Mit einer neue UN-Regelung zu Lkw-Notbremsassistenzsystemen werden die Anforderungen an solche Systeme deutlich erhöht und damit an den Stand der Technik angepasst.
Notbremsassistenzsysteme für Lkw bremsen automatisch, um schwere Auffahrunfälle zu vermeiden. Sie sind bereits seit Jahren vorgeschrieben. Was sie leisten müssen, entspricht aber schon lange nicht mehr dem Stand der Technik. Nun wurden neue Vorgaben auf UN-Ebene beschlossen.
Bislang schreibt die Regelung (UN) Nr. 131-01 vor, dass Lkw/Busse – sofern der Fahrer nicht selbst eingegriffen hat – auf stehende Fahrzeuge automatisch 20 km/h Geschwindigkeit abbauen. Höhere Anforderungen waren zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Vorschrift – vor mehr als einer Dekade – noch nicht möglich.
Nach einem Jahr Arbeit der internationalen Arbeitsgruppe für »automatische Notbremsassistenzsysteme für schwere Nutzfahrzeuge« hat das zuständige Gremium der Vereinten Nationen (UN) Ende Januar 2022 den Vorschlag für neue, an den Stand der Technik und an die Unfallsituation angepasste Anforderungen angenommen.
Deutschland – vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums – und Japan leiteten die Arbeitsgruppe, die mit internationalen Experten aus staatlichen Institutionen, Industrie und Verkehrssicherheitsverbänden besetzt war. Die aktualisierten Anforderungen entsprechen weitgehend dem, was auf Initiative des Bundesverkehrsministeriums im Rahmen einer Untersuchung der BASt erarbeitet wurde.
Was müssen Lkw-Notbremsassistenten zukünftig leisten?
Die neue Änderungsserie der Regelung (UN) Nr. 131-02 verlangt Unfallvermeidung bis zu 70 km/h Fahrgeschwindigkeit auch auf stehende Fahrzeuge und passt die Anforderungen damit an den Stand der Technik an.
Systeme müssen nun bis zur Maximalgeschwindigkeit funktionieren, die Kollisionsgeschwindigkeit darf selbst aus voller Fahrt (bei Lkw bis zu 90 km/h) nicht mehr als 42 km/h betragen. Stauende-Unfälle können dadurch wesentlich entschärft werden – auch bei maximaler Geschwindigkeit der Lkw. Untersuchungen des Deutschen Verkehrssicherheitsrats und Unfallauswertungen der BASt zeigen, dass in über der Hälfte der schweren Unfälle das getroffene Fahrzeug stand oder zum Stand kam.
Weiterhin ist die Abschaltbarkeit von Notbremsassistenzsystemen künftig stark eingeschränkt. Unter anderem müssen die Systeme – einmal abgeschaltet – nach 15 Minuten automatisch wieder aktiviert werden. Eine dauerhafte Fahrt ohne Assistenz ist nur noch in Ausnahmefällen möglich.
Darüber hinaus müssen die Assistenzsysteme erstmals auch auf Fußgänger reagieren und in typischen Situationen Unfälle bis zu 20 km/h Fahrgeschwindigkeit vermeiden. Der bisherige primäre Anwendungsbereich des Notbremsassistenzsystems wird somit von der Autobahn auf den innerstädtischen Bereich erweitert.
Außerdem fordert die aktualisierte Regelung viel robustere und in realistischen Situationen arbeitende Systeme – nicht nur auf dem Testgelände. Die Optimierung der Fahrzeuge auf spezifische Testfälle hin ist damit nicht mehr möglich. Die Neuregelung erlaubt im Gegensatz zu vorherigen Änderungsserien (UN R131-00, UN R131-01) bereits starke automatische Bremsungen, auch wenn die Fahrer noch nicht vorher durch ein entsprechendes System gewarnt wurden. Das ist wichtig, wenn sich beispielsweise durch stark bremsende vorausfahrende Fahrzeuge die Situation plötzlich verschlechtert.
Ab wann gilt die neue UN-Regelung zu Notbremsassistenzsystemen?
Alle Änderungen gelten – nachdem das übergeordnete Gremium der UN zugestimmt hat – völkerrechtlich für neu entwickelte Fahrzeuge ab September 2025. Ab September 2028 können dann keine nicht konformen Fahrzeuge mehr neu zugelassen werden. Die Regelungen lassen sich aber ab spätestens Februar 2023 bereits freiwillig durch Fahrzeughersteller anwenden.