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Open-Source-Software für Automotive-Applikationen

23. Mai 2013, 16:25 Uhr | Dr. Sebastian Zimmermann
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Fortsetzung des Artikels von Teil 7

Lizenzwahl: Die Mozilla Public License Version 2.0

Bei komplett selbst erstellter Software kann der Urheber die Lizenzbedingungen für eine Veröffentlichung als Open-Source-Software selbst wählen. Stellt sich nur die Frage, welche Lizenz gewählt werden sollte. Neben der Über-legung, ob eine Permissive- oder eine Copyleft-Lizenz bevorzugt wird, gibt es viele unterschiedliche Open-Source-Software-Lizenzen, auf die die Automobilindustrie zurückgreifen könnte. Das ist mittlerweile ein Problem, weil es zunehmend schwierig wird, einen vollständigen Überblick zu behalten. Es ist daher unbedingt zu empfehlen, keine neuen Lizenzbedingungen zu erfin-den, sondern eine existierende Open-
Source-Software-Lizenz anzuwenden.

Daher hat die GENIVI-Allianz evaluiert, welche Open-Source-Software-Lizenz für eine möglichst breite Anwendung im Automobilumfeld geeignet ist. Zunächst wurden hierfür Selektionskriterien aufgestellt, die für die Automobilindustrie relevant sind:

  • Es soll keine neue Open-Source-Software-Lizenz erfunden, sondern eine bereits existierende und bekannte Lizenz zum Einsatz kommen. Eine neue Open-Source-Lizenz würde auf Akzeptanzprobleme stoßen und sich zu einer Nischenlizenz entwickeln. Um höhere Rechtssicherheit zu bieten, sollte es sich um eine bekannte Open-Source-Software-Lizenz handeln.
  • Die Lizenz soll die Kombination der Open-Source-Software mit proprietärer Software (ohne Offenlegungspflicht) und alternativ mit (L)GPL-lizenzierter Software erlauben. Im Umfeld der automobilen Software unterliegen Spezifikationen und Software-Bestandteile oft Rechten Dritter, die einer Offenlegung als Open-Source-Software entgegenstehen. Daher darf die Open-Source-Software nicht zu einer Offenlegungspflicht führen. Wegen der besonderen Verbreitung der (L)GPL soll aber alternativ eine Kombination mit (L)GPL-lizenzierter Open-Source-Software möglich sein. Eine Kombination mit GPL-lizenzierter Software und proprietärer Software gleichzeitig ist wegen des Copyleft-Effekts der GPL in der Regel nicht erreichbar.
  • Die Lizenz soll eine schwache Copyleft-Klausel enthalten, um die einseitige Vereinnahmung der Software durch eine Partei zu verhindern. Die Reichweite der Copyleft-Klausel soll eindeutig definiert sein. Es soll möglichst hohe Rechtssicherheit hinsichtlich der Copyleft-Klausel bestehen. Ein kompletter Verzicht auf Copyleft ist nicht erwünscht, um Reziprozität zu gewährleisten.
  • Die Lizenz soll auch patentrechtliche Aspekte regeln. Hintergrund: Es soll möglichst hohe Rechtssicherheit gegeben sein.
  • Es sollte möglichst eine einzige Lizenz für alle Software-Projekte statt vieler verschiedener Lizenzen genutzt werden. Die Lizenz soll möglichst universell einsetzbar sein, also beispielsweise unabhängig davon, ob es sich um eine Software-Bibliothek oder eine Applikation handelt.
  • Die Lizenz soll den Verkauf von Produkten, zum Beispiel Embedded Systeme, die Software unter dieser Lizenz enthalten, an beliebige Personen und Parteien erlauben. Das Kerngeschäft der Automobilindustrie darf nicht beeinträchtigt werden.

Von allen evaluierten Open-Source-Software-Lizenzen erfüllt die Mozilla Public License Version 2.0 (MPL 2.0) diese Kriterien am besten. Die GENIVI-Allianz hat die MPL 2.0 daher als Standardlizenz für eigene Open-Source-Software-Projekte im Automobilumfeld gewählt.

Die MPL 2.0 ist neu, sie wurde im Januar 2012 von der Mozilla Foundation veröffentlicht. Ein knapp zweijähriger öffentlicher Entwurfs- und Kommentierungsprozess ging dem voraus. Entstanden ist eine moderne Open-Source-Software-Lizenz, deren Copyleft-Klausel sich auf Quell-Code-Dateien beschränkt. Die Lizenz wurde von der Free Software Foundation als „Free Software License“ und von der Open Source Initiative als „Open Source License“ anerkannt. 

Literatur

[1]    GPLv3 §6, www.gnu.org/copyleft/lesser.html


  1. Open-Source-Software für Automotive-Applikationen
  2. Einzug von Open-Source-Software ins Automobil
  3. Der feine Unterschied: Copyleft und Permissive-Lizenzen
  4. General Public Licence (GPL)
  5. GPLv3 und Anti-Tivoization
  6. Eine Sprache für OEM, Lieferant und Unterlieferant: SPDX
  7. OEM und Zulieferer erstellen Open-Source-Software
  8. Lizenzwahl: Die Mozilla Public License Version 2.0
  9. Der Autor

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