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ZF TRW setzt auf Netzwerk-Interface von Vector Informatik

5. Oktober 2015, 14:51 Uhr | Von Stefan Siefert-Gäde und Katja Hahmann
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VN8900-System im Mittelpunkt

Das modulare VN8900-Netzwerk-Interface mit integriertem Echtzeitrechner spielt eine zen­trale Rolle für die Netzwerk-Kommunikation des Steuergerätes
Bild 2. Das modulare VN8900-Netzwerk-Interface mit integriertem Echtzeitrechner spielt eine zen­trale Rolle für die Netzwerk-Kommunikation des Steuergerätes.
© Vector Informatik

Eine zentrale Rolle im Konzept der komponentenbasierten Prüfstände spielt eine spezielle Hardware vom Typ VN8900 aus dem Hause Vector Informatik (Bild 2). Der ZF-TRW-Prüfstandlieferant, die Smart Testsolutions GmbH – nicht zu verwechseln mit dem Kleinwagenhersteller – hat pro Einschub jeweils ein VN8900-System in seine Lösung integriert (Bild 3). Beim VN8900-System handelt es sich um ein modulares Netzwerk-Interface für die Bussysteme FlexRay, CAN (FD), LIN, J1708 und K-Line, das mit einem eigenen x86-Echtzeit-Rechner ausgestattet ist. Dieser sorgt insbesondere bei Anwendungen mit vielen parallelen Zugriffen auf mehreren Bus-Kanälen für hohe E/A-Leistung mit kurzen Reaktions- und Antwortzeiten sowie geringsten Latenzen. Neben den variabel konfigurierbaren Busschnittstellen stellt das System Erweiterungsmöglichkeiten für analoge und digitale Ein-/Ausgänge bereit. Dieses intelligente Interface ist einfach von einem PC aus über USB oder Ethernet konfigurierbar.

Blockschaltbild eines eigenständigen Subsystems, von dem pro Prüfstand sechs Einheiten verbaut sind.
Bild 3. Blockschaltbild eines eigenständigen Subsystems, von dem pro Prüfstand sechs Einheiten verbaut sind.
© Vector Informatik

Weil die VN8900-Systeme auf die Vector-Simulations- und Analysewerkzeuge CANoe und CANalyzer optimiert sind, fügen sich die neuen Prüfstände nahtlos in die Werkzeugkette bei ZF TRW ein. Aus den Entwicklungsabteilungen vorhandene CANoe-Restbussimulationen lassen sich somit praktischerweise mit minimalen Anpassungen in Tests direkt weiterverwenden. Diese Restbussimulationen sind bereits intern verifiziert, sodass zu diesem Zeitpunkt kein zusätzlicher Aufwand mehr für deren Qualitätssicherung anfällt. Durch diesen Ansatz schließen sich interne Bedenken damit quasi von selbst aus, was zu einer spürbaren Entlastung der Mitarbeiter und vor allem des Projektleiters führt. Die Rüstzeiten wurden damit drastisch reduziert: in der Größenordnung von bis zu acht Monaten zum Umrüsten eines Steuergerätetests von OEM1 auf OEM2 auf jetzt zwei bis drei Wochen. Gleichzeitig wurde die Flexibilität bei der Reaktion auf späte Kunden-Software-Änderungen kurz vor Teststart mit Anpassungszeiten unter einer Woche enorm gesteigert.

Robuste Testabläufe

Eine weitere Besonderheit des VN8900-Systems ist die Möglichkeit zum autonomen Betrieb, ohne dass eine Verbindung zu einem Bedien- oder Überwachungs-PC notwendig ist. Von den Testingenieuren werden am normalen PC-Arbeitsplatz mit Hilfe von CANoe Restbussimulationen und Testabläufe in der Skriptsprache CAPL erstellt. Anschließend lassen sie sich einfach auf das VN8900-System laden und dort ausführen. ZF TRW profitiert hier unter anderem von einer höheren Stabilität und Robustheit bei Langlauftests. Früher passierte es vor allem bei bis zu sechsmonatigen Langlauftests hin und wieder, dass der PC nach einigen Monaten abstürzte. Das ist insofern ärgerlich, als der Rechner dann über keinerlei Kontrollmöglichkeit mehr über den laufenden Testprozess verfügt. Derartige Probleme sind bei den neuen Prüfständen bisher nicht aufgetreten.

Heute sind Test Controlling, Visualisierung und Kommunikation zum Steuergerät streng getrennt. Das VN8900-System kommuniziert mit einem Linux-basierten Leitrechner von Smart Testsolutions über die LAN-Schnittstelle. Dabei kommt ein spezielles, von Vector mitgeliefertes, echtzeitfähiges Ethernet/UDP-Protokoll mit der Bezeichnung FDX (Fast Data Exchange) zur Anwendung. Durch eine enge Zusammenarbeit mit Vector Informatik war ZF TRW in der Lage, das FDX-Protokoll nach eigenen Vorstellungen zu modifizieren, und konnte in diesem Rahmen beispielsweise einen Datenaustausch nach dem Fifo-Prinzip implementieren. Umgekehrt hat Vector bei der Weiterentwicklung des VN8900-Systems auch Ideen von ZF TRW aufgegriffen. FDX bietet nun weitreichenden Zugriff auf autonom laufende Tests und erlaubt neben dem Starten und Stoppen von Anwendungen etwa das Auslesen und Löschen von Fehler-Codes, das Lesen und Sichern von XCP-Variablen, das Beeinflussen der Restbussimulationen und vieles mehr.

Budget-freundliche Lösung

Für ZF TRW war die breite Unterstützung in Hinsicht auf die benötigten Protokolle ein wichtiges Argument, sich zugunsten der Vector-Lösung zu entscheiden. Der Werkzeughersteller hat aus Sicht des Zulieferers für alle am Markt gängigen Protokolle sowie Automobilhersteller-spezifischen Netzwerke und Diagnosesysteme eine entsprechende Lösung parat. Diese zudem kostenlosen Lösungen sind ein Alleinstellungsmerkmal von Vector am Markt. Der Vorteil möglicherweise günstigerer Hardware-Komponenten anderer Hersteller löst sich durch höhere Folgekosten auf, wenn Protokolle für einzelne Busse oder die für diverse OEMs fehlende XCP-Unterstützung erst nachzuentwickeln ist.

Vorteilhaft gelöst hat der Hersteller des VN8900-Systems auch die Lizenzfrage, weil Anwendern wie dem Automobilzulieferer durch die sogenannte CANoe-Stand-Alone-Extended-Lizenz praktisch keine weiteren Kosten anfallen. Mit einer CANoe-Lizenz auf einem Entwicklungs-PC lassen sich beliebig viele Prüfstandsanwendungen erstellen. Updates der VN8900-Systeme auf aktuelle CANoe-Versionen sind dabei immer kostenlos enthalten. Selbst wenn sich der Lebenszyklus der neuen Prüfstände einmal ihrem Ende zuneigen sollte, lassen sich die VN8900-Geräte am Arbeitsplatz sinnvoll weiterverwenden, anstatt als totes Kapital ungenutzt zu bleiben.

Die Entwicklung geht weiter

Mit seinen neuen Prüfständen, die erstmals beim Testen von ESP-Steuergeräten zum Einsatz kamen, verfügt ZF TRW über ein komponentenbasiertes Testsystem, bestehend aus sechs bis sieben Bausteinen, die in verschiedenen Konstellationen kombinierbar sind. So kann das Unternehmen das Prüfstandkonzept zügig an Tests für andere Steuergerätetypen adaptieren, zum Beispiel für Airbags oder Fahrerassistenzsysteme. Beeindruckend sind die verkürzten Rüstzeiten und die Geschwindigkeit, mit der die Verantwortlichen jetzt auf Anforderungsänderungen reagieren können. Künftige Systeme für das autonome Fahren sind bereits avisiert. Beim Testen der hierfür unverzichtbaren Radar- und Kamerasysteme wird es für das neue Prüfstandskonzept viele Gelegenheiten geben, seine Leistungsfähigkeit und sein Rationalisierungspotenzial weiterhin unter Beweis zu stellen.

Dipl.-Ing. (FH) ­ Stefan Siefert-Gäde
 
studierte Elektrotechnik an der FH Koblenz. Er trat 2006 in die TRW Automotive ein. Seit 2014 koordiniert Siefert-Gäde im Bereich Global Electronics die globale strategische Entwicklung von Test Equipment. 
Dipl.-Ing. ­ Katja Hahmann
 
studierte Elektrotechnik an der TU Chemnitz. Sie trat 1997 bei Vector Informatik ein und ist dort Gruppenleiterin der CANoe-Anwendungsentwicklung. 

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