshiba Electronics Europe (TEE) ist die europäische Zentrale für das Geschäft mit Speicherprodukten und elektronischen Bauelementen der 135-jährigen Muttergesellschaft Toshiba Corporation. TEE wurde 1973 in Neuss als europäischer Standort für Design, Fertigung, Marketing und Vertrieb gegründet. Die Unternehmenszentrale befindet sich mittlerweile in Düsseldorf. In Europa sind derzeit etwa 300 Mitarbeiter für TEE tätig. Das Produktspektrum umfasst ICs und diskrete Bauelemente einschließlich High-End-Speicher, Mikrocontroller, ASICs, ASSPs und Displays für die Bereiche Automo­tive, Multimedia, Industrie, Telekommunikation und Netzwerkbetrieb. Präsident des Unternehmens ist Takashi Nagasawa. Unter Toshiba Electronics Europe ist das European LSI Design and Engineering Centre (ELDEC) angesiedelt, wo Silizium- und Software-Produkte sowie IPs entwickelt werden. Das Spektrum des Design-Centers umfasst integrierte SoCs und eigenentwickelte ASSPs plus Software und Support für die unternehmensspezifischen MCUs und ASSPs. Um das Automotive-Geschäft in Europa zu bündeln, wurde innerhalb von TEE im April eine eigene Business Unit gegründet.  

Elektronik automotive: Apropos Diesel – hat sich denn die VW-Krise auf das Automotive-Geschäft von Toshiba ausgewirkt?

Volker Schumann: Nein, derzeit zeigen sich noch keine Auswirkungen. Aber wir beobachten sehr genau, wie sich die Situation weiterentwickelt, und untersuchen, welche Bereiche betroffen sein könnten. Aber hier ist es noch zu früh, um Rückschlüsse bis ins kleinste Detail ziehen zu können.

Elektronik automotive: Wenn man die Top-Halbleiterfirmen für 2014 betrachtet, fällt auf, dass Toshiba nicht mehr unter den ersten fünf ist. Wo sehen Sie die Gründe und welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Volker Schumann: Es ist nicht unser primäres Ziel, weltweit unter den Top 5 zu sein. Unser Ziel ist es, ein stabiles und profitables Geschäft aufzubauen. Nichtsdestotrotz gibt es zwei Gründe, warum wir hier Plätze verloren haben. Zum einen sind das verschiedene Firmenzusammenschlüsse und zum zweiten der Boom von DRAM-Speichern.

Takeshi Iwamoto: Natürlich ist es immer schöner, generell größer zu werden, aber für uns spielt es eine wichtigere Rolle, gesund im Automotive-Bereich zu wachsen – und das braucht Zeit.

Elektronik automotive: Um nach acht Monaten schon einmal ein kleines Fazit zu ziehen – wie ist das bisherige Feedback zur Business Unit?

Takeshi Iwamoto: Wir waren ja bereits im Automotive-Bereich unterwegs, sodass es in der Tätigkeit an sich kaum Änderungen gab. Aber unsere Kunden sehen das Long-Term Commitment äußerst positiv und wissen auch die festen Ansprechpartner zu schätzen.

Volker Schumann: Unsere Kunden sehen vor allem auch, dass wir ihre Anforderungen aufgreifen und in Produkte umsetzen. Ich greife als Beispiel die eben erwähnte fünfte Generation unserer Bildverarbeitungsprozessoren auf: Hier stammen viele Spezifikationspunkte, die in das Produkt einfließen, von unseren europäischen Kunden. Das geht bis hin zu den NAND-Flashes, bei denen es sich zunächst einmal um Standardprodukte handelt. Aber selbst hier nehmen wir die Wünsche unserer Kunden auf und versuchen, diese mit speziellen Versionen abzudecken. Das spüren die Kunden direkt und sind dafür dankbar.

Ein anderer Punkt dazu – in unserem Design-Center bauen wir sehr stark die Entwicklung von Analog- und Mixed-Signal-Bausteinen aus und da sind unsere Kunden sehr zufrieden, dass sie direkt mit den entsprechenden Entwicklern diskutieren und dabei bis in die kleinsten Details der Schaltung gehen können. Der Chip-Designer kann somit die Wünsche der Kunden direkt aufnehmen und diese sind wiederum sicher, dass ihre Anforderungen genau verstanden und entsprechend umgesetzt werden.

Das Gespräch führte Stefanie Eckardt.

 

Die Autoren

Takeshi Iwamoto

 

leitet als Vice President die Automotive Business Unit von Toshiba Electronics Europe. Er verantwortet die Bereiche ­Sales, Marketing und Engineering. Iwamoto ist seit vier Jahren im Bereich Automotive Analog/Mixed Signal tätig und war dabei auch für den Aufbau des Design Center in Graz zuständig. Davor war er in den USA für den Produktbereich ASICs und ASSPs über die Applikationsbereiche Telekommunikation, Industrial, Speicher und Consumer Electronics tätig. Iwamoto trat 1989 bei Toshiba ein.

 

Volker Schumann

 

studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität Darmstadt. Er trat 1999 als Produkt Marketing Manager bei Toshiba Electronics ein, wo er für Mikrocontroller und Mixed-Signal-ICs in EMEA zuständig war. Darüber hinaus hat Schumann auch die Automotive Systems Marketing Group verantwortet. Seit 2007 ist er als Senior Manager, Automotive Sales, im Unternehmen tätig.

 

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  2. Spezifische Komponenten wie der NAND-Flash-Speicher im Automotive-Bereich

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