Die Elektrifizierung (schwerer) Lkw stellt noch immer eine erhebliche Herausforderung dar. Die Grenzen des Möglichen in Bezug auf Batterien, Ladetechnik und Elektronik müssen ausgelotet werden, um diese Transformation zu schaffen.
Die Automobilindustrie und ihre Elektronikzulieferer arbeiten hart daran, Verbrennungsmotoren schrittweise abzuschaffen. Bei Pkw wurden gute Fortschritte erzielt. Mittlerweile sind Elektrofahrzeuge in den verschiedensten Kategorien erhältlich – vom Ultra-Kompaktwagen bis hin zu Limousinen und Pick-ups. Inzwischen macht auch die Elektrifizierung von Lieferwagen und Fahrzeugen für die Zustellung auf der letzten Meile riesige Fortschritte.
Die größte Herausforderung hinsichtlich der Elektrifizierung besteht nach wie vor darin, die sogenannten schweren Nutzfahrzeuge in Europa bzw. Fahrzeuge der Klasse 8 in den USA zu elektrifizieren. Dazu gehören Langstrecken-Lkw und andere Schwerlastfahrzeuge wie Sattelschlepper, Tankwagen und große Spezialfahrzeuge wie Holztransporter und Betonmischer.
Das Fahrzeuggewicht ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Elektrifizierung von Fahrzeugen. Je größer und schwerer das Fahrzeug ist, desto mehr Energie wird benötigt, um es zu bewegen. Größere und komplexere Batterien sind erforderlich. Und je länger der Weg ist, den ein Fahrzeug zurücklegen muss, desto mehr Energie benötigt es, was ebenfalls größere Batterien erfordert.
Lkw sind riesige Fahrzeuge, die auf jeder einzelnen Fahrt Hunderte und manchmal Tausende von Kilometern zurücklegen müssen. Das erfordert große, leistungsstarke Batterien.
Die Unterschiede zwischen elektrischen Pkw und elektrischen Lkw gehen weit über die Anforderungen an die Batterien hinaus. Viele der Unterschiede wirken sich jedoch direkt oder indirekt auf die Größe der Batterie aus, sodass sie ein Sinnbild für die Komplexität beim Bau von sehr großen Elektrofahrzeugen ist.
Die Grenzen der derzeitigen Batterietechnologie zwingen zu Kompromissen zwischen Reichweite und Nutzlastkapazität bei Nutzfahrzeugen. Batterien mit unzureichender Kapazität führen überdies zu mehr Ladestopps, was längere Transportzeiten und höhere Kosten bedeutet.Die Notwendigkeit größerer und leistungsfähigerer Batterien zur Beförderung schwerer Lasten erhöht sowohl die Kosten als auch den Aufwand für das Design dieser Fahrzeuge, insbesondere im Vergleich zu entsprechenden Pkw.
Batteriehersteller verbessern ihre Produkte kontinuierlich, machen sie schrittweise effizienter, kleiner, leichter und ermöglichen eine größere Kapazität. All das dient dazu, die Reichweite zu erhöhen.
Allerdings führen die schrittweisen Verbesserungen nicht schnell genug zu Batterien, die optimal für Lkw geeignet sind. Daher untersuchen Wissenschaftler auch andere chemische Zusammensetzungen von Batterien, die möglicherweise noch leistungsfähiger sind als Lithium-Ionen-Batterien.
Mittlerweile wird auch an anderen Batterietypen geforscht. Ein Beispiel ist eine neue Klasse von Festkörperbatterien, die sich durch eine höhere Leistungsdichte auszeichnen. Auch Wasserstoffbatterien, die lange Zeit als exotisch galten, werden allmählich praxistauglicher.
Die Ladeinfrastruktur ist der Schlüssel
Lkw können nicht die gleichen Ladestationen verwenden wie Pkw. Selbst die neueren Hochleistungs-Ladegeräte, die für ein schnelleres Aufladen von Pkw-Batterien entwickelt wurden, reichen nicht aus, um größere Batterien für mittelschwere Nutzfahrzeuge aufzuladen, geschweige denn für schwere Lkw. Mehrere Unternehmen haben den gemeinnützigen Handelsverband Charging Interface Association (kurz CharIn) gegründet, um Standards für Megawatt-Ladegeräte zu entwickeln, die für größere Fahrzeuge geeignet sind. Die ersten Versionen dieser Megawatt-Ladegeräte sind bereits im Handel erhältlich.
Weltweit mangelt es an Ladeinfrastruktur, selbst für Elektro-Pkw, insbesondere aber für größere Fahrzeuge. So prognostiziert der Verband der europäischen Automobilhersteller (ACEA), dass bis Ende 2025 in Europa nur 40.000 Ladepunkte für mittelschwere und schwere Lkw in Betrieb sein werden. Der ACEA schätzt jedoch, dass bis zum Jahr 2030 270.000 Ladepunkte benötigt werden.
Batteriewechsel
Eine weitere Option für Lkw-Batterien hat nichts mit den Batterien selbst zu tun, sondern eher mit deren Handhabung. Der Batteriewechsel wird untersucht, um festzustellen, ob solche Systeme schneller und/oder einfacher sein könnten als das Aufladen. Im Jahr 2022 war die Hälfte der in China (dem größten Markt für solche Fahrzeuge) verkauften Elektro-Transporter für den Batteriewechsel geeignet. Dabei handelte es sich zwar ausschließlich um kleinere Fahrzeuge für die Zustellung auf der letzten Meile und nicht um schwere Lkw, aber diese Entwicklung zeigt, dass der Batteriewechsel machbar ist.
Lkw aller Größen und Klassen sind gegenüber Personenkraftwagen weit in der Unterzahl. Dennoch ist diese Fahrzeugkategorie für einen unverhältnismäßig hohen Anteil an Treibhausgasen (THG) verantwortlich, sodass der feste Wille besteht, Lkw mit Verbrennungsmotor eher früher als später zugunsten von Elektromodellen vom Markt zu nehmen.
Elektro-Lkw sind zwar derzeit teurer als Diesel-Lkw, aber auch bei der Wirtschaftlichkeit beginnt sich das Blatt zugunsten von Elektrofahrzeugen zu wenden. Der International Council on Clean Transportation stellt fest, dass die Betriebskosten für Lieferfahrzeuge auf der letzten Meile – leichtere Lkw – in vielen europäischen Städten bereits auf dem Niveau ihrer dieselbetriebenen Pendants liegen. Die Kosten für schwere Nutzfahrzeuge sinken indes schneller als erwartet und könnten laut Energy Innovation, einer Beratungsfirma der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde (EPA), bereits 2030 das Niveau entsprechender Dieselfahrzeuge erreichen.
Es gibt Belege dafür, dass der Betrieb und die Wartung einer Elektro-Lkw-Flotte trotz des Kostengefälles heute bereits günstiger sind als der Betrieb und die Wartung einer Diesel-Flotte. Nach Angaben von Renault sind die Energie- und Kraftstoffkosten niedriger, sodass die Gesamtbetriebskosten von Elektro-Lkw geringer sind. Staatliche Anreize könnten darüber hinaus den Einsatz von Elektro-Lkw attraktiver machen.
All dies wird durch die Elektronikindustrie ermöglicht, die elektrische Antriebsstränge (einschließlich Wechselrichter) kontinuierlich verbessert, leistungsstärkere Batterien herstellt, effektivere Batteriemanagementsysteme entwickelt und schnellere, leistungsstärkere Ladesysteme mit neuen Galliumnitrid (GaN)- und Siliziumkarbid (SiC)‑Leistungs-ICs und DC/DC-Wandlern baut, die mit den notwendigen Spannungen arbeiten.
Mark Patrick
ist Director of Technical Content EMEA bei Mouser Electronics.